Weil
eine Harley Davidson allein noch keinen Sommer macht, gab es kurz vor
Sommeranfang Verstärkung von weit mehr als achthundert Motorrädern,
die zum Auftakt des 13. Biker-Treffens "Magic Bike Rüdesheim"
mit ihren Fahrern die landschaftlich schöne Strecke von Rüdesheim
durch das UNESCO Welterbe Mittelrheintal nach Koblenz rollten. Bei
dieser siebten, von Initiator Herbert Piel organisierten
Welterbe-Rundfahrt sollte der Stopp ursprünglich vor dem
Kurfürstlichen Schloss in Koblenz eingelegt werden. Weil dort jedoch
eine andere Veranstaltung stattfand, die mit dem Termin kollidierte, wurde die Parkebene auf dem Dach des Koblenzer Löhr Centers als ein
sehr spezieller Ausweich-Ort angeboten. Das am Fronleichnams-Feiertag
eigentlich geschlossene Center-Parkhaus war speziell für die Biker geöffnet und die oberste Parkebene ihnen für ihr Treffen kostenfrei zur Verfügung gestellt worden. In
diese luftige Höhe über Koblenz verschlug es allerdings nur wenige Fans der Kult-Motorräder mit dem besonderen Design und
dem ganz speziellen Sound. Doch zumindest die beeindruckende Einfahrt
der Biker-Kolonne wurde von etlichen Interessierten beobachtet. Im
Konvoi fahrend, mit Polizei-Geleit und Hubschrauber-Observierung
erreichten die aus ganz Deutschland, und vereinzelt auch den
angrenzenden Ländern kommenden Biker ihr Pausenziel. Minutenlang
dröhnten die Motoren, während eine Maschine nach der anderen auf
das Parkdeck rollte. "Was hier los ist, kannst Du Dir nicht
vorstellen", berichtete einer der Biker aufgeregt seinem
Handy-Gesprächspartner. Auch ich war komplett begeistert: "Was
für ein Event!" An der Essensausgabe verursachte der in diesem
Jahr aufgestellte Teilnehmer-Rekord eine rekordverdächtig lange
Schlange. Doch die Biker nahmen es gelassen. Sie nutzten die
Wartezeit, um die Aussicht auf die Stadt zu genießen und sich
auszutauschen über die Strecke und die Erlebnisse beim Fahren in der
Kolonne. Natürlich diente der rund einstündige Aufenthalt auch der
Begutachtung der vielen verschiedenen Harley-Modelle der anderen
Fahrer. Man fachsimpelte über Technik, Lackierungen und Umbauten,
die nahezu jeder Maschine ein ganz individuelles Aussehen gaben.
Zwischen all den Harleys parkten auf dem Deck auch einige Motorräder
anderer Marken wie Honda, BMW oder Yamaha - sogar ein Trike war
dabei. Teilnehmen dürfe schließlich jeder Biker, klärte ein
Mitfahrer auf. Selbst mit einem Vespa-Roller dürfe man sich der Tour
anschließen. Doch, mit meiner Vespa an dem Konvoi teilzunehmen, hätte ich als respektlos erachtet. Wer glaubt, eine Harley Davidson müsse zwangsläufig
von dem Typus "tätowierter langhaariger Rocker" gefahren
werden, der irrt. Heutzutage sind die Fahrer meist reiferen Alters,
eher grauhaarig oder kahlköpfig und machen einen recht zahmen,
soliden Eindruck. Weibliche Fahrerinnen sind offenbar immer noch die
Ausnahme. Vielleicht ist ihnen ein durchschnittliches Leergewicht von
mehr als 300 Kilogramm schlichtweg zu viel. So waren die meisten
Damen als Sozia unterwegs. Selbst ein kleiner Hund durfte auf der
Welterbetour seine Menschen auf dem Motorrad begleiten. Er hatte
(angeschnallt) seinen Platz ganz vorne auf dem Bike, ausgestattet mit
Sonnenbrille und Lederweste. Als am Nachmittag das Zeichen zum Aufbruch
gegeben wurde, starteten Hunderte von Motoren fast gleichzeitig. Das
Löhr Center erzitterte unter dem unvergleichlichen Klang, dem
Blubbern und Dröhnen, das ein ganzes Lebensgefühl verkündet. Vielleicht wird der
"ohrenbetäubende Lärm", wie manche es nennen, in
Zukunft anders klingen, wenn nämlich die nächsten
Harley-Generationen mit Elektromotoren ausgerüstet sind. Die
Ausfahrt aus dem Parkhaus gelang tadellos und sehr diszipliniert. Die
Fahrer zog es zurück nach Rüdesheim, wo die viertägige "Magic
Bike" unter anderem mit Stuntshows, Musik-Feuerwerk und
zahlreichen Konzerten auf drei Bühnen den wohl mehr als 25.000
Teilnehmern und Besuchern ein großes Unterhaltungsprogramm bot. Ein
weiterer Höhepunkt des Biker-Treffens war, wie schon in den
vergangenen Jahren, die Motorradparade durch den Rheingau.
Ob als rasende Reporterin oder interessierte Besucherin von Orten und Veranstaltungen - zu schreiben gibt es immer etwas.
Sonntag, 23. August 2015
Lange Museumsnacht in Koblenz - 2014
Wieder einmal bin ich der Einladung der Koblenzer Museen, Galerien und Ateliers zur Langen
Nacht der Museen gefolgt, in diesem Jahr 2014 mit 27 teilnehmenden Häusern. Die
Eröffnung erfolgte durch den Kulturdezernenten der Stadt bei der Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler am Mittelrhein im Haus Metternich auf dem Münzplatz. Der großen
Anzahl der Eröffnungsgäste erklärte der Kulturdezernent, wie wichtig eine
Veranstaltung wie diese sei, um die Bedeutung der Kunst einmal
gezielt hervorzuheben. Kunst, besonders wenn sie qualitativ so
hochwertig wie in Koblenz sei, mache eine Stadt lebens- und
liebenswert. Die Vorstandsvorsitzende der Künstlergruppe kündigte
für die Nacht im Haus Metternich mit allen Sinnen erlebbare,
lebendige Interaktionen an. Das Konzept zu der eigens für die
Museumsnacht mit "BeSINNlich" betitelten Ausstellung beinaltete neben der Bildenden Kunst, Lesungen,
Musik sowie Video- und Fotodokumentationen. Performative
Installationen sollten den Prozess des Entstehens von künstlerischen
Arbeiten für die Gäste sichtbar machen. Als Künstler wirkte unter
anderem David Hardy mit, der neben Wänden auch seinen Regenschirm
als Ausstellungsfläche nutzte. Der Besucher wurde
im Ausstellungshaus mit Sinnesreizen nahezu überflutet. Hier hätte man sich die
ganze Lange Nacht "um die Ohren schlagen können", ohne sich auch
nur einen Moment zu langweilen.
Selbst
wenn es nicht gelingen konnte, in den sechs zur Verfügung stehenden
Stunden alle Häuser mit mehr als achtzig Einzelveranstaltungen zu
besuchen, wollte jeder doch möglichst viele Kunstbegegnungen
erleben. Mit einem Bus-Shuttle ließ sich fast jedes teilnehmende
Haus, selbst das etwas abseits gelegene DB Museum, mühelos
erreichen. Wahre Eisenbahnfreunde gelangten dorthin mit dem
Historischen Sonderzug der DB. Um den Überblick nicht zu verlieren,
welches Haus welches Programm bot, und wie man dorthin kommen konnte,
gab es erstmalig eine kostenlose "Museumsnacht-App" für
Smartphone-Nutzer. Trotzdem blieb niemandem die Qual der Wahl
erspart. Gerade die Museen, speziell Mittelrhein- und Ludwig-Museum
hatten ein abendfüllendes Programm auf die Beine gestellt, boten
auch den jungen Kunstfreunden auf sie ausgerichtete Aktionen. Wer per
Seilbahn zur Festung Ehrenbreitstein gondelte, erlebte Kunst schon
während der Fahrt mit der in den Gondeln installierten Ausstellung
"Sky Art". Noch viel mehr Kunst und Kultur gab es auf der
Festung. Neben spannenden (Themen-)Führungen feierte zum Beispiel
das Landesmuseum die "Lange weiße Burgundernacht zum Barock"
mit Musik und Gaumenfreuden bei Kerzenschein. Und in der
Festungskirche gab es eine weitere Begegnung mit der Künstlergruppe AKM, die hier
zusammen mit der "Ökumene in der Festungskirche" Mircea
Handaburas Ausstellung "Grenzerfahrungen", begleitet von
Text-Musik-Collagen, zeigte.
Auch
in der am Fuße der Festung gelegenen Kunstresidenz Ehrenbreitstein
war die reiche Kunst- und Galerieszene in der Museumsnacht sehr aktiv. In einer Galerie wurde eine Fotoserie präsentiert, die sich dem Architekturprojekt "Nuova Corviale"
am Rand von Rom widmet. Mit einer besonders interessanten Idee
wartete eine andere Galerie auf. Hier präsentierte ein Künstler seine Porträtausstellung und die
neunmonatige Entstehungsgeschichte seines fiktiven Bildnisses von
Maria Magdalena Keverich, der Mutter Ludwig van Beethovens. Zur
Enthüllung des Gemäldes ging es in einem fröhlich-lärmenden, von Schauspielern begleiteten
Kerzen-Umzug quer über das auf dem Kapuzinerplatz stattfindende
Krebbelchenfest zum Mutter-Beethoven-Haus. Dicht an dicht drängten
sich die Gäste im Obergeschoss, wo das Programm mit Live-Musik umrahmt wurde. Die Idee des Künstlers wurde sehr gelobt, denn bisher gebe es keine Abbildung von der
jungen Maria Magdalena. Der Künstler überließ das von ihm gemalte Bildnis dem Haus
als Schenkung. Eine junge Ehrenbreitsteinerin habe ihm
dafür Modell gesessen, erklärte er. Die hübsche Frau mit dunklen
Haaren und melancholischen Augen verkörpere für ihn genau das, was
die Literatur Maria Magdalena Keverich an Eigenschaften zuspricht.
Mit verschiedenen Symbolen gestaltete der Künstler den Hintergrund
des Bildes. Die Galeristin erklärte die Ausführung als klassisch gemalt, fast altmeisterlich. Das Bild rede
mit dem Betrachter, es gehe auf die Dramatik im Leben der Maria
Magdalena ein, wurde in einer Laudatio das Werk gewürdigt, Mit diesem inspirierenden "Wesensporträt" sei es dem Künstler gelungen, das Denken und
die Phantasie des Betrachters anzuregen.
Nach
der Veranstaltung zog es viele Gäste zum Rhein-Museums oder zu einem
etwas oberhalb des Ortes gelegenen Atelierhaus, wo
zahlreiche große Skulpturen, Farbholzschnitte, Zeichnungen und eine Menge mehr Kunst zu bestaunen
waren. Ein besonderer Hingucker waren eine
blaue und beleuchtete 2,80 Meter große Pferdefigur im Garten sowie eine riesige Giraffe im Erdgeschoss des Atelierhauses, deren Kopf
neugierig in den ersten Stock blickt. Die meisten Figuren, mit denen "zu
spielen" die Künstlerin ausdrücklich auffordert, sind wetterfest.
Den immer wieder hineinschauenden Gästen zeigte die Künstlerin noch viel mehr von dem,
was ihre Kreativität im Laufe der Jahre hervorgebracht hat. Dabei
fand sich sogar ein weiteres Bildnis von Maria Magdalena Keverich.
Sie ist die Karo Dame auf dem Kartensatz, den die Künstlerin vor
Jahren einmal zeichnete.
Noch
mehr Kunst zu erleben, blieb wegen mangelnder Zeit ein reines
Wunschdenken. Ich habe mir vorgenommen, die anderen Häuser einfach
einmal an solchen Tagen besuchen, wenn nicht gerade ganz Koblenz im
Kulturrausch ist.
Ich erhalte eine Friedhofsführung
Mit
einer Fläche von rund dreißig Hektar ist der im Jahr 1820 eingeweihte Koblenzer
Hauptfriedhof der größte der insgesamt zwanzig städtischen Friedhöfe
und ein geschütztes Kulturdenkmal. Um möglichst viel über den
Friedhof und die Grabstätten zu erfahren, schließt man sich am
besten einer fachkundigen Führung an. Bevor der Friedhof hier zwischen Goldgrube und Karthause angelegt
wurde, befand er sich seit 1777 am Löhrtor. Da der neue Standort im
Schussfeld der Festungswerke lag, das übersichtlich gehalten werden
musste, war anfangs die Errichtung von stehenden Grabsteinen und
Grüften verboten. Schon 1833 wurde eine erste Erweiterung des
Friedhofs notwendig. Schwere Beschädigungen erfuhr er mit den
Luftangriffen auf Koblenz im Zweiten Weltkrieg. Noch heute sind
Spuren davon an einigen Grabmälern auszumachen. Ab den
1950er/60er-Jahren wurde der Hauptfriedhof massiv umgestaltet bis zu
dem parkähnlichen Erscheinungsbild von heute. Mit dem, in den
1980er-Jahren angelegten Arboretum fand er sogar Aufnahme in die
„Route der Welterbegärten". Seit dem Jahr 2002 ist er Teil
des UNESCO-Welterbes „Oberes Mittelrheintal". Eine malerische,
Mitte des 19. Jahrhunderts gepflanzte Platanenallee ist das Herzstück
im terrassenförmig angelegten historischen Teil des Friedhofs. Durch
diesen werde ich heute geführt, denn hier ist eine große Anzahl
denkmalwerter Grabstätten bekannter und verdienter Koblenzer
Persönlichkeiten zu besichtigen. Ganz nahe beim Haupteingang und
dem dort stehenden großen, runden Mosaik-Brunnen wird mir ein
Grab aus dem Jahr 1867 gezeigt, das sich durch den Erhalt der
Original-Bepflanzung, zwei die Grabstätte flankierende Eibenbäume,
als Besonderheit auszeichnet. Bei der folgenden Führung gibt es viel
zu lernen über Material und Baustile. Der Friedhofsführer zeigt mir Grabmäler aus Granit, rotem Sandstein, Lahnmarmor,
Keramikplatten und Mosaik. Als erstes Zeitzeugnis der Koblenzer
Bestattungskultur gilt die kleine Kollektion historischer,
spätbarocker Grabkreuze, von verschiedenen Koblenzer Friedhöfen
geborgen und hierher verbracht. Genauso die auf vielen Gräbern
liegenden Grabsteine, Kissensteine, die in der Zeit verwendet wurden,
als hohe Grabaufbauten auf dem Friedhof noch verboten waren. Die
große Familiengrabstätte aus dem frühen 20. Jahrhundert mit einem
Grabmal aus poliertem schwarzen Granit, wäre anfangs jedenfalls
nicht möglich gewesen. Sie sei der Stadt Koblenz als
„erhaltenswert" empfohlen worden, ebenso wie andere
Grabstätten, die es wegen einer zeittypischen Gestaltung oder der
bestatteten (bedeutenden) Persönlichkeiten zu erhalten gelte.
Zahlreiche Grab- und Ehrenmäler auf dem Hauptfriedhof haben eine
Eintragung als Kulturdenkmal erhalten. Dazu gehört eines der hier
bedeutendsten Familiengräber, das der Familie Vahlbruch. Es ist
verziert mit Jugendstilelementen, wozu auch die vollplastische Figur
des trauernden Engels gehört. Der 1911 verstorbene Hauptmann Ernst
Vahlbruch soll besonders wegen seines militärischen Wirkens für die
Festung Koblenz und Ehrenbreitstein bekannt gewesen sein. Das
älteste Grabmal des Friedhofs ist aus dem Jahr 1824. Hier liegt
Freiherr von Thielmann begraben, ein General der napoleonischen Zeit,
der unter anderem in Koblenz kommandierte. Seine Grabstätte ist mit
einem Helm, eine Arbeit der Sayner Hütte, verziert. Von der Sayner
Hütte stammen noch andere Arbeiten auf dem Friedhof, wie zum
Beispiel die drei nebeneinander stehenden Grabmäler von Mitgliedern
der Familie Wegeler. Und das großartige Tabernakel-Grabmal von
Pfarrer Carl Albrecht, der fast dreißig Jahre lang Pfarrer der
Pfarrei Liebfrauen war und 1833 in Koblenz gestorben ist. Das soll zu den prominentesten auf dem Friedhof gehören. Das
skurrilste ist vielleicht das Grabmal der Familie Aldenhoven - Franz
Hubert war einer der ersten, der hier beigesetzt wurde. An der Seite
des schlichten Marmorsteins ist ein Hinweis auf das berühmte „Götz
von Berlichingen"-Zitat eingemeißelt. Was Aldenhoven dazu
veranlasste, kann mir niemand erklären. Beim
weiteren Rundgang „begegne" ich vielen prominenten
Verstorbenen. Wie beispielsweise Peter Altmeier, zweiter
Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Justizrat Dr. Karl
Weber, der immerhin ein halbes Jahr lang als Bundesjustizminister
amtierte, Caroline Settegast, Mitbegründerin des katholischen
Frauenvereins St. Barbara und etlichen ehemaligen Oberbürgermeistern
der Stadt Koblenz. Dazu gehören Hubert Josef Cadenbach, Willi
Hörter, Wilhelm Kurth, Carl Heinrich Lottner, Josef Schnorbach und
Emil Schüller. Wie bei Willi Hörters Grabstein, haben immer wieder
Koblenzer Bildhauer und Steinmetze auf dem Friedhof ihre Spuren
hinterlassen. Hier ist es die Koblenzer Bildhauerin Edith
Peres-Lethmate, die das Dreifaltigkeits-Relief auf seinem Grabstein
gestaltete. Mit einem Relief-Bildmotiv zum Thema Sterben und Trauer
auf der Grabstätte der Familie Hils vom Bestattungsunternehmen
Bloemers ist eine Arbeit des Bildhauers Rudi Scheuermann erhalten
geblieben. Nachdenklich und ehrfürchtig verharre ich ein
wenig später vor den imposanten Kriegsgräberehrenstätten des
ersten und zweiten Weltkriegs und der Gedenkstätte für die Toten in
Deutschlands Osten. An der Wiesenfläche, auf der über vierhundert
Kissensteine an die Opfer des 1. Weltkriegs erinnern, zeigt mir der Führer eine historische Todesanzeige für einen 19-jährigen,
der 1918 an den Folgen eines Lungenschusses verstarb. Eine weitere
Gedenk- und Grabstätte erinnert an die 38 Toten des sich bei der
Rheinland-Befreiungsfeier im Jahr 1930 ereigneten Unglücks, als eine
Behelfsbrücke im Lützeler Hafen zusammenbrach, 14 der Unglücksopfer
sind hier begraben. Als wir an einem Glockenturm vorbeigehen, erfahre ich, dass diese Glocke früher immer dann geläutet hat, wenn
die Friedhofstore geschlossen wurden. Da die Tore heute immer offen
bleiben, wird der Turm nicht mehr gebraucht. Die Fledermäuse freut
es, sie haben sich dort eingenistet. Jede der viele weiteren besichtigten Grabstätten hat ihre eigene kleine, oftmals skurrile
Geschichte. Dass aber gerade die Grabstätte des
Schängellied-Schöpfers, des 1943 verstorbenen Mundartdichters Josef
Cornelius, ein derart schmuckloses Grab mit einem schlichten,
unscheinbaren Grabstein ist, enttäuscht mich ein wenig. Bevor
die Führung nach rund zweieinhalb Stunden endet, gibt es noch einen
letzten Halt an dem Friedhofskreuz und der Leichenhalle, die nach
Plänen von Lassaulx 1821-22 erbaut wurde. Nach mehrmaligen Umbauten
und der Kriegszerstörung wurde sie 1959-60 als Friedhofskapelle mit
einer dahinter liegenden Leichenhalle neu aufgebaut.
Ich wandere mit den Schnellen Füßen
Von
Mülheim-Kärlich nach Crailsheim führte die erste Busfahrt des
Jahres den Volkssportverein „Schnelle Füße Koblenz". Die
rund 25 mitfahrenden Mitglieder - Einzelpersonen, Paare oder Familien
- interessiert aber nicht das attraktive Stadtmuseum der
baden-württembergischen Kreisstadt und es ist auch nicht die
Johanneskirche dort, für die sie die rund 300 Kilometer Anfahrt und
ein frühes Aufstehen am Karnevals-Sonntag in Kauf nehmen. Sie sind
einzig und allein wegen des 55. Internationalen Wandertags der
Wanderfreunde Crailsheim, eine Veranstaltung des Internationalen
Volkssportverbands (IVV), auf ihren „schnellen Füßen". Nach
der Abfahrt vom Schulzentrum in Mülheim-Kärlich, folgen noch drei
Stopps zwischen Westerwald und Taunus, bei denen weitere Teilnehmer
zusteigen, die sich auf die fünf, elf und zwanzig Kilometer-Strecken
begeben wollen, wandernd oder joggend. Das jüngste Vereinsmitglied,
der viermonatige Fynn, ist im kleinen Familienkreis unterwegs und der
Star des Tages, weil er die Busfahrt genauso entspannt hinnimmt wie
den Trubel in der Turnhalle im Stadtteil Westgartshausen. Dort ist
Start und Ziel für alle rund 1.500 Teilnehmer, Mitglieder von
Wandervereinen aus ganz Deutschland. Der Koblenzer Verein ist der
letzte, der sich an diesem Tag anmeldet. Der Reiseleiter besorgt sogleich die Startkarten und
teilt sie an die Mitreisenden aus. In der bis auf den letzten Platz
gefüllten Turnhalle kann sich jeder mit Kaffee und Kuchen oder einer
warmen Mahlzeit vor der Wanderung stärken. Die Bewirtung übernehmen
die einladenden Wanderfreunde. Und dann machen sich die ersten
„Schnellen Füße" auf den Weg, die meisten im Alleingang,
denn jeder hat sein persönliches Wohlfühl-Tempo. Kniebundhosen und
Wanderschuhe sind offenbar ausgestorben, der heutige Wanderer trägt
funktionale Freizeitkleidung. So ist es kaum möglich, die Teilnehmer
unterwegs als solche auszumachen, denn Armbinden oder eine andere
einheitliche Kennzeichnung gibt es nicht. Immerhin tragen manche
wenigstens ein Shirt mit einem Vereinslogo. Die Strecke ist
ausgezeichnet markiert, ein Verlaufen ist nahezu ausgeschlossen,
zumal es kaum Ablenkungen gibt. Die meiste Zeit ist links und rechts
nicht mehr zu sehen, als gepflügte Ackerflächen, die den Weg
säumen. Sie sind noch leicht mit Schnee bestäubt und in den
Pflugfurchen haben sich zum Eisrutschen einladende Flächen gebildet.
Nach etwa drei Kilometern ist die erste Kontrollstelle erreicht. Hier
kann man sich gegen Vorlage der Startkarte bei einem Gratis-Tee
aufwärmen, ein Angebot, was bei rund drei Grad Celsius und einem
anfangs noch bedeckten Himmel von vielen Wanderern gerne angenommen
wird. Außerdem gibt es hier den begehrten Stempel in die Startkarte,
der nach dem Absolvieren der gewählten Strecke mit einem
IVV-Wertungsstempel im Wertungsheft dokumentiert wird. Je mehr
Wertungsstempel darin sind, desto näher rückt die Erlangung des in
verschiedene Stufen unterteilten und durch eine Verleihungsurkunde
manifestierten Volkssportabzeichens, was die meisten Häufig- und
Vielfach-Wanderer anstreben. Neben dem Faktor der Gesunderhaltung
mache Spaß und Geselligkeit, so wird es gesagt, den Volkssport
Wandern attraktiv. Doch beim Laufen kommen die beiden Aspekte nur am
Rande zum Tragen. Lediglich diejenigen, die paarweise oder in kleinen
Gruppen mit etwa vier Kilometern pro Stunde wandern, nehmen die
gesellige Gelegenheit wahr, beim Gehen miteinander zu plaudern. Für
einige Kinder, wie den zwölfjährigen Justin, bietet der Wandertag
eine gute Gelegenheit, sich einmal tüchtig an der frischen Luft
auszutoben. Nach gut einer Stunde sind die ersten Wanderfreunde von
der kurzen Tour zurück. In der immer noch prall gefüllten Turnhalle
beginnt für sie jetzt das Warten auf die Vereinsfreunde, die die
längeren Strecken gelaufen sind. Die Zeit wird genutzt, um Freunde
und Bekannte zu begrüßen, die ihnen bei den vielen verschiedenen
Wandertagen immer wieder begegnen. Der Vorsitzende der Wanderfreunde Crailsheim verspricht, mit
einer Delegation seines Vereins den „Schnellen Füßen" im
Oktober einen Gegenbesuch abzustatten, wenn die zu ihrer 32.
Internationalen Volkssportveranstaltung nach Winningen einladen. Der
Koblenzer Verein trifft außerdem auf den erfolgreichen, ihnen gut
bekannten Ultramarathon-Läufer Rainer Koch. Der 34-Jährige aus dem
fränkischen Dettelbach versteht unter Ultramarathon nicht einfach
eine Strecke von mehr als 42,195 Kilometern. Einhundert Kilometer
müssen es schon sein, die läuft er regelmäßig, und das in einer
Zeit von plus/minus acht Stunden. Mit 28 Jahren gewann er den
schwersten Etappenlauf in Europa, rund 4.500 Kilometer von Bari zum
Nordkap. Die „Flinken Füße" sind stolz, dass er für ein
Foto mit ihnen vor ihrer Vereinsfahne posiert. Nachdem alle per Bus
angereisten Vereine von den Gastgebern ein Dankeschön in Form von
Geschenken erhalten haben, ist es langsam Zeit, die Nachhausefahrt
anzutreten. Während dieser fröhlichen Stunden lassen die „Flinken
Füße" die letzten Geburtstagskinder hochleben und sprechen
über neue Wanderpläne. Das spektakulärste Wander-Erlebnis steht
Ende September bevor, wenn einige Mitglieder zur sechstägigen
IVV-Olympiade nach China fliegen.
Ein deutscher Wanderverein: Der Volkssportverein "Schnelle Füße"
Das
Wandern ist nicht mehr nur des Müllers Lust. Ganz Deutschland
scheint das Wandern für sich entdeckt zu haben, Wanderwege sprießen
fast wie Pilze aus dem Boden. Mehr als dreihundert hat der 1970
gegründete Deutsche Volkssportverband (DVV) zusammen mit seinen rund
800 angeschlossenen Vereinen und Organisationen eingerichtet. Mehr
als 300.000 Personen sind beim DVV, der wiederum Mitglied des 1968
gegründeten IVV (Internationalen Volkssportverband) ist,
registriert. Dem Verband angeschlossen, hat sich auch der Koblenzer
Volkssportverein „Schnelle Füße", der Ende 1987 von einer
17-köpfigen Wanderfreunde-Gruppe gegründet wurde. Schon im Jahr nach seiner Gründung
organisierte der Verein, der heute seinen Sitz in Mülheim-Kärlich
hat, seine erste eigene Volkssport-Veranstaltung mit Wanderstrecken
von 10 und 20 Kilometern, ab und bis Wolken. In
diesem Jahr
richtet er bereits seine 32. Internationale Volkssportveranstaltung
aus, und zwar in Winningen, wo schon seit einigen Jahren die dortige
August-Horch-Halle die Heimathalle der „Schnellen Füße" ist.
Rund 2.000 Teilnehmer werden am
24. und 25. Oktober dazu
erwartet. Der große Erfolg der ersten Veranstaltung mit damals mehr
als 3.000 Teilnehmern motivierte den Verein, das
Wanderstreckenangebot nach und nach zu erweitern. Sogar eine
Marathonstrecke (42,195 km) richtete er ein, eine 50- und eine
65-Kilometer-Strecke kamen in den Jahren 1995 und 2010 hinzu. Als der
Verein im Jahr 2012 seinen 25.
Geburtstag feierte, organisierte er seinen ersten Internationalen
Welterbemarsch über die Distanz von 60 Kilometern. Wie
die meisten Wandervereine, betreiben auch die „Schnellen Füße"
permanente Wanderwege, das sind ganzjährig begehbare Rundwege mit
Streckenlängen zwischen 5 und 42 Kilometern. Der älteste wird seit
2008 in Koblenz unter dem Namen "Rittersturz" angeboten. In
den folgenden sechs Jahren sind drei weitere hinzugekommen: "Mosella
Zauber" in Winningen sowie "Laacher See" und "Maria
Laach". „Stolzenfels" als fünfter ist bereits in
Planung. Alle sind wegen ihrer landschaftlichen Schönheit sehr
reizvoll. Darüber hinaus erwandern etliche der 66 Mitglieder des
Vereins (davon elf aus Koblenz) Woche für Woche, oft sogar mehrfach
innerhalb einer Woche, die vielen Wanderstrecken der befreundeten
Vereine, wie zum Beispiel in Bendorf,
Ebernhahn
im Westerwald, Limburg, Trier oder Wiesbaden. Bei deren Wandertagen
errangen sie zahlreiche Ehrenpreise als teilnehmerstärkste Gruppe.
Um Gesundheit mit Spaß und Geselligkeit zu kombinieren, organisieren
die „Schnellen Füße" nahezu jeden Monat eine Busfahrt zu
einem, von anderen Wandervereinen ausgerichteten Wandertag, bei dem
den Wanderfreunden verschiedene Streckenlängen zum Erwandern und
Erlaufen angeboten werden. Ihre erste Busfahrt dieses Jahres führte
25 „Schnelle Füße" nach Crailsheim in Baden-Württemberg.
Selbstbewusst, mit der Vereinsfahne voran, zogen sie in die dortige
Start/Ziel-Turnhalle ein. Die Fahne mit Schängel und Deutschem Eck,
der Stolz des Vereins, ließ er 1993 nach der Idee eines inzwischen
verstorbenen Mitglieds für 5.000 DM, finanziert aus Spendengeldern,
anfertigen. Am 12. April geht es per Bus nach Consdorf in Luxemburg
und am 14. Mai nach Goe in Belgien. Auch diejenigen, die nicht nur
wegen der Eintragungen in die Wertungshefte zur Erlangung des
Volkssportabzeichens die verschiedenen Strecken erlaufen, sondern
lieber bei einer geführten Tageswanderung (sogar als Marathon im
Angebot) Anekdoten über Land und Leute oder Wissenswertes über
Tier-/Pflanzenwelt und zu den Sehenswürdigkeiten hören möchten,
sind bei den „Schnellen Füßen" gut aufgehoben. Am 01. Mai
veranstaltet die „Romantischer Rhein Tourismus GmbH" unter dem
Namen „R(h)einwandern in den Frühling" einen
Wander-Ereignistag im nördlichen Mittelrheintal von Bonn bis Rhens
mit zahlreichen Veranstaltungen rund ums Wandern und Genießen. Die
„Schnellen Füße" beteiligen sich daran mit einer geführten
Tageswanderung von der Keltenschutzhütte in Bassenheim über
den Rhein-Burgen- und Streuobstwiesen-Weg nach Mülheim-Kärlich, wo
der Krönung der Kirschblütenkönigin beigewohnt
werden kann. Ein Höhepunkt im Wanderjahr sind für alle
Volkssportvereine die mehrtägigen IVV-Sportfeste Olympiade und
Europiade, jährlich im Wechsel. Wer daran teilnimmt, kann sich nicht
nur in der Disziplin Wandern sondern auch bei Nordic Walking, Laufen,
Schwimmen und Radfahren bewähren. Bei diesen, von tausenden von
Volkssportlern aus vielen Ländern besuchten Sportfesten zählt
ausschließlich das Motto „Dabei sein, ist alles!". In diesem
Jahr werden einige Mitglieder im
September zur 14. IVV-Olympiade fliegen, die zum ersten Mal in einer
chinesischen Stadt (Chengdu) stattfindet. Im Mai 2016 lockt dann die
3. IVV-Europiade die Sportsfreunde nach Kitzbühel. Einen großen
Erfolg konnten die „Schnellen Füße" damit erringen, die 15.
IVV-Olympiade im Jahr 2017 nach Koblenz zu holen. Mit der Vorstellung der
Olympiabewerbung beim IVV-Weltkongress im vorigen Jahr in Hamburg
überzeugte der Verein die Delegierten, indem er alle Schönheiten
der Stadt am Deutschen Eck auf dem Silbertablett präsentierte. Gegen
die attraktive Bewerbung der österreichischen Stadt Tauplitz,
vorgetragen vom ehemaligen Skispringer und Weltcupsieger Hubert
Neuper, setzte sich Koblenz mit 73 von 97 Stimmen durch. Demnach darf
vom 06. bis 10. Juni 2017 die Sportwelt zu Gast bei Freunden in
Koblenz sein, wo die „Schnellen Füße" eine Veranstaltung der
Superlative auf die Beine stellen wollen.
Das kommt mir Französisch vor - das Elsass. Oktober 2011.
Anreise nach Mulhouse (gesprochen: Mülhuus) über
A61 und A5 Katastrophe. Wegen Brückenbauarbeiten
Autobahn-Vollsperrung. Stau mit Stillstand. Leute steigen aus Autos
aus und laufen rum. Wir nehmen nächstmögliche Abfahrt nach ca. 30
Minuten. Nie wieder Autoreisen! Umweg über Dörfer bis zur
Wieder-Auffahrt. Danach reihen sich immer noch Baustellen an
Baustellen. Alle fünf Kilometer lang. Schließlich Ankunft. Rudi hat uns gut
geführt. Wie reiste man eigentlich früher vor der Zeit der Navis?
Rezeptionistin spricht gottseidank Englisch. Nachdem sie keine
Antwort von mir auf ihre Frage erhielt „Haben Sie uns gut
gefunden?“. Parken kostet 6 Euro/Tag. Frühstück 8,50 Euro pro
Person/pro Tag. Wir packen aus. Michael eine eigene Version eines
Schlafanzuges. Kombiniert mal ganz neue Oberteile mit Unterteilen. In
Mulhouse nur sehr wenige, eher keine Restaurants geöffnet. Preis pro
Gericht: 15 Euro durchschnittlich. Flammkuchen auch für unter 10
Euro. Crepe auch. McDonalds hat geöffnet, aber je ca. 15 Personen in
einer Schlange vor der Kasse. Subway gibt’s auch. Wir gehen rein.
Premiere. Wie bestellt man so etwas. 15 cm oder 30 cm. Welches Brot,
welcher Belag, welche Soße? Von einem 15 cm-Brot für knapp 5 Euro
wird man jedenfalls nicht satt. Aber lecker war es.
Im Hotel fehlt Föhn, Michael kann bei
Schlummer-Licht nicht lesen, jetzt Beine auf dem Tisch und
Küchenlampe nutzen. O-Ton: Damit kann man die Sterne im Himmel
anleuchten (Bettlampen). Plat du jour heute nur für mich:
Gemüsesuppe und Nudeln mit Gemüsestückchen, darüber Schafskäse.
Michael nachher bei McDonalds einen Burger und Pommes gegessen.
Klo-Benutzung mit Hindernissen – mit Code auf der Quittung geht’s.
Aber wie kommt man wieder raus? Ein Zufall (Knopf im Rauminneren)
machte es möglich. Im Café Mozart kleine Törtchen gegessen.
Brüllende Kinder machten aus Café Kindergarten. Michael bestellt
zweiten WiFi-Code in Englisch. Hat tatsächlich geklappt. Ohne Kerzen und Sekt, aber
mit einem guten Buch. Frühstück im Hotel gut: Croissants, Baguette,
Käse, Wurst, Marmeladen, Kaffeeautomat, Joghurt, Müsli – das ist
man von Frankreich eher nicht gewohnt. Was trinken die Elsässer?
Bier mit Grenadine und irgendwelches grünes Gesöff. Haben wir noch
nicht herausbekommen. Ich habe
nach 6 Jahren erstes Mal wieder gebadet und es sehr genossen.
Danach keinen Rücken mehr – toll. Nach Frühstück am nächsten
Tag – Rücken ist übrigens wieder da – auf nach Colmar. Nach
rund 1 Stunde Landstraßen fahren, ein Stück Weinstraße, Ankunft.
Hotelzimmer nicht viel größer als unser Koffer. Eiskalt, Heizung
funktioniert nicht. Wir dürfen umziehen in den nächsten Koffer.
Packen gar nicht erst groß aus, wohin auch mit den Klamotten? Sind
ja sowieso schon im Koffer. Dann rein in die Altstadt, die uns sofort
bezaubert. Was uns sehr positiv auffällt, auch wenn wir es hier und
heute nicht brauchen: Ein großer kostenlos nutzbarer PKW-Stellplatz
am Eingang zur Altstadt. Koblenz erhöht seine Parkgebühren um 140
Prozent, in anderen Städten ist kostenloses Parken möglich. Warum
da und nicht bei uns? Ein bisschen Rothenburg ob der Tauber, ein
bisschen Venedig. Eine Häuserfassade älter und schöner als die
andere. Überall sitzen die Leute draußen und essen. Wir finden
direkt am Kanal ein Restaurant. So wollten wir in Venedig schon immer
mal sitzen, dort war es aber immer zu teuer. Hier ist es auch nicht
viel preiswerter, aber wir haben jetzt ja Barclay! Plat du jour zu 8
Euro „est fini“. War ja klar. Nehme ich eben Zwiebelkuchen,
Michael Carpaccio. Dazu Pinot Grigio für mich, Michael will süß
und wählt Muscat. Der ist aber trockener als meiner. Michael
meckert. Hinter mir sitzt ein Paar, das im Restaurant seine Geschäfte
erledigt. Sie telefoniert laufend in Englisch, es geht um
irgendwelche Reservierungen, er surft im Internet. Sie nervt. Zum
Dessert nehmen wir Café Gourmand als Erinnerung an die schönen
Provence-Tage. 4 verschiedene Desserts kommen. Da kann man nicht
meckern. Zum Schluss zahlen wir mit der Zauberkarte 40 Euro. Tut
überhaupt nicht weh. Ich sehe überall in der Stadt Mode im Stil von
Desigual. Traumhaft. Aber ein Teil kostet so viel wie ein Essen für
uns beide. Also: Nur gucken, nicht kaufen. Aber Gondel fahren wir
auch nicht. Die Gondeln sind hier zwar Kähne mit kleinem
Elektromotor, kosten dafür aber auch pro Person für 30 Minuten nur
6 Euro. Trotzdem will der beste aller... nicht. Zum Abschluss der
Altstadt-Tour gönnen wir uns noch Bier mit Grenadine. Wir sind ja
jetzt schließlich Einheimische. Auf dem Zimmer empfängt uns endlich
deutsches Fernsehen. Michael ist glücklich. Es gibt wieder
Meckereien wegen der Lautstärke. Er hört nichts, mir ist es zu
laut. Schon Rückweg war eine einzige Diskussion. Nehmen wir den Weg,
der ist kürzer. Nein, der ist kürzer. Es folgen endlose Debatten
über die Straßenführung. Niemand gibt nach. Also nehmen wir jetzt
„meine“ Route und nehmen die Zeit: 6 Minuten. Morgen stoppen wir
„seine“ Route. Dann wird wohl wieder Frieden einkehren.
Am nächsten Morgen Dauerregen. Heizung
funktioniert wieder nicht. Och, die machen wir immer aus, wenn die
Zimmer sauber gemacht werden sollen. Jetzt – für Sie – machen
wir sie aber wieder an. Na, bitte. Geht doch. Mit Regenschirm
bewaffnet, dick-bejackt ziehen wir zu Fuß über Michaels Route
wieder Richtung Altstadt Colmar. 5 Minuten. Gut, war seine Strecke
also 1 Minute kürzer. Auf dem Rückweg heute haben wir allerdings
noch eine Zwischenstraße gefunden, die wirklich optimal war. Sicher
nur 4 Minuten. Aber die brauchen wir nun nicht mehr.
In Colmar gehen wir heute in jede
trockene Passage, in jeden Laden, in dem man sich ein wenig aufwärmen
kann. Dann ist wieder Mittagszeit und ich vergewaltige Michael zu
einem Plat du jour für 9 Euro. Er bekommt coq au riesling, ich
Lachs. Einfach köstlich und mit viel Liebe zubereitet. Dazu ein
kleines Gläschen Wein und ein fettes Dessert zum Abschluss. Aus der
großen vorgetragenen Kuchen-Auswahl entscheide ich mich für
Rhabarbar, um kurz danach zu hören, dass Rhabarbar nicht mehr im
Angebot ist. Das ist ja wieder typisch. Ich wähle dann Käsekuchen.
Der ist da und sehr lecker. Noch ein Espresso, dann geht es an die
frische – sehr frische – Luft. Wir entscheiden uns für Kultur
und besuchen das Naturkundemuseum. Schauen uns lauter ausgestopfte
Tiere an. Das habe ich sicher vor 40 Jahren das letzte Mal gemacht.
Auf dem Rückweg durch die Stadt, bummeln wir gemütlich durch die
Gassen und gucken wirklich jede Auslage an. Zum Abschluss nochmal ein
Café-Besuch. Dann ins Hotel, Fernseher an, Internet an – sehr
wackelige Verbindung. Gerade eben mal wieder nicht. Aber das Nötigste
ist erledigt. Versuche es später nochmal.
Fahrt nach Strasbourg ist ein Klacks.
Rudi findet auch dieses neue Hotel mitten in der Stadt trotz
Baustelle mit bravour. Nur einen Parkplatz nicht. Hoteldame verweist
uns auf Parkhaus für 11 Euro/24 Stunden. Zimmer noch nicht frei. Wir
stellen Koffer im Gepäckaufbewahrungsraum des Hotels ab und ziehen
los. Direkt ans Ufer der Ill, wo die ganzen Boote liegen, mit denen
man in gut einer Stunde über den Fluss fährt bis zum
Europaparlament. Wir entscheiden uns, am nächsten Tag damit zu
fahren. Es ist Essenszeit: 12-14 Uhr. Babsi isst Linsen mit
Kartoffeln und dicker Wurst. Michael guckt zu. Holt sich später
Croque Monsieur. Und am Abend noch einen Keks mit roter Marmelade.
Der Arme. Aber ich kann ja nichts dafür, dass er sich meinen
Essengelüsten nicht anschließen mag. Auf jeden Fall gefällt mir
dieses Mittags essen sehr gut. Ich bin satt bis zum nächsten Morgen.
Keine Schoko-Gelüste, am Abend keinen Appetit. Muss doch gut für
die Figur sein, fürs Portemonnaie auch. Schon vor dem Essen bezieht
sich der Himmel. Es wird ungemütlich. Michael auch. Er friert in seinem
Strickjäckchen. Will ins Hotel. Ich will weiter durch die Stadt
ziehen. Wir gucken noch das Münster an, ich schaue den
Straßenzeichnern zu. Wir kaufen zwei Briefmarken für Karten an riro
und die Brüggemänner in der Post. Eine nette Angestellte hilft uns
bei der Bedienung des Automaten. Dann fängt es an zu regnen. Wir
gehen in ein Café, bestellen heißen Kakao. In der
Dauer-Nachrichtensendung im dort aufgehängten Fernseher lesen wir in
Französisch, dass Gaddafi tot ist. Der Tunesier neben uns freut sich
wie verrückt. Wir trinken noch einen Ricard (ich) und einen Martini
(Michael). Draußen wieder trocken, immer noch kalt. Wir gehen ins
Hotel. Schönes Zimmer, geräumig, gemütlich. Deutsche
Fernsehsender. Internet – wie in allen Zimmern zuvor auch. Nachdem
Michael sich aufgewärmt und ein wärmendes Jäckchen übergezogen
hat, ziehen wir nochmal los, gucken, was auf unserer Seite der Ill so
zu sehen ist. Auch hier viele nette Straßen, hübsche Häuser,
schöne Geschäfte und appetitanregende Lokalitäten.
Michael schnieft und schnauft. Hat
schlechte Laune, Erkältung bahnt sich doch ihren Weg. Spray nimmt er
nicht. Neee, meine Nase tut schon weh. Pillen nimmt er ja gerne. Also
wenigstens die. Hoffentlich erwischt es mich nicht auch. Am zweiten
Strasbourg-Tag sollte eigentlich die Sonne scheinen. War aber nichts.
Nur dicke wabernde Nebelwolken über der Stadt. Eiseskalt war es
dazu. Also haben wir uns bewegt. Durch Petite France und die gesamte
Stadt kreuz und quer. Mein Plat du jour haben wir verpasst, weil
Michael sich immer zu spät entschließt, nach einem passenden Lokal
zu suchen. Nach 13 Uhr bekommt man Plat du jour oft schon nicht mehr.
So bekam ich heute Flammkuchen mit Munsterkäse. Michael landete am
späten Nachmittag nochmal bei McDonalds. Dazwischen noch ein Kaffee
in einem Café, für das wir sehr lange unterwegs waren. Ich lief nur
noch wie ein Automat neben Michael her. Orientierungssinn völlig
verloren. Immer wieder der selbe gelbe Briefkasten? Ich hatte den
Verdacht. Wollte schon heimliche Zeichen anbringen, um einen Beweis
erbringen zu können. Darüber habe ich einen regelrechten Lachkrampf
bekommen. Im Café saßen wir und beobachteten das rege Leben aller
Verkehrsteilnehmer. Autos halten bei Rot, Fußgänger und Radfahrer
nur, wenn auch Autos das erforderlich machen. Ansonsten laufen alle
über die Straße, wann es ihnen gerade passt. Radfahrer queren die
Spuren der Fußgänger und trotzdem geht alles immer gut. Ganz
erstaunlich. Nun sind wir nicht Boot gefahren und ich habe mich nicht
malen lassen. Nun, ja. An einem anderen Ort zu einem anderen
Zeitpunkt. Alles wird immer überall möglich sein. Bestimmt auch mal
in Koblenz bei einem der vielen Stadtfeste. Sonst kommen wir halt
noch einmal her.
Urlaub an der Algarve. Lagos ist mein Favorit. Mai 2012.
Mal wieder an der Algarve,
mal wieder in Lagos. Ist es nicht eine wunderbare Stadt zum Urlaub
machen? Bis auf einige Bausünden, die als Bauruinen noch an die
schrecklichen Jahre zu Anfang des Tourismus erinnern, ist hier
architektonisch gesehen die Welt in Ordnung. Zwei- maximal
dreigeschossige Bauten, alle in schönen, warmen Farben gehalten, die
Bepflanzung entlang der Anlagen ist ein Gedicht, da guckt selbst die
BUGA Koblenz dumm aus der Wäsche. Pflanzen, die wir auf der
Fensterbank oder Terrasse seit Jahren versuchen, zum Wachsen zu
bringen, gedeihen hier ohne menschliches Einwirken auf verlassenen
Grundstücken, in den Dünen oder eben am Wegesrand. Alles blüht,
Gelb, Lila, Blau sind die vorherrschenden Farben. Man kann sich gar
nicht satt sehen. Unsere Ferienhaus-Anlage Ancora liegt etwa 2 km
außerhalb von der Altstadt Lagos auf einer Anhöhe. Aber irgendwie
liegt hier alles auf einer Anhöhe. Kein guter Ort zum Fahrradfahren
also. Leihfahrräder kosten sowieso viel zu viel. Pro Tag 20 Euro.
Das ist Wucher. Nach einem Transfer von gut einer Stunde ab dem
Flughafen Faro in einem Sprinter – wir beide durften vorne neben
dem Fahrer sitzen, der ständig die zugelassene Geschwindigkeit um
rund 20 km/h überschritt – erreichten wir unser Domizil. Michael
blaffte mich gehörig an, wie immer, wenn wir reisen. Übermüdet,
nervös – das sind eben die Folgen. Selbst die Frau an der
Rezeption erkannte sofort, dass wir uns dringend erholen müssten.
Und dann eroberten wir „unser“ Haus. Ein Schlafzimmer mit
Elektroheizkörper, Badezimmer mit Badewanne, Küchenzeile im
Wohnzimmer: Auf dem Esstisch eine Flasche Weißwein zur Begrüßung.
Ein kleiner Fernseher, große Schiebetüren zur Terrasse hin, die wie
ein Innenhof gebaut ist. Im Wohnzimmer zusätzlich eine Couch. Wenn
Michael nicht bald aufhört, nachts zu schnarchen, wandere ich
dorthin aus. Von der Terrasse kann man durch ein Holz-Gartentürchen
auf die Wiese davor gelangen, auf der große bunte Blumen (wie
Bornholmer Margeriten) blühen, wie bei uns sonst Gänseblümchen.
Überall Palmen und sonstige tropische Pflanzen – einfach
wunderschön. Wohin führt die Treppe von der Terrasse aus? Zur
Nachbarwohnung? Oder ist da noch eine Wohnung über unserer? Nein!
Hurra, wir haben wieder einen kleinen Dachgarten, von dem aus man die
ganze Anlage überblicken, leider auch auf diese riesige Bauruine
gucken kann/muss. Auf dem Dachgarten eine lange Steinbank. An diesem
Ort könnte ich den Rest meines Lebens verbringen, wenn ich
Portugiesin wäre. Wieder hören und sehen wir die Möwen – es
klingt wie Musik. Auch sonst ist die Vogelschar komplett: Spatzen,
Amseln auf jeden Fall. Gestern eine noch flugunfähige Jungamsel
beobachtet, die von ihrem Papa gefüttert wurde. Hoffentlich hat der
Jagdhund sie nicht gepackt, der jeden Tag seine Runde vor unserem
Häuschen dreht. Heute morgen habe ich erst einmal eine Schnecke
gerettet, die auf dem Weg zur Dachterrasse war. Ob sie dort saftiges
Grün erwartete? So ein schönes Schneckenhaus. Seitdem ich diese
Schleimer auch im Aquarium habe, finde ich sie ganz attraktiv,
besonders wenn sie so hübsche Häuschen haben. Mit den ganz nackten
mag ich mich immer noch nicht anfreunden. Es ist wie zu Hause.
Michael steht neben mir, scharrt unruhig mit den Füßen, wartet auf
das Abendessen. Er hat Mais in der Dose gekauft, dazu vier Hamburger.
Das soll unser Menu heute werden. Vorhin haben wir an der Hauptstraße
kurz vor dem Spar-Supermarkt ein hübsches Café, das von einer
Schwäbin betrieben wird, entdeckt. Michael bestellte sich
Apfelkuchen und erhielt ein ganzes Früchtemenu dazu. Ich wählte
eine Bananen-Schokoladen-Crepe und bekam einen Pfannkuchen –
riesig! Sehr lecker, liebevollst zubereitet. Cappuccino 1,50 Euro.
Na, bitte. Es geht doch. Zum Nachtisch genehmigten wir uns noch ein
Glas Rot- bzw. Portwein. Auch im Innenbereich ist das Café
(Gartenzwerg) sehr einladend. Alles steht voller Bücher, die man
lesen kann, ausleihen darf. Die Inhaberin veranstaltet Sprachkurse
und 3-Sprachen-Treffs: Engländer, Portugiesen, Deutsche. Eine tolle
Idee! So hätte ich es auch gemacht, wenn ich mich hier
niedergelassen hätte. Sie lebt wohl schon 13 Jahre in Portugal, erst
arbeitete sie als Köchin, dann an verschiedenen Hotelrezeptionen.
Nachdem sie eine schwere Krankheit überlebt hat, entschloss sie
sich, wie sie erzählte, dieses Café – ihren Traum – wahr zu
machen. Weil für den Rückweg dicke Wolken einen Schauer befürchten
ließen, bot uns die Wirtin sogar an, uns einen Schirm zu borgen. Im
nebenan gelegenen Supermarkt besorgten wir die Überlebensration des
Tages: Frisches Brot, Weintrauben, Aufschnitt... Herrlich durch die
Märkte zu streifen und zu gucken, worauf man wohl Appetit haben
würde. Übrigens ist im Gebäude des Supermarktes auch ein
Internet-Raum mit einigen Plätzen. Hier kostet das Surfen 3 Euro pro
Stunde. Mit einem Kaffee von der Caféteria am Eingang lässt es sich
an diesem Ort ganz gut aushalten. Um 19 Uhr steht das Essen in
unserem Ferienhaus – wie zu Hause auf dem Tisch, denn immerhin ist
es in Deutschland dann schon 20 Uhr, Zeit für Nachrichten, Krimi &
Co. Man sieht, eigentlich haben wir uns sehr heimelig hier
eingerichtet, nicht viel anders als zu Hause auch. Nur mit dem
Unterschied, dass es keinerlei Termindruck, keinerlei Verpflichtungen
gibt. Jeden zweiten Tag kommen zwei Putzdamen ins Haus und machen
einen Kölschen Wisch durch die Räume. Klopapier aufzufüllen, wird
dabei – wie fast in jedem Urlaub erlebt – immer vergessen.
Michael hat die ladies aber noch eingefangen: „Madame – paper für
Toilette“ - sie haben kapiert. Die kaputte Birne über dem
Zweiplatten-Herd wollten sie wohl dem Techniker melden. Alle Schäden
nur Stunden später behoben.
Ich lese Erasmus von
Rotterdam: „Lob der Narrheit“. Nicht leicht zu lesen, aber doch
noch so, dass man es im Urlaub sich mal antun kann. Viele Wahrheiten
entdeckt man zwischen den Zeilen. Aber nach ein paar Seiten bin ich
dann doch so müde, dass ich dringend schon wieder ein Nickerchen
machen müsste. Bei dem April-Wetter jetzt Anfang Mai ist das nicht
so ganz einfach. Draußen platschen ständig Regentropfen auf den
Körper, wenn man gerade glaubt, ein Stündchen Sonne sicher zu
haben. Kommt eine Wolke angeflogen, erweist sie sich auch gleich als
inkontinent. So schreibe ich jetzt mal ein bisschen am Computer.
Würde gerne surfen, aber das mit dem Internet (free WiFi)
funktioniert nicht. Vielleicht liegt es an meiner Windows-Version,
vielleicht an irgendwelchen Antiviren-Programmen, keine Ahnung, die
Rezeptions-Dame konnte leider auch nicht weiterhelfen. So müssen wir
mal erst das Internet (ein Bildschirm) im Rezeptionsbereich nutzen. 2
Euro für 30 Minuten. Viele Restaurants bieten auch free WiFi an,
aber ich habe noch nicht getestet, ob es dort funktioniert. Ja, es
funktioniert. Zum Beispiel im „Café do mar“, Praia da Batata,
hoch über der wunderschönen Felsenküste. Essen und Trinken ist
hier zwar etwas teurer, aber die Aussicht ist fabelhaft. Man sitzt in
der Sonne, trinkt Vinho Verde und surft im Internet. Allerdings waren
wir nach einer halben Stunde schon wieder so durchgefroren, wie ein
Affe in der Schweinehaut, wie ich früher als Kind einmal zu sagen
pflegte. Der kalte Wind fegt da oben ganz gehörig. Als ich neulich
einem Geschäftsmann mein Leid mit dem kalten Wind klagte, meinte er:
„Welcher Wind? Vielleicht sind Sie es, die diesen Wind macht?“
Natürlich Unterhaltung auf Englisch. Aber ich fand das gut. Den Mann
auch. Heute zweiter WiFi-Versuch im Bora-Café in der Fußgänger-Zone
der Altstadt. Straße: Rua Conselheiro Joaquim. Leider scheint in
dieses Café nie ein Sonnenstrahl, weshalb man bei den diesjährigen
Anfang-Mai-Temperaturen auch dort schnell eine Gänsehaut bekommt.
Ich bestellte einen Salat mit Ziegenkäse, Michael einen
Käse-Schinken-Toast. Der Salat war phantastisch. Schön dekoriert,
mit vielen kleinen Überraschungen. Ein kleiner Klecks Marmelade, in
Knoblauch-Öl eingelegten Oliven, Gurken, Tomaten, Kirsch-Tomaten,
ein frischer Minze-Zweig, Ruccola.... Einfach köstlich. Jeden Tag
gibt es im Café den Saft des Tages. Heute war es Orangensaft.
Neulich Erdbeersaft. Jedes Glas für 1,50 Euro. Da kann man nicht
meckern. Und das Internet (ohne Zugangscode) funktioniert dort auch.
Kurz bevor wir wieder gingen – wieder durchgefroren, kam der nette
Geschäftsmann mit Freunden oder Familie. Wir scherzten nochmal über
Wind und Kälte und zogen dann los, um für Michael noch ein bisschen
Nerven-Nahrung zu kaufen. Zwei Teilchen, die undefinierbar
schmeckten, wie er sagte. Nun, ja.
Übrigens waren wir
gestern endlich am Fischereihafen und haben uns dort zu Mittag in
einer Snack-Bar (Traquinas Café) niedergelassen. Riesige Portionen
gab es dort. Prato do dia (Tagesgericht) für 6 Euro. Schweinefleisch
mit Kartoffeln, eine ganze Platte voll. Michael schaffte nicht einmal
die Hälfte. Nun, kein Wunder, wenn man vier Schnitten Brot zum
Frühstück hatte. Ich bestellte gegrillte Sardinen, 6 Stück, so
lang wie zwei aneinandergereihte Mittelfinger und so dick, wie
Mittel- und Zeigefinger zusammen wurden zusammen mit einer Platte
Pellkartoffeln (mit Pelle, die mein Herzallerliebster natürlich
erstmal abzog) und einem Salatteller serviert. Lecker! Gesamtpreis
incl. einem halben Liter Wasser: 15,30 Euro. Zum nur noch wenige
hundert Meter entfernten Strand gingen wir nicht mehr. Horden
Jugendlicher hatten wir zuvor in die Richtung ziehen sehen, darauf
hatten wir gerade wenig Lust. Außerdem war es irgendwie zu kalt für
Strand, wo doch der Wind immer noch ein wenig heftiger weht. In
windstillen Winkeln kann es bei Sonnenschein wirklich so warm werden,
dass die Fettpolster dahin schmelzen, aber ansonsten herrscht doch
viel Gänsehaut vor.
Jeden ersten Samstag im
Monat findet im Norden von Lagos (Richtung Zoo, ungefähr auf Höhe
des Yachthafen-Endes) ein Zigeunermarkt statt. Den suchten wir
natürlich auf. Man muss schon relativ früh da sein, denn die ersten
bauen ihre Stände gegen 13 Uhr bereits wieder ab. Doch ein Besuch
lohnt sich auf jeden Fall. Kleidung, Uhren, Tücher, Taschen – eben
das übliche Marktangebot. Viele Waren sind mit Preisen
ausgezeichnet, bei manchen Händlern ist aber immer noch Handeln
angesagt. Michael hat sich eine neue Armbanduhr zugelegt, 10 Euro,
ich mir auch (in Form eines Fingerringes), 5 Euro. Schuhe hätte ich
natürlich auch kaufen wollen, aber ich hatte doch schon auf
der Hinreise so viele Paare im Koffer. Wie sollte ich noch mehr
zurück nach Deutschland befördern, ohne Übergepäck-Zuschlag
zahlen zu müssen? Mehr haben wir jedenfalls nicht gekauft. Dafür
sahen unsere Schuhe danach aus, als wären wir durch den Dschungel
gewandert. Durch die häufigen Regenfälle in den letzten Tagen, war
der Boden des Marktplatzes ziemlich verschlammt. Was richtig
faszinierend war, waren die vielen Storchenpaare in diesem Bereich
von Lagos, wo auch eine Flusslandschaft beginnt, durch die sogar
Bootstouren angeboten werden. Zwei alte Fabrikschornsteine auf einem
Trümmergrundstück waren allein von drei Paaren besetzt. Aber auch
auf den Dächern der umliegenden Häuser: Überall brütende Störche.
Ihnen beim fast schwerelos erscheinenden Flug zuzuschauen, war
großartig. Ich habe versucht, Fotos zu machen, vermute aber, dass
die nicht gut geworden sind, weil die Tiere einfach zu weit entfernt
waren. Ist ja auch egal, Hauptsache das Bild ist im Herzen bewahrt.
In der Snack Bar Abrigo,
auch in der Fußgänger-Zone in Lagos Altstadt, entdeckten wir ein
Fleckchen Sonne. Nichts wie hin. Doch das Essen dort war kein Genuss.
Der Wind war so kalt, dass wir völlig verkrampft da saßen. Das
hätten wir nicht gedacht. Oder sind wir solche Mimöschen? Am
Nachbartisch saßen junge Engländer in kurzen Hosen und tranken ein
großes kaltes Bier nach dem anderen. Brrr. Unsere Hähnchenflügel
für 5,45 Euro schmeckten gut, die Pommes dazu auch, aber wenn man
friert, macht Essen draußen einfach keinen Spaß. Der Cappuccino für
2,85 Euro mit Sprühsahne war viel zu teuer für die Qualität. Den
bekommt man vielerorts viel besser und preiswerter. Übrigens ist ein
Galao eine gute, viel günstigere Alternative. Ein Milchkaffee eben.
Kein Milchschaum, aber meist rund einen Euro billiger.
Einen Nachteil hat die
Ferienanlage ja. Es gibt so viel Grün, so viel schöne Pflanzen,
aber eben auch viel Rasen. Und Rasen muss gemäht werden. Und
Motor-Rasenmäher sind sehr laut. So brummen diese Dinger teilweise
von morgens bis abends und man findet keine Ruhe. Um nicht
auszuflippen, schnappt man sich dann am besten den Rucksack und den
Ehemann und macht sich auf zur nächsten schönen Strandbar oder in
die Altstadt. Da ist es zwar auch laut, aber anders. In der Stadt
lärmen die Menschen. Nicht wie der gemäßigte Germane immer im
gedämpften Ton sich unterhaltend, brüllen die Südeuropäer ihre
Grüße und Fragen quer durch die Straßen der Altstadt zu dem
Empfänger, der manchmal hundert Meter entfernt steht. Sie lachen und
scherzen lauthals und zeigen dabei ihre meist sehr fehlerhaften
Gebisse. Küssen möchte man sie nicht gerade, aber irgendwie sind
sie liebenswert in ihrer Art. Auch am Strand ist es nicht ruhig.
Keine Ahnung, wieviel Dezibel das Wellenrauschen produziert. Aber man
sagt ja, dass Schauspieler hier am besten das Sprechen lernen, wenn
sie gegen den Lärm der Brandung ihre Rolle aufsagen. Heute waren wir
nochmal am Porto de Mós-Strand. Der ist schön, schön wild. Nicht
sehr lang, aber irgendwie attraktiv. Auch nicht zu viele Gäste hier.
Zwei Restaurants haben sich an diesem Ort, der von Ferienanlagen
umgeben ist, die architektonisch sehr gut in die Landschaft eingefügt
wurden, niedergelassen. Wir waren jetzt zum zweiten Mal im CampiMar.
Die 4-Euro-Cocktails haben es in sich. Nicht wie zu happy-hour-Zeiten
in Deutschland, sondern richtig viel Alkohol steckt darin.
Erdbeerdaiquiri und Pina Colada habe ich schon probiert. Schon nach
den ersten zwei Schlucken könnte ich mich wegschmeißen. Nur ein
paar Stufen hinab zum Sandstrand, mich dort bäuchlings fallen
lassen. Michael fragt: „Na, willst Du Dich mal wieder im Sand
kugeln?“ Ja, rumkugeln am Strand, danach steht einem der Sinn nach
so einem Cocktail. Albern kichern und rumkugeln.
Als wir zurück zum
Ferienhaus kamen, war der Käfer, ein Verwandter des Maikäfers, von
gestern wieder da. Scheint sich auf unserer Terrasse wohl zu fühlen.
Gestern setzte ich ihn doch noch in ein Blumenbeet, heute schlich er
schon wieder über die kahlen Terrassenplatten. Was findet der bloß
daran? Jetzt habe ich ihn erstmal fotografiert. Hat er davon. Ein
hübsches Exemplar, so lange er nicht an mir langkrabbelt oder mich
gar anfliegt. Hatte ich beim Fotografieren schon befürchtet.
Drei Ansichtskarten habe
ich in diesem Jahr geschrieben. Es werden immer weniger. Ich erinnere
mich noch an Zeiten, an denen es mehr als zehn waren. Das
Internet-Zeitalter und die Möglichkeit zu mailen, verändert Vieles.
Doch RiRo und Brüggis sowie Stephan & Ingrid sollen Grüße
erhalten. Die vergessen uns schließlich auch nie. Doch wohin mit den
Karten? Auf dem Hinweg ruhten sie zunächst vergessen in meiner
Hosentasche. Auf dem Rückweg haben wir intensiv geschaut, aber
keinen einzigen Briefkasten gefunden. Morgen wird ein neuer Versuch
gestartet.
Zum Internetten sind wir
heute in das Holländische Restaurant „Duquesa“ in der Altstadt
gegangen. Dort ist es für die Gäste gratis. Ich bestellte einen
Pfannkuchen in der Hoffnung, einen solchen zu erhalten, wie ich ihn
aus Holland kenne. Irrtum. Ein kleiner Teigfladen ohne
Schnick-Schnack wurde serviert. Michaels Hähnchenbrust-Salat war
auch sehr überschaubar. Die Qualität zwar sehr ordentlich, aber von
der Quantität und der Aufmachung her, hatten wir schon bessere
Erfahrungen machen dürfen. Die Bedienung allerdings sehr nett!
Ein neuer Tag, wieder nur
eine gerade so lächelnde Sonne, aber einige Grade wärmer. Lange
klüngelten wir auf der Dachterrasse herum. Ein bisschen lesen, ein
bisschen dösen. Schließlich nervte heute jedoch nicht mehr der
Rasenmäher sondern der Trimmer, natürlich auch motorbetrieben, mit
dem jeder Baum in der Anlage von Gras befreit wurde, das der Mäher
gestern nicht erwischt hatte. Mal sehen, mit welchem Gartengerät die
Heinzelmännchen morgen noch einen draufsetzen wollen. Wir zogen
jedenfalls an den Strand. Wieder Porto-de-Mos. Und wieder das
Campimar, wo wir es uns richtig gut gehen ließen. Cocktail, Kuchen,
Spaghetti, Schmor-Hähnchen... Die Kellner kamen aus dem Staunen gar
nicht mehr heraus. Und die Rechnung zum Schluss konnten wir sogar
auch noch bezahlen. Weil es da so lange so schön war, bekamen wir
dann kein Brot mehr im Supermarkt. Jetzt liegen da so blöde
Milchbrötchen. Hmm, da esse ich lieber das Hasenbrot vom Wochenende.
Stecke es in den Toaster, dann wird es wieder genießbar. Essen ist
überhaupt eines der Hauptbeschäftigungen für uns hier. Der
Grill-Imbiss direkt hinter der Stadtmauer, der Piri-Piri-Hähnchen
anbietet, zum Beispiel. Sieht man die, sehen sie flach wie Flundern
aus, aber sie schmecken wirklich ganz ausgezeichnet, gut gewürzt.
Von Piri-Piri spüre ich allerdings nichts. Wir genossen eines auf
der Dachterrasse unseres Ferienhauses, während die Sonne langsam
hinter den Dächern versank. Sehr schön. Oder das Tapas-Restaurant
vor der Kirche in der Altstadt, das auch zig verschiedene
Muschel-Variationen anbietet. Die 6-Euro-Portion reicht für den
kleinen Appetit am Mittag. Sehr zuvorkommendes Personal. Und all die
Cafés, die kleine Häppchen für Zwischendurch anbieten. Bei den
meisten kann man übrigens Free-Internet nutzen. Was will man mehr?
Außerdem ist die Stadt
nicht nur voller Souvenirläden, die den üblichen Kitsch für den
Durchschnitts-Touristen anbieten, sondern sehr viele haben sehr
geschmackvolles Kunstgewerbe im Angebot. Auch einige Kunst-Galerien
gibt es, bei denen wirklich gute Gemälde anzuschauen oder zu
erwerben sind. Klamotten – so viel wie das Herz begehrt. Die
meisten von wirklich guter Qualität, für mich dann auch zu teuer.
Aber heute entdeckte ich einen asiatischen Klamotten-Laden, bei dem
ich mir gleich ein enges Röckchen und eine bunte Bluse im
Hippie-Stil (wie ich sie schon mit 12 oder so hatte) gekauft. Jedes
Teil 8 Euro. Da muss man doch zuschlagen, oder? Schade, dass das
Koffer-Gewicht auch beim Rückflug begrenzt ist. Und der steht leider
schon direkt vor der Tür. Schade. Doch wir kommen sicher wieder,
liebe Algarve, Du wunderschöner Ort Lagos!
Mit dem Auto nach Meran - September 2010
In der Generation der 1940er bis 1960er
Jahrgänge hat nahezu jeder wohl in seiner Jugend eine Urlaubsfahrt
mit Eltern oder Großeltern nach Südtirol unternommen. So war es
auch bei mir. Ich habe eigentlich keine konkrete Erinnerung mehr an
Orte, wo wir waren, nur eine Erinnerung an eine schöne Zeit. Und
Erinnerung an meinen Opa, der mit mir über Weinreben hinweg unter
vorgetäuschter Lebensgefahr Sesselbahn gefahren ist. Auf die Spuren
dieser Erinnerungen wollte ich mich nun begeben, zumal auch noch eine
Bekannte von ihrem schönen Urlaub in Südtirol schwärmte und mir
quasi als Lockvogel eine CD mit den dabei von ihr geschossenen Fotos
in den Briefkasten warf. Jetzt musste ich nur noch meinen Mann
überreden – was mir eigentlich fast immer gelingt. Eigentlich
sollte es nach Bozen gehen, weil mir das ein bisschen Italienischer
erschien als die übrigen Orte in Südtirol und groß genug, um mich
in sieben Tagen Urlaub nicht zu langweilen. Doch in Bozen fand ich
keine zu meinem Portemonnaie passende Unterkunft. Also wich ich auf
Meran aus. Da ich selbst kürzlich erst Eigentümerin eines
Ferienhauses geworden bin, wollte ich gerne gucken, wie andere das so
machen und suchte für uns eine Ferienwohnung. Für 450 Euro die
Woche wurde ich zentrumsnah fündig. Nach den üblichen
Startschwierigkeiten in den Urlaub – (eigentlich will ich gar nicht
weg, was soll ich da, zu Hause ist es doch viel schöner, die armen
Katzen...) - machte auch die Wettervorhersage wenig Lust auf eine
Reise nach Südtirol. Aber wer storniert schon einen Urlaub, den er
schon bezahlt hat? Schnell waren ein paar Jeans, Pullover, Shirts im
Koffer – und dann ging es los. Das Navi wurde programmiert, zur
Sicherheit druckten wir noch einen Routenplan aus. Auf die Technik
kann man sich doch nie so ganz verlassen. Dass das sehr weise war,
bewies sich schließlich in Österreich. Im Ort Imst fand sich selbst
das Navi nicht mehr zurecht und führte uns dann - entgegen unseren
Wünschen - nicht über den Reschenpass. Wir wurden über Innsbruck
und die Brennerautobahn geleitet und zahlten noch einmal 8 Euro Maut
für diese private Autobahn, obwohl wir doch schon die
zehn-Tage-Vignette für Österreich gekauft hatten. Sehr ärgerlich!
Jetzt hätte uns kein noch so netter Österreicher mehr für sich
einnehmen können. Nun steuerten wir also über den Jaufenpass
Richtung Meran. 2.094 Meter. Ich muss zugeben, wir sind überhaupt
keine erfahrenen Auto-Urlauber. Waren sonst immer im Flieger, per
Bahn oder Bus unterwegs. Im Auto maximal bis zur holländischen
Küste. Welche abenteuerliche Tour uns bevorstand, davon hatten wir
nicht den blassesten Schimmer. Gut, an der Straße, die zum Pass
hochführte, stand ein Schild: „Pass geöffnet“, aber dabei
dachten wir uns eigentlich wenig. Und dann ging es hoch. In unendlich
vielen Haarnadel-Kurven höher und höher. Die Strecke schien
überhaupt kein Ende nehmen zu wollen und der Berg nie seinen Gipfel
zu zeigen. Die Vegetation wurde immer karger und schließlich
tauchten die ersten Schnee-Flecken auf. Oh – schau nur. Hier hat es
wohl schon geschneit. Und immer noch höher. Schatz, hast Du
eigentlich Winterreifen drauf? Nein? Ah. Hoffentlich hält sich das
sonnige Wetter. Und hoffentlich sind wir jetzt endlich bald am
höchsten Punkt. Also ehrlich. Uns wurde schon ziemlich mulmig. Aber
selbst ganz oben immer noch Hotels und Jausen-Hütten. Und viel
Schnee. Auf dem höchsten Punkt, den wir eigentlich gerne schnell
hinter uns gebracht hätten, ließen wir es uns trotzdem nicht
nehmen, ein paar Beweis-Photos zu schießen. Das glaubt einem ja
sonst keiner. Und diese Aussicht - umwerfend! Dafür hatten sich die
8 Euro Brennerautobahn gelohnt. Aller Ärger war wie ausgelöscht.
Wenn wir jetzt noch wieder heil herunterkommen würden, dann war das
einfach ein tolles Erlebnis, ein super Einstieg in den Urlaub. Na,
ja. Ein paar Motorradfahrer, ein Linienbus und einige verrückte
italienische Autofahrer ließen bei der Abfahrt schon ab und zu das
Herz ein bisschen schneller schlagen. Aber irgendwann hatten wir
tatsächlich Meran erreicht. Das Navi, das wir inzwischen „Rudi“
getauft hatten, hatte sich auch wieder berappelt und führt uns
schnurstracks zu unserem Quartier. Keine Ferienwohnung, nur ein
Ferienzimmer mit Schrankküche. Aber schön zentral gelegen und
sauber. Die Rezeptionistin sehr charmant. Das Größte: Wir können
ausschlafen die nächsten Tage. Keine Hotel-Frühstückszeiten, die
selbst in den Ferien Stress machen. Keine Putzfrauen, die stören,
wenn man sich mal ein bisschen intim im Zimmer zurückziehen möchte.
Wir packten alles aus und zogen los, um die Stadt zu erkunden.
Herrlich. Keine Spur von dem angekündigten Regen, noch relativ milde
Temperaturen. In der Altstadt die Laubengasse. Auf beiden Seiten
Geschäfte und Restaurants unter Arkaden – ideal also selbst für
verregnete Urlaubstage. Wir waren hungrig und lasen jede Speisekarte.
Man, da kann Koblenz aber noch zulegen. Kein Gericht, außer Pizza
und Pasta unter zehn Euro. Pizza und Pasta bietet dafür eigentlich
jedes Restaurant an. Je nach Belag zwischen fünf und zehn Euro. In
einem Restaurant entdeckten wir noch Käsefondue für zwei Personen
für zwanzig Euro. Nun, gut. Das können wir auch einmal ins Auge
fassen. Ansonsten wird unsere Ernährung in den nächsten Tagen wohl
etwas einseitig sein. Aber egal. Wer denkt an Essen, wenn er durch
eine solch herrliche Stadt schlendert? Für den ersten Tag reichte es
uns sowieso. Wir hatten beide keinen Appetit vor lauter Müdigkeit.
Die Klappcouch wurde schnell zum Bett – zu einem sehr bequemen
übrigens. Ohrstöpsel gegen eventuelle Schuhklapper-, Fernseh- oder
Schnarchgeräusche lagen bereit, aber ich war so schnell
eingeschlafen, dass die gar keine Verwendung mehr fanden. Am nächsten
Morgen dann das größte Geschenk. Blick auf schneebedeckte
Berggipfel (über die wir ja einen Tag zuvor erst gefahren waren).
Darüber strahlend blauer Himmel und Sonnenschein. Ich ging Brötchen
holen, kannte mich ja nun schon aus in Meran. Beide Bäcker, bei
denen wir am Vorabend in den Auslagen lesen konnten, dass sie auch am
Sonntag geöffnet hätten, waren natürlich geschlossen. Ha, macht
doch nichts. Laufe ich eben noch weiter. Und siehe da, nach der
nächsten Kreuzung wurde ich fündig. Zwei italienisch sprechende
ältere Herren wählten gerade für die Herzdamen die
Frühstücks-Brötchen nach Aspekten der Magengesundheit aus,
beflirteten mich, so wie es sich für einen ordentlichen Italiener
gehört und überließen mir dann die Verkaufstheke. Ist es nicht
phantastisch, in einem Land zu urlauben, in dem überall (wenn der
Gesprächspartner dazu bereit ist) sowohl Italienisch als auch
Deutsch gesprochen wird? Alle Schilder sind zweisprachig aufgestellt.
Und jeder versteht einen – fast. Österreichisches Deutsch ist auch
nicht immer gut verständlich, aber man gewöhnt sich dran. Mit einer
fetten Tüte Brötchen unterm Arm marschierte ich zurück, grüßte
unterwegs schon die ersten Bekannten auf dem Platz vor dem
Polizeirevier (unsere Residenz-Vermieterin) und nahm am gedeckten
Frühstückstisch Platz. Noch ein bisschen Zeitung lesen mit
Informationen aus der Heimat. Aber interessieren tut das hier
eigentlich kaum noch. Wer will schon wissen, wer im Café Hahn am
Abend auftritt, wie weit die Bauarbeiten am Zentralplatz sind oder
welcher Politiker seinen Senf zu welcher städtischen Angelegenheit
abgegeben hat? Ich will jetzt los, Stadt bei Tageslicht – bei
Sonnenschein (gut, dass sich Wetterfrösche auch mal positiv irren)
ansehen. Erstmal ein Internet-Café suchen. Zwei soll es ja geben in
Meran. Und eine Woche ohne Internet geht gar nicht. Das erste fanden
wir auch ziemlich gut. Nur, dass es dort schon seit über einem Jahr
kein Internet mehr gibt. Typisch. Aktuell sind die Reiseführer ja
selten. Das zweite in der Laubengasse war noch in Betrieb. Weil die
Italiener sich aber schrecklich vor Terroristen fürchten, kann man
das Internet in öffentlichen Einrichtungen nur nutzen, wenn man sich
mit einem Personal-Ausweis dort zuvor registriert. Danach
funktionierte alles und wir erhielten zum Abschied vom Inhaber gleich
noch einen guten Tipp für einen Ausflug zu einem Weingut in der Nähe
von Meran. Wir wollten uns aber erst einmal im Ort selbst umschauen,
die beliebtesten Spazierwege entlang der Passer, dem durch Meran
rauschenden Fluss, der in die Etsch mündet, erlaufen.
Sommerpromenade (ein schattiger Weg, der daher besonders im Sommer
gerne gewählt wird) und Winterpromenade. Hier scheint die Sonne auch
Ende September noch bis nach 16 Uhr und ich liege erst einmal –
völlig entgegen meiner sonst so rücksichtsvollen Gesinnung – der
Länge nach auf einer der dort aufgestellten Ruhebänke, den Kopf im
Schoß des Liebsten. Kunstvoll gelingt es mir, das Unterhemd unter
dem Pullover auszuziehen (Mr. Bean hätte seine Freude an mir gehabt
und einige der vorbeiziehenden Passanten hatten sie ganz
offensichtlich). Ich ziehe Schuhe und Strümpfe aus und gebe mich den
wärmenden Strahlen der Sonne hin. Später flanieren wir die
Promenade entlang, vorbei an zahllosen Cafés und Eisdielen,
Souvenir-, Zeitungs- und Lederwarengeschäften. Hier steht auch das
Kurhaus. Das Auge erfreut sich an phantastisch schönen Pflanzanlagen
und der kleine Hunger an Buden, wo man Würstchen, Eis oder Getränke
kaufen kann. Und – oh, ja. Es gibt frischen Traubensaft. Ich hatte
die Hoffnung, es gäbe auch so etwas wie Federweißer hier. Aber
Traubensaft ist auch gut. Und dazu: Frische Kastanien. Stand
wenigstens dran, gab es aber nicht. „Aber ganz bestimmt
übermorgen“. Den Spruch haben die Italiener auch schon seit
vierzig Jahren drauf. (Übermorgen gab es sie tatsächlich.
Allerdings so sündhaft teuer, dass ich dann lieber die Angebote auf
dem Koblenzer Weihnachtsmarkt annehmen werde). Dafür war die
Eisdiele eine wirklich angenehme Überraschung. Neunzig Cent pro
Kugel, und der Eisverkäufer war wahrscheinlich ein Stotterer. Aus
zwei bestellten wurden vier gelieferte Kugeln. Zum Preis von 1,80
Euro. Das ist doch in Ordnung. Und die Qualität war große Klasse.
Machen wir morgen wieder, wenn die Sonne scheint. Und: Wir gehen
morgen in die Therme mit über zwanzig Schwimmbecken – eine sehr
moderne, sehr gepflegte Anlage. Im warmen Wasser entspannen, das will
ich unbedingt. Oder sollen wir doch lieber mit der Sesselbahn zum
Dorf Tyrol hochfahren, wo sich Cafés und Restaurants
aneinanderreihen, wo man mit Kaiserschmarrn und Käseomelett ein
bisschen Hüftgold erkaufen kann? Ach, nach Bozen würde ich auch
gerne. Wenigstens mal gucken. Zug fährt ja alle Augenblicke dort
hin. Bus auch. Und auf keinen Fall dürfen wir den riesigen
Botanischen Garten am Schloss Trauttmannsdorff auslassen. Der
„Verbotene Garten“ darin macht mich natürlich besonders
neugierig, wie alles, was verboten ist. Ein Museum (falls es doch mal
regnen sollte) mit viel „Anfassen und Ausprobieren erlaubt“ lässt
sich dort auch noch besuchen. Ob wir doch noch eine Woche dran hängen
sollen?
Mal sehen, was der nächste Tag bringt.
Jetzt erstmal zum Abendessen gehen. Mein Mann hat gottseidank einen
Laden – leider ohne jegliche Atmosphäre - gefunden, der Hähnchen
anbietet. Für 6,50 Euro. Ich entscheide mich für eine
Gorgonzola-Pizza mit köstlich dünnem Boden und Maiskörnern. Sehr
lecker. Der Tafelwein war für fünf Euro (halber Liter) sehr gut
trinkbar. Und zum Schluss hatten wir neue Freunde gewonnen. Es gab
Sambuca und Averna auf Kosten des Hauses und mein Mann durfte die
Freundin des Hauses herzen. Augen und Beine waren so schwer, dass wir
schon um kurz nach zwanzig Uhr völlig erschöpft in unserem
Ferienzimmer landeten. Bett ausklappen, Fernseher an und ahhh –
herrlich. Entspannen.
An den nächsten Urlaubstagen haben wir
das meiste von dem umgesetzt, was wir angedacht hatten. Vor allem
haben wir uns viel Zeit fürs Nichtstun, für Leutegucken und Bummeln
gegönnt. Und irgendwann, plötzlich und viel zu schnell, hieß es
dann schon wieder: Packen, Rudi einschalten und die Nachhausefahrt
antreten.
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