Von
Mülheim-Kärlich nach Crailsheim führte die erste Busfahrt des
Jahres den Volkssportverein „Schnelle Füße Koblenz". Die
rund 25 mitfahrenden Mitglieder - Einzelpersonen, Paare oder Familien
- interessiert aber nicht das attraktive Stadtmuseum der
baden-württembergischen Kreisstadt und es ist auch nicht die
Johanneskirche dort, für die sie die rund 300 Kilometer Anfahrt und
ein frühes Aufstehen am Karnevals-Sonntag in Kauf nehmen. Sie sind
einzig und allein wegen des 55. Internationalen Wandertags der
Wanderfreunde Crailsheim, eine Veranstaltung des Internationalen
Volkssportverbands (IVV), auf ihren „schnellen Füßen". Nach
der Abfahrt vom Schulzentrum in Mülheim-Kärlich, folgen noch drei
Stopps zwischen Westerwald und Taunus, bei denen weitere Teilnehmer
zusteigen, die sich auf die fünf, elf und zwanzig Kilometer-Strecken
begeben wollen, wandernd oder joggend. Das jüngste Vereinsmitglied,
der viermonatige Fynn, ist im kleinen Familienkreis unterwegs und der
Star des Tages, weil er die Busfahrt genauso entspannt hinnimmt wie
den Trubel in der Turnhalle im Stadtteil Westgartshausen. Dort ist
Start und Ziel für alle rund 1.500 Teilnehmer, Mitglieder von
Wandervereinen aus ganz Deutschland. Der Koblenzer Verein ist der
letzte, der sich an diesem Tag anmeldet. Der Reiseleiter besorgt sogleich die Startkarten und
teilt sie an die Mitreisenden aus. In der bis auf den letzten Platz
gefüllten Turnhalle kann sich jeder mit Kaffee und Kuchen oder einer
warmen Mahlzeit vor der Wanderung stärken. Die Bewirtung übernehmen
die einladenden Wanderfreunde. Und dann machen sich die ersten
„Schnellen Füße" auf den Weg, die meisten im Alleingang,
denn jeder hat sein persönliches Wohlfühl-Tempo. Kniebundhosen und
Wanderschuhe sind offenbar ausgestorben, der heutige Wanderer trägt
funktionale Freizeitkleidung. So ist es kaum möglich, die Teilnehmer
unterwegs als solche auszumachen, denn Armbinden oder eine andere
einheitliche Kennzeichnung gibt es nicht. Immerhin tragen manche
wenigstens ein Shirt mit einem Vereinslogo. Die Strecke ist
ausgezeichnet markiert, ein Verlaufen ist nahezu ausgeschlossen,
zumal es kaum Ablenkungen gibt. Die meiste Zeit ist links und rechts
nicht mehr zu sehen, als gepflügte Ackerflächen, die den Weg
säumen. Sie sind noch leicht mit Schnee bestäubt und in den
Pflugfurchen haben sich zum Eisrutschen einladende Flächen gebildet.
Nach etwa drei Kilometern ist die erste Kontrollstelle erreicht. Hier
kann man sich gegen Vorlage der Startkarte bei einem Gratis-Tee
aufwärmen, ein Angebot, was bei rund drei Grad Celsius und einem
anfangs noch bedeckten Himmel von vielen Wanderern gerne angenommen
wird. Außerdem gibt es hier den begehrten Stempel in die Startkarte,
der nach dem Absolvieren der gewählten Strecke mit einem
IVV-Wertungsstempel im Wertungsheft dokumentiert wird. Je mehr
Wertungsstempel darin sind, desto näher rückt die Erlangung des in
verschiedene Stufen unterteilten und durch eine Verleihungsurkunde
manifestierten Volkssportabzeichens, was die meisten Häufig- und
Vielfach-Wanderer anstreben. Neben dem Faktor der Gesunderhaltung
mache Spaß und Geselligkeit, so wird es gesagt, den Volkssport
Wandern attraktiv. Doch beim Laufen kommen die beiden Aspekte nur am
Rande zum Tragen. Lediglich diejenigen, die paarweise oder in kleinen
Gruppen mit etwa vier Kilometern pro Stunde wandern, nehmen die
gesellige Gelegenheit wahr, beim Gehen miteinander zu plaudern. Für
einige Kinder, wie den zwölfjährigen Justin, bietet der Wandertag
eine gute Gelegenheit, sich einmal tüchtig an der frischen Luft
auszutoben. Nach gut einer Stunde sind die ersten Wanderfreunde von
der kurzen Tour zurück. In der immer noch prall gefüllten Turnhalle
beginnt für sie jetzt das Warten auf die Vereinsfreunde, die die
längeren Strecken gelaufen sind. Die Zeit wird genutzt, um Freunde
und Bekannte zu begrüßen, die ihnen bei den vielen verschiedenen
Wandertagen immer wieder begegnen. Der Vorsitzende der Wanderfreunde Crailsheim verspricht, mit
einer Delegation seines Vereins den „Schnellen Füßen" im
Oktober einen Gegenbesuch abzustatten, wenn die zu ihrer 32.
Internationalen Volkssportveranstaltung nach Winningen einladen. Der
Koblenzer Verein trifft außerdem auf den erfolgreichen, ihnen gut
bekannten Ultramarathon-Läufer Rainer Koch. Der 34-Jährige aus dem
fränkischen Dettelbach versteht unter Ultramarathon nicht einfach
eine Strecke von mehr als 42,195 Kilometern. Einhundert Kilometer
müssen es schon sein, die läuft er regelmäßig, und das in einer
Zeit von plus/minus acht Stunden. Mit 28 Jahren gewann er den
schwersten Etappenlauf in Europa, rund 4.500 Kilometer von Bari zum
Nordkap. Die „Flinken Füße" sind stolz, dass er für ein
Foto mit ihnen vor ihrer Vereinsfahne posiert. Nachdem alle per Bus
angereisten Vereine von den Gastgebern ein Dankeschön in Form von
Geschenken erhalten haben, ist es langsam Zeit, die Nachhausefahrt
anzutreten. Während dieser fröhlichen Stunden lassen die „Flinken
Füße" die letzten Geburtstagskinder hochleben und sprechen
über neue Wanderpläne. Das spektakulärste Wander-Erlebnis steht
Ende September bevor, wenn einige Mitglieder zur sechstägigen
IVV-Olympiade nach China fliegen.
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