Sonntag, 23. August 2015

Ich wandere mit den Schnellen Füßen

Von Mülheim-Kärlich nach Crailsheim führte die erste Busfahrt des Jahres den Volkssportverein „Schnelle Füße Koblenz". Die rund 25 mitfahrenden Mitglieder - Einzelpersonen, Paare oder Familien - interessiert aber nicht das attraktive Stadtmuseum der baden-württembergischen Kreisstadt und es ist auch nicht die Johanneskirche dort, für die sie die rund 300 Kilometer Anfahrt und ein frühes Aufstehen am Karnevals-Sonntag in Kauf nehmen. Sie sind einzig und allein wegen des 55. Internationalen Wandertags der Wanderfreunde Crailsheim, eine Veranstaltung des Internationalen Volkssportverbands (IVV), auf ihren „schnellen Füßen". Nach der Abfahrt vom Schulzentrum in Mülheim-Kärlich, folgen noch drei Stopps zwischen Westerwald und Taunus, bei denen weitere Teilnehmer zusteigen, die sich auf die fünf, elf und zwanzig Kilometer-Strecken begeben wollen, wandernd oder joggend. Das jüngste Vereinsmitglied, der viermonatige Fynn, ist im kleinen Familienkreis unterwegs und der Star des Tages, weil er die Busfahrt genauso entspannt hinnimmt wie den Trubel in der Turnhalle im Stadtteil Westgartshausen. Dort ist Start und Ziel für alle rund 1.500 Teilnehmer, Mitglieder von Wandervereinen aus ganz Deutschland. Der Koblenzer Verein ist der letzte, der sich an diesem Tag anmeldet. Der Reiseleiter besorgt sogleich die Startkarten und teilt sie an die Mitreisenden aus. In der bis auf den letzten Platz gefüllten Turnhalle kann sich jeder mit Kaffee und Kuchen oder einer warmen Mahlzeit vor der Wanderung stärken. Die Bewirtung übernehmen die einladenden Wanderfreunde. Und dann machen sich die ersten „Schnellen Füße" auf den Weg, die meisten im Alleingang, denn jeder hat sein persönliches Wohlfühl-Tempo. Kniebundhosen und Wanderschuhe sind offenbar ausgestorben, der heutige Wanderer trägt funktionale Freizeitkleidung. So ist es kaum möglich, die Teilnehmer unterwegs als solche auszumachen, denn Armbinden oder eine andere einheitliche Kennzeichnung gibt es nicht. Immerhin tragen manche wenigstens ein Shirt mit einem Vereinslogo. Die Strecke ist ausgezeichnet markiert, ein Verlaufen ist nahezu ausgeschlossen, zumal es kaum Ablenkungen gibt. Die meiste Zeit ist links und rechts nicht mehr zu sehen, als gepflügte Ackerflächen, die den Weg säumen. Sie sind noch leicht mit Schnee bestäubt und in den Pflugfurchen haben sich zum Eisrutschen einladende Flächen gebildet. Nach etwa drei Kilometern ist die erste Kontrollstelle erreicht. Hier kann man sich gegen Vorlage der Startkarte bei einem Gratis-Tee aufwärmen, ein Angebot, was bei rund drei Grad Celsius und einem anfangs noch bedeckten Himmel von vielen Wanderern gerne angenommen wird. Außerdem gibt es hier den begehrten Stempel in die Startkarte, der nach dem Absolvieren der gewählten Strecke mit einem IVV-Wertungsstempel im Wertungsheft dokumentiert wird. Je mehr Wertungsstempel darin sind, desto näher rückt die Erlangung des in verschiedene Stufen unterteilten und durch eine Verleihungsurkunde manifestierten Volkssportabzeichens, was die meisten Häufig- und Vielfach-Wanderer anstreben. Neben dem Faktor der Gesunderhaltung mache Spaß und Geselligkeit, so wird es gesagt, den Volkssport Wandern attraktiv. Doch beim Laufen kommen die beiden Aspekte nur am Rande zum Tragen. Lediglich diejenigen, die paarweise oder in kleinen Gruppen mit etwa vier Kilometern pro Stunde wandern, nehmen die gesellige Gelegenheit wahr, beim Gehen miteinander zu plaudern. Für einige Kinder, wie den zwölfjährigen Justin, bietet der Wandertag eine gute Gelegenheit, sich einmal tüchtig an der frischen Luft auszutoben. Nach gut einer Stunde sind die ersten Wanderfreunde von der kurzen Tour zurück. In der immer noch prall gefüllten Turnhalle beginnt für sie jetzt das Warten auf die Vereinsfreunde, die die längeren Strecken gelaufen sind. Die Zeit wird genutzt, um Freunde und Bekannte zu begrüßen, die ihnen bei den vielen verschiedenen Wandertagen immer wieder begegnen. Der Vorsitzende der Wanderfreunde Crailsheim verspricht, mit einer Delegation seines Vereins den „Schnellen Füßen" im Oktober einen Gegenbesuch abzustatten, wenn die zu ihrer 32. Internationalen Volkssportveranstaltung nach Winningen einladen. Der Koblenzer Verein trifft außerdem auf den erfolgreichen, ihnen gut bekannten Ultramarathon-Läufer Rainer Koch. Der 34-Jährige aus dem fränkischen Dettelbach versteht unter Ultramarathon nicht einfach eine Strecke von mehr als 42,195 Kilometern. Einhundert Kilometer müssen es schon sein, die läuft er regelmäßig, und das in einer Zeit von plus/minus acht Stunden. Mit 28 Jahren gewann er den schwersten Etappenlauf in Europa, rund 4.500 Kilometer von Bari zum Nordkap. Die „Flinken Füße" sind stolz, dass er für ein Foto mit ihnen vor ihrer Vereinsfahne posiert. Nachdem alle per Bus angereisten Vereine von den Gastgebern ein Dankeschön in Form von Geschenken erhalten haben, ist es langsam Zeit, die Nachhausefahrt anzutreten. Während dieser fröhlichen Stunden lassen die „Flinken Füße" die letzten Geburtstagskinder hochleben und sprechen über neue Wanderpläne. Das spektakulärste Wander-Erlebnis steht Ende September bevor, wenn einige Mitglieder zur sechstägigen IVV-Olympiade nach China fliegen.

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