Sonntag, 23. August 2015

Die Harleys rollen in Koblenz ein - 2014

Weil eine Harley Davidson allein noch keinen Sommer macht, gab es kurz vor Sommeranfang Verstärkung von weit mehr als achthundert Motorrädern, die zum Auftakt des 13. Biker-Treffens "Magic Bike Rüdesheim" mit ihren Fahrern die landschaftlich schöne Strecke von Rüdesheim durch das UNESCO Welterbe Mittelrheintal nach Koblenz rollten. Bei dieser siebten, von Initiator Herbert Piel organisierten Welterbe-Rundfahrt sollte der Stopp ursprünglich vor dem Kurfürstlichen Schloss in Koblenz eingelegt werden. Weil dort jedoch eine andere Veranstaltung stattfand, die mit dem Termin kollidierte, wurde die Parkebene auf dem Dach des Koblenzer Löhr Centers als ein sehr spezieller Ausweich-Ort angeboten. Das am Fronleichnams-Feiertag eigentlich geschlossene Center-Parkhaus war speziell für die Biker geöffnet und die oberste Parkebene ihnen für ihr Treffen kostenfrei zur Verfügung gestellt worden. In diese luftige Höhe über Koblenz verschlug es allerdings nur wenige Fans der Kult-Motorräder mit dem besonderen Design und dem ganz speziellen Sound. Doch zumindest die beeindruckende Einfahrt der Biker-Kolonne wurde von etlichen Interessierten beobachtet. Im Konvoi fahrend, mit Polizei-Geleit und Hubschrauber-Observierung erreichten die aus ganz Deutschland, und vereinzelt auch den angrenzenden Ländern kommenden Biker ihr Pausenziel. Minutenlang dröhnten die Motoren, während eine Maschine nach der anderen auf das Parkdeck rollte. "Was hier los ist, kannst Du Dir nicht vorstellen", berichtete einer der Biker aufgeregt seinem Handy-Gesprächspartner. Auch ich war komplett begeistert: "Was für ein Event!" An der Essensausgabe verursachte der in diesem Jahr aufgestellte Teilnehmer-Rekord eine rekordverdächtig lange Schlange. Doch die Biker nahmen es gelassen. Sie nutzten die Wartezeit, um die Aussicht auf die Stadt zu genießen und sich auszutauschen über die Strecke und die Erlebnisse beim Fahren in der Kolonne. Natürlich diente der rund einstündige Aufenthalt auch der Begutachtung der vielen verschiedenen Harley-Modelle der anderen Fahrer. Man fachsimpelte über Technik, Lackierungen und Umbauten, die nahezu jeder Maschine ein ganz individuelles Aussehen gaben. Zwischen all den Harleys parkten auf dem Deck auch einige Motorräder anderer Marken wie Honda, BMW oder Yamaha - sogar ein Trike war dabei. Teilnehmen dürfe schließlich jeder Biker, klärte ein Mitfahrer auf. Selbst mit einem Vespa-Roller dürfe man sich der Tour anschließen. Doch, mit meiner Vespa an dem Konvoi teilzunehmen, hätte ich als respektlos erachtet. Wer glaubt, eine Harley Davidson müsse zwangsläufig von dem Typus "tätowierter langhaariger Rocker" gefahren werden, der irrt. Heutzutage sind die Fahrer meist reiferen Alters, eher grauhaarig oder kahlköpfig und machen einen recht zahmen, soliden Eindruck. Weibliche Fahrerinnen sind offenbar immer noch die Ausnahme. Vielleicht ist ihnen ein durchschnittliches Leergewicht von mehr als 300 Kilogramm schlichtweg zu viel. So waren die meisten Damen als Sozia unterwegs. Selbst ein kleiner Hund durfte auf der Welterbetour seine Menschen auf dem Motorrad begleiten. Er hatte (angeschnallt) seinen Platz ganz vorne auf dem Bike, ausgestattet mit Sonnenbrille und Lederweste. Als am Nachmittag das Zeichen zum Aufbruch gegeben wurde, starteten Hunderte von Motoren fast gleichzeitig. Das Löhr Center erzitterte unter dem unvergleichlichen Klang, dem Blubbern und Dröhnen, das ein ganzes Lebensgefühl verkündet. Vielleicht wird der "ohrenbetäubende Lärm", wie manche es nennen, in Zukunft anders klingen, wenn nämlich die nächsten Harley-Generationen mit Elektromotoren ausgerüstet sind. Die Ausfahrt aus dem Parkhaus gelang tadellos und sehr diszipliniert. Die Fahrer zog es zurück nach Rüdesheim, wo die viertägige "Magic Bike" unter anderem mit Stuntshows, Musik-Feuerwerk und zahlreichen Konzerten auf drei Bühnen den wohl mehr als 25.000 Teilnehmern und Besuchern ein großes Unterhaltungsprogramm bot. Ein weiterer Höhepunkt des Biker-Treffens war, wie schon in den vergangenen Jahren, die Motorradparade durch den Rheingau.

Lange Museumsnacht in Koblenz - 2014

Wieder einmal bin ich der Einladung der Koblenzer Museen, Galerien und Ateliers zur Langen Nacht der Museen gefolgt, in diesem Jahr 2014 mit 27 teilnehmenden Häusern. Die Eröffnung erfolgte durch den Kulturdezernenten der Stadt bei der Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler am Mittelrhein im Haus Metternich auf dem Münzplatz. Der großen Anzahl der Eröffnungsgäste erklärte der Kulturdezernent, wie wichtig eine Veranstaltung wie diese sei, um die Bedeutung der Kunst einmal gezielt hervorzuheben. Kunst, besonders wenn sie qualitativ so hochwertig wie in Koblenz sei, mache eine Stadt lebens- und liebenswert. Die Vorstandsvorsitzende der Künstlergruppe kündigte für die Nacht im Haus Metternich mit allen Sinnen erlebbare, lebendige Interaktionen an. Das Konzept zu der eigens für die Museumsnacht mit "BeSINNlich" betitelten Ausstellung beinaltete neben der Bildenden Kunst, Lesungen, Musik sowie Video- und Fotodokumentationen. Performative Installationen sollten den Prozess des Entstehens von künstlerischen Arbeiten für die Gäste sichtbar machen. Als Künstler wirkte unter anderem David Hardy mit, der neben Wänden auch seinen Regenschirm als Ausstellungsfläche nutzte. Der Besucher wurde im Ausstellungshaus mit Sinnesreizen nahezu überflutet. Hier hätte man sich die ganze Lange Nacht "um die Ohren schlagen können", ohne sich auch nur einen Moment zu langweilen.
Selbst wenn es nicht gelingen konnte, in den sechs zur Verfügung stehenden Stunden alle Häuser mit mehr als achtzig Einzelveranstaltungen zu besuchen, wollte jeder doch möglichst viele Kunstbegegnungen erleben. Mit einem Bus-Shuttle ließ sich fast jedes teilnehmende Haus, selbst das etwas abseits gelegene DB Museum, mühelos erreichen. Wahre Eisenbahnfreunde gelangten dorthin mit dem Historischen Sonderzug der DB. Um den Überblick nicht zu verlieren, welches Haus welches Programm bot, und wie man dorthin kommen konnte, gab es erstmalig eine kostenlose "Museumsnacht-App" für Smartphone-Nutzer. Trotzdem blieb niemandem die Qual der Wahl erspart. Gerade die Museen, speziell Mittelrhein- und Ludwig-Museum hatten ein abendfüllendes Programm auf die Beine gestellt, boten auch den jungen Kunstfreunden auf sie ausgerichtete Aktionen. Wer per Seilbahn zur Festung Ehrenbreitstein gondelte, erlebte Kunst schon während der Fahrt mit der in den Gondeln installierten Ausstellung "Sky Art". Noch viel mehr Kunst und Kultur gab es auf der Festung. Neben spannenden (Themen-)Führungen feierte zum Beispiel das Landesmuseum die "Lange weiße Burgundernacht zum Barock" mit Musik und Gaumenfreuden bei Kerzenschein. Und in der Festungskirche gab es eine weitere Begegnung mit der Künstlergruppe AKM, die hier zusammen mit der "Ökumene in der Festungskirche" Mircea Handaburas Ausstellung "Grenzerfahrungen", begleitet von Text-Musik-Collagen, zeigte.
Auch in der am Fuße der Festung gelegenen Kunstresidenz Ehrenbreitstein war die reiche Kunst- und Galerieszene in der Museumsnacht sehr aktiv. In einer Galerie wurde eine  Fotoserie präsentiert, die sich dem Architekturprojekt "Nuova Corviale" am Rand von Rom widmet. Mit einer besonders interessanten Idee wartete eine andere Galerie auf. Hier präsentierte ein Künstler seine Porträtausstellung und die neunmonatige Entstehungsgeschichte seines fiktiven Bildnisses von Maria Magdalena Keverich, der Mutter Ludwig van Beethovens. Zur Enthüllung des Gemäldes ging es in einem fröhlich-lärmenden, von Schauspielern begleiteten Kerzen-Umzug quer über das auf dem Kapuzinerplatz stattfindende Krebbelchenfest zum Mutter-Beethoven-Haus. Dicht an dicht drängten sich die Gäste im Obergeschoss, wo das Programm mit Live-Musik umrahmt wurde. Die Idee des Künstlers wurde sehr gelobt, denn bisher gebe es keine Abbildung von der jungen Maria Magdalena. Der Künstler überließ das von ihm gemalte Bildnis dem Haus als Schenkung. Eine junge Ehrenbreitsteinerin habe ihm dafür Modell gesessen, erklärte er. Die hübsche Frau mit dunklen Haaren und melancholischen Augen verkörpere für ihn genau das, was die Literatur Maria Magdalena Keverich an Eigenschaften zuspricht. Mit verschiedenen Symbolen gestaltete der Künstler den Hintergrund des Bildes. Die Galeristin erklärte die Ausführung als klassisch gemalt, fast altmeisterlich. Das Bild rede mit dem Betrachter, es gehe auf die Dramatik im Leben der Maria Magdalena ein, wurde in einer Laudatio das Werk gewürdigt, Mit diesem inspirierenden "Wesensporträt" sei es dem Künstler gelungen, das Denken und die Phantasie des Betrachters anzuregen.
Nach der Veranstaltung zog es viele Gäste zum Rhein-Museums oder zu einem etwas oberhalb des Ortes gelegenen Atelierhaus, wo zahlreiche große Skulpturen, Farbholzschnitte, Zeichnungen und eine Menge mehr Kunst zu bestaunen waren. Ein besonderer Hingucker  waren eine blaue und beleuchtete 2,80 Meter große Pferdefigur im Garten sowie eine riesige Giraffe im Erdgeschoss des Atelierhauses, deren Kopf neugierig in den ersten Stock blickt. Die meisten Figuren, mit denen "zu spielen" die Künstlerin ausdrücklich auffordert, sind wetterfest. Den immer wieder hineinschauenden Gästen zeigte die Künstlerin noch viel mehr von dem, was ihre Kreativität im Laufe der Jahre hervorgebracht hat. Dabei fand sich sogar ein weiteres Bildnis von Maria Magdalena Keverich. Sie ist die Karo Dame auf dem Kartensatz, den die Künstlerin vor Jahren einmal zeichnete.
Noch mehr Kunst zu erleben, blieb wegen mangelnder Zeit ein reines Wunschdenken. Ich habe mir vorgenommen, die anderen Häuser einfach einmal an solchen Tagen besuchen, wenn nicht gerade ganz Koblenz im Kulturrausch ist.

Ich erhalte eine Friedhofsführung

Mit einer Fläche von rund dreißig Hektar ist der im Jahr 1820 eingeweihte Koblenzer Hauptfriedhof der größte der insgesamt zwanzig städtischen Friedhöfe und ein geschütztes Kulturdenkmal. Um möglichst viel über den Friedhof und die Grabstätten zu erfahren, schließt man sich am besten einer fachkundigen Führung an. Bevor der Friedhof hier zwischen Goldgrube und Karthause angelegt wurde, befand er sich seit 1777 am Löhrtor. Da der neue Standort im Schussfeld der Festungswerke lag, das übersichtlich gehalten werden musste, war anfangs die Errichtung von stehenden Grabsteinen und Grüften verboten. Schon 1833 wurde eine erste Erweiterung des Friedhofs notwendig. Schwere Beschädigungen erfuhr er mit den Luftangriffen auf Koblenz im Zweiten Weltkrieg. Noch heute sind Spuren davon an einigen Grabmälern auszumachen. Ab den 1950er/60er-Jahren wurde der Hauptfriedhof massiv umgestaltet bis zu dem parkähnlichen Erscheinungsbild von heute. Mit dem, in den 1980er-Jahren angelegten Arboretum fand er sogar Aufnahme in die „Route der Welterbegärten". Seit dem Jahr 2002 ist er Teil des UNESCO-Welterbes „Oberes Mittelrheintal". Eine malerische, Mitte des 19. Jahrhunderts gepflanzte Platanenallee ist das Herzstück im terrassenförmig angelegten historischen Teil des Friedhofs. Durch diesen werde ich heute geführt, denn hier ist eine große Anzahl denkmalwerter Grabstätten bekannter und verdienter Koblenzer Persönlichkeiten zu besichtigen. Ganz nahe beim Haupteingang und dem dort stehenden großen, runden Mosaik-Brunnen wird mir ein Grab aus dem Jahr 1867 gezeigt, das sich durch den Erhalt der Original-Bepflanzung, zwei die Grabstätte flankierende Eibenbäume, als Besonderheit auszeichnet. Bei der folgenden Führung gibt es viel zu lernen über Material und Baustile. Der Friedhofsführer zeigt mir Grabmäler aus Granit, rotem Sandstein, Lahnmarmor, Keramikplatten und Mosaik. Als erstes Zeitzeugnis der Koblenzer Bestattungskultur gilt die kleine Kollektion historischer, spätbarocker Grabkreuze, von verschiedenen Koblenzer Friedhöfen geborgen und hierher verbracht. Genauso die auf vielen Gräbern liegenden Grabsteine, Kissensteine, die in der Zeit verwendet wurden, als hohe Grabaufbauten auf dem Friedhof noch verboten waren. Die große Familiengrabstätte aus dem frühen 20. Jahrhundert mit einem Grabmal aus poliertem schwarzen Granit, wäre anfangs jedenfalls nicht möglich gewesen. Sie sei der Stadt Koblenz als „erhaltenswert" empfohlen worden, ebenso wie andere Grabstätten, die es wegen einer zeittypischen Gestaltung oder der bestatteten (bedeutenden) Persönlichkeiten zu erhalten gelte. Zahlreiche Grab- und Ehrenmäler auf dem Hauptfriedhof haben eine Eintragung als Kulturdenkmal erhalten. Dazu gehört eines der hier bedeutendsten Familiengräber, das der Familie Vahlbruch. Es ist verziert mit Jugendstilelementen, wozu auch die vollplastische Figur des trauernden Engels gehört. Der 1911 verstorbene Hauptmann Ernst Vahlbruch soll besonders wegen seines militärischen Wirkens für die Festung Koblenz und Ehrenbreitstein bekannt gewesen sein. Das älteste Grabmal des Friedhofs ist aus dem Jahr 1824. Hier liegt Freiherr von Thielmann begraben, ein General der napoleonischen Zeit, der unter anderem in Koblenz kommandierte. Seine Grabstätte ist mit einem Helm, eine Arbeit der Sayner Hütte, verziert. Von der Sayner Hütte stammen noch andere Arbeiten auf dem Friedhof, wie zum Beispiel die drei nebeneinander stehenden Grabmäler von Mitgliedern der Familie Wegeler. Und das großartige Tabernakel-Grabmal von Pfarrer Carl Albrecht, der fast dreißig Jahre lang Pfarrer der Pfarrei Liebfrauen war und 1833 in Koblenz gestorben ist. Das soll zu den prominentesten auf dem Friedhof gehören. Das skurrilste ist vielleicht das Grabmal der Familie Aldenhoven - Franz Hubert war einer der ersten, der hier beigesetzt wurde. An der Seite des schlichten Marmorsteins ist ein Hinweis auf das berühmte „Götz von Berlichingen"-Zitat eingemeißelt. Was Aldenhoven dazu veranlasste, kann mir niemand erklären. Beim weiteren Rundgang „begegne" ich vielen prominenten Verstorbenen. Wie beispielsweise Peter Altmeier, zweiter Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Justizrat Dr. Karl Weber, der immerhin ein halbes Jahr lang als Bundesjustizminister amtierte, Caroline Settegast, Mitbegründerin des katholischen Frauenvereins St. Barbara und etlichen ehemaligen Oberbürgermeistern der Stadt Koblenz. Dazu gehören Hubert Josef Cadenbach, Willi Hörter, Wilhelm Kurth, Carl Heinrich Lottner, Josef Schnorbach und Emil Schüller. Wie bei Willi Hörters Grabstein, haben immer wieder Koblenzer Bildhauer und Steinmetze auf dem Friedhof ihre Spuren hinterlassen. Hier ist es die Koblenzer Bildhauerin Edith Peres-Lethmate, die das Dreifaltigkeits-Relief auf seinem Grabstein gestaltete. Mit einem Relief-Bildmotiv zum Thema Sterben und Trauer auf der Grabstätte der Familie Hils vom Bestattungsunternehmen Bloemers ist eine Arbeit des Bildhauers Rudi Scheuermann erhalten geblieben. Nachdenklich und ehrfürchtig verharre ich ein wenig später vor den imposanten Kriegsgräberehrenstätten des ersten und zweiten Weltkriegs und der Gedenkstätte für die Toten in Deutschlands Osten. An der Wiesenfläche, auf der über vierhundert Kissensteine an die Opfer des 1. Weltkriegs erinnern, zeigt mir der Führer eine historische Todesanzeige für einen 19-jährigen, der 1918 an den Folgen eines Lungenschusses verstarb. Eine weitere Gedenk- und Grabstätte erinnert an die 38 Toten des sich bei der Rheinland-Befreiungsfeier im Jahr 1930 ereigneten Unglücks, als eine Behelfsbrücke im Lützeler Hafen zusammenbrach, 14 der Unglücksopfer sind hier begraben. Als wir an einem Glockenturm vorbeigehen, erfahre ich, dass diese Glocke früher immer dann geläutet hat, wenn die Friedhofstore geschlossen wurden. Da die Tore heute immer offen bleiben, wird der Turm nicht mehr gebraucht. Die Fledermäuse freut es, sie haben sich dort eingenistet. Jede der viele weiteren besichtigten Grabstätten hat ihre eigene kleine, oftmals skurrile Geschichte. Dass aber gerade die Grabstätte des Schängellied-Schöpfers, des 1943 verstorbenen Mundartdichters Josef Cornelius, ein derart schmuckloses Grab mit einem schlichten, unscheinbaren Grabstein ist, enttäuscht mich ein wenig. Bevor die Führung nach rund zweieinhalb Stunden endet, gibt es noch einen letzten Halt an dem Friedhofskreuz und der Leichenhalle, die nach Plänen von Lassaulx 1821-22 erbaut wurde. Nach mehrmaligen Umbauten und der Kriegszerstörung wurde sie 1959-60 als Friedhofskapelle mit einer dahinter liegenden Leichenhalle neu aufgebaut.

Ich wandere mit den Schnellen Füßen

Von Mülheim-Kärlich nach Crailsheim führte die erste Busfahrt des Jahres den Volkssportverein „Schnelle Füße Koblenz". Die rund 25 mitfahrenden Mitglieder - Einzelpersonen, Paare oder Familien - interessiert aber nicht das attraktive Stadtmuseum der baden-württembergischen Kreisstadt und es ist auch nicht die Johanneskirche dort, für die sie die rund 300 Kilometer Anfahrt und ein frühes Aufstehen am Karnevals-Sonntag in Kauf nehmen. Sie sind einzig und allein wegen des 55. Internationalen Wandertags der Wanderfreunde Crailsheim, eine Veranstaltung des Internationalen Volkssportverbands (IVV), auf ihren „schnellen Füßen". Nach der Abfahrt vom Schulzentrum in Mülheim-Kärlich, folgen noch drei Stopps zwischen Westerwald und Taunus, bei denen weitere Teilnehmer zusteigen, die sich auf die fünf, elf und zwanzig Kilometer-Strecken begeben wollen, wandernd oder joggend. Das jüngste Vereinsmitglied, der viermonatige Fynn, ist im kleinen Familienkreis unterwegs und der Star des Tages, weil er die Busfahrt genauso entspannt hinnimmt wie den Trubel in der Turnhalle im Stadtteil Westgartshausen. Dort ist Start und Ziel für alle rund 1.500 Teilnehmer, Mitglieder von Wandervereinen aus ganz Deutschland. Der Koblenzer Verein ist der letzte, der sich an diesem Tag anmeldet. Der Reiseleiter besorgt sogleich die Startkarten und teilt sie an die Mitreisenden aus. In der bis auf den letzten Platz gefüllten Turnhalle kann sich jeder mit Kaffee und Kuchen oder einer warmen Mahlzeit vor der Wanderung stärken. Die Bewirtung übernehmen die einladenden Wanderfreunde. Und dann machen sich die ersten „Schnellen Füße" auf den Weg, die meisten im Alleingang, denn jeder hat sein persönliches Wohlfühl-Tempo. Kniebundhosen und Wanderschuhe sind offenbar ausgestorben, der heutige Wanderer trägt funktionale Freizeitkleidung. So ist es kaum möglich, die Teilnehmer unterwegs als solche auszumachen, denn Armbinden oder eine andere einheitliche Kennzeichnung gibt es nicht. Immerhin tragen manche wenigstens ein Shirt mit einem Vereinslogo. Die Strecke ist ausgezeichnet markiert, ein Verlaufen ist nahezu ausgeschlossen, zumal es kaum Ablenkungen gibt. Die meiste Zeit ist links und rechts nicht mehr zu sehen, als gepflügte Ackerflächen, die den Weg säumen. Sie sind noch leicht mit Schnee bestäubt und in den Pflugfurchen haben sich zum Eisrutschen einladende Flächen gebildet. Nach etwa drei Kilometern ist die erste Kontrollstelle erreicht. Hier kann man sich gegen Vorlage der Startkarte bei einem Gratis-Tee aufwärmen, ein Angebot, was bei rund drei Grad Celsius und einem anfangs noch bedeckten Himmel von vielen Wanderern gerne angenommen wird. Außerdem gibt es hier den begehrten Stempel in die Startkarte, der nach dem Absolvieren der gewählten Strecke mit einem IVV-Wertungsstempel im Wertungsheft dokumentiert wird. Je mehr Wertungsstempel darin sind, desto näher rückt die Erlangung des in verschiedene Stufen unterteilten und durch eine Verleihungsurkunde manifestierten Volkssportabzeichens, was die meisten Häufig- und Vielfach-Wanderer anstreben. Neben dem Faktor der Gesunderhaltung mache Spaß und Geselligkeit, so wird es gesagt, den Volkssport Wandern attraktiv. Doch beim Laufen kommen die beiden Aspekte nur am Rande zum Tragen. Lediglich diejenigen, die paarweise oder in kleinen Gruppen mit etwa vier Kilometern pro Stunde wandern, nehmen die gesellige Gelegenheit wahr, beim Gehen miteinander zu plaudern. Für einige Kinder, wie den zwölfjährigen Justin, bietet der Wandertag eine gute Gelegenheit, sich einmal tüchtig an der frischen Luft auszutoben. Nach gut einer Stunde sind die ersten Wanderfreunde von der kurzen Tour zurück. In der immer noch prall gefüllten Turnhalle beginnt für sie jetzt das Warten auf die Vereinsfreunde, die die längeren Strecken gelaufen sind. Die Zeit wird genutzt, um Freunde und Bekannte zu begrüßen, die ihnen bei den vielen verschiedenen Wandertagen immer wieder begegnen. Der Vorsitzende der Wanderfreunde Crailsheim verspricht, mit einer Delegation seines Vereins den „Schnellen Füßen" im Oktober einen Gegenbesuch abzustatten, wenn die zu ihrer 32. Internationalen Volkssportveranstaltung nach Winningen einladen. Der Koblenzer Verein trifft außerdem auf den erfolgreichen, ihnen gut bekannten Ultramarathon-Läufer Rainer Koch. Der 34-Jährige aus dem fränkischen Dettelbach versteht unter Ultramarathon nicht einfach eine Strecke von mehr als 42,195 Kilometern. Einhundert Kilometer müssen es schon sein, die läuft er regelmäßig, und das in einer Zeit von plus/minus acht Stunden. Mit 28 Jahren gewann er den schwersten Etappenlauf in Europa, rund 4.500 Kilometer von Bari zum Nordkap. Die „Flinken Füße" sind stolz, dass er für ein Foto mit ihnen vor ihrer Vereinsfahne posiert. Nachdem alle per Bus angereisten Vereine von den Gastgebern ein Dankeschön in Form von Geschenken erhalten haben, ist es langsam Zeit, die Nachhausefahrt anzutreten. Während dieser fröhlichen Stunden lassen die „Flinken Füße" die letzten Geburtstagskinder hochleben und sprechen über neue Wanderpläne. Das spektakulärste Wander-Erlebnis steht Ende September bevor, wenn einige Mitglieder zur sechstägigen IVV-Olympiade nach China fliegen.

Ein deutscher Wanderverein: Der Volkssportverein "Schnelle Füße"

Das Wandern ist nicht mehr nur des Müllers Lust. Ganz Deutschland scheint das Wandern für sich entdeckt zu haben, Wanderwege sprießen fast wie Pilze aus dem Boden. Mehr als dreihundert hat der 1970 gegründete Deutsche Volkssportverband (DVV) zusammen mit seinen rund 800 angeschlossenen Vereinen und Organisationen eingerichtet. Mehr als 300.000 Personen sind beim DVV, der wiederum Mitglied des 1968 gegründeten IVV (Internationalen Volkssportverband) ist, registriert. Dem Verband angeschlossen, hat sich auch der Koblenzer Volkssportverein „Schnelle Füße", der Ende 1987 von einer 17-köpfigen Wanderfreunde-Gruppe gegründet wurde. Schon im Jahr nach seiner Gründung organisierte der Verein, der heute seinen Sitz in Mülheim-Kärlich hat, seine erste eigene Volkssport-Veranstaltung mit Wanderstrecken von 10 und 20 Kilometern, ab und bis Wolken. In diesem Jahr richtet er bereits seine 32. Internationale Volkssportveranstaltung aus, und zwar in Winningen, wo schon seit einigen Jahren die dortige August-Horch-Halle die Heimathalle der „Schnellen Füße" ist. Rund 2.000 Teilnehmer werden am 24. und 25. Oktober dazu erwartet. Der große Erfolg der ersten Veranstaltung mit damals mehr als 3.000 Teilnehmern motivierte den Verein, das Wanderstreckenangebot nach und nach zu erweitern. Sogar eine Marathonstrecke (42,195 km) richtete er ein, eine 50- und eine 65-Kilometer-Strecke kamen in den Jahren 1995 und 2010 hinzu. Als der Verein im Jahr 2012 seinen 25. Geburtstag feierte, organisierte er seinen ersten Internationalen Welterbemarsch über die Distanz von 60 Kilometern. Wie die meisten Wandervereine, betreiben auch die „Schnellen Füße" permanente Wanderwege, das sind ganzjährig begehbare Rundwege mit Streckenlängen zwischen 5 und 42 Kilometern. Der älteste wird seit 2008 in Koblenz unter dem Namen "Rittersturz" angeboten. In den folgenden sechs Jahren sind drei weitere hinzugekommen: "Mosella Zauber" in Winningen sowie "Laacher See" und "Maria Laach". „Stolzenfels" als fünfter ist bereits in Planung. Alle sind wegen ihrer landschaftlichen Schönheit sehr reizvoll. Darüber hinaus erwandern etliche der 66 Mitglieder des Vereins (davon elf aus Koblenz) Woche für Woche, oft sogar mehrfach innerhalb einer Woche, die vielen Wanderstrecken der befreundeten Vereine, wie zum Beispiel in Bendorf, Ebernhahn im Westerwald, Limburg, Trier oder Wiesbaden. Bei deren Wandertagen errangen sie zahlreiche Ehrenpreise als teilnehmerstärkste Gruppe. Um Gesundheit mit Spaß und Geselligkeit zu kombinieren, organisieren die „Schnellen Füße" nahezu jeden Monat eine Busfahrt zu einem, von anderen Wandervereinen ausgerichteten Wandertag, bei dem den Wanderfreunden verschiedene Streckenlängen zum Erwandern und Erlaufen angeboten werden. Ihre erste Busfahrt dieses Jahres führte 25 „Schnelle Füße" nach Crailsheim in Baden-Württemberg. Selbstbewusst, mit der Vereinsfahne voran, zogen sie in die dortige Start/Ziel-Turnhalle ein. Die Fahne mit Schängel und Deutschem Eck, der Stolz des Vereins, ließ er 1993 nach der Idee eines inzwischen verstorbenen Mitglieds für 5.000 DM, finanziert aus Spendengeldern, anfertigen. Am 12. April geht es per Bus nach Consdorf in Luxemburg und am 14. Mai nach Goe in Belgien. Auch diejenigen, die nicht nur wegen der Eintragungen in die Wertungshefte zur Erlangung des Volkssportabzeichens die verschiedenen Strecken erlaufen, sondern lieber bei einer geführten Tageswanderung (sogar als Marathon im Angebot) Anekdoten über Land und Leute oder Wissenswertes über Tier-/Pflanzenwelt und zu den Sehenswürdigkeiten hören möchten, sind bei den „Schnellen Füßen" gut aufgehoben. Am 01. Mai veranstaltet die „Romantischer Rhein Tourismus GmbH" unter dem Namen „R(h)einwandern in den Frühling" einen Wander-Ereignistag im nördlichen Mittelrheintal von Bonn bis Rhens mit zahlreichen Veranstaltungen rund ums Wandern und Genießen. Die „Schnellen Füße" beteiligen sich daran mit einer geführten Tageswanderung von der Keltenschutzhütte in Bassenheim über den Rhein-Burgen- und Streuobstwiesen-Weg nach Mülheim-Kärlich, wo der Krönung der Kirschblütenkönigin beigewohnt werden kann. Ein Höhepunkt im Wanderjahr sind für alle Volkssportvereine die mehrtägigen IVV-Sportfeste Olympiade und Europiade, jährlich im Wechsel. Wer daran teilnimmt, kann sich nicht nur in der Disziplin Wandern sondern auch bei Nordic Walking, Laufen, Schwimmen und Radfahren bewähren. Bei diesen, von tausenden von Volkssportlern aus vielen Ländern besuchten Sportfesten zählt ausschließlich das Motto „Dabei sein, ist alles!". In diesem Jahr werden einige Mitglieder im September zur 14. IVV-Olympiade fliegen, die zum ersten Mal in einer chinesischen Stadt (Chengdu) stattfindet. Im Mai 2016 lockt dann die 3. IVV-Europiade die Sportsfreunde nach Kitzbühel. Einen großen Erfolg konnten die „Schnellen Füße" damit erringen, die 15. IVV-Olympiade im Jahr 2017 nach Koblenz zu holen. Mit der Vorstellung der Olympiabewerbung beim IVV-Weltkongress im vorigen Jahr in Hamburg überzeugte der Verein die Delegierten, indem er alle Schönheiten der Stadt am Deutschen Eck auf dem Silbertablett präsentierte. Gegen die attraktive Bewerbung der österreichischen Stadt Tauplitz, vorgetragen vom ehemaligen Skispringer und Weltcupsieger Hubert Neuper, setzte sich Koblenz mit 73 von 97 Stimmen durch. Demnach darf vom 06. bis 10. Juni 2017 die Sportwelt zu Gast bei Freunden in Koblenz sein, wo die „Schnellen Füße" eine Veranstaltung der Superlative auf die Beine stellen wollen.

Das kommt mir Französisch vor - das Elsass. Oktober 2011.

Anreise nach Mulhouse (gesprochen: Mülhuus) über A61 und A5 Katastrophe. Wegen Brückenbauarbeiten Autobahn-Vollsperrung. Stau mit Stillstand. Leute steigen aus Autos aus und laufen rum. Wir nehmen nächstmögliche Abfahrt nach ca. 30 Minuten. Nie wieder Autoreisen! Umweg über Dörfer bis zur Wieder-Auffahrt. Danach reihen sich immer noch Baustellen an Baustellen. Alle fünf Kilometer lang. Schließlich Ankunft. Rudi hat uns gut geführt. Wie reiste man eigentlich früher vor der Zeit der Navis? Rezeptionistin spricht gottseidank Englisch. Nachdem sie keine Antwort von mir auf ihre Frage erhielt „Haben Sie uns gut gefunden?“. Parken kostet 6 Euro/Tag. Frühstück 8,50 Euro pro Person/pro Tag. Wir packen aus. Michael eine eigene Version eines Schlafanzuges. Kombiniert mal ganz neue Oberteile mit Unterteilen. In Mulhouse nur sehr wenige, eher keine Restaurants geöffnet. Preis pro Gericht: 15 Euro durchschnittlich. Flammkuchen auch für unter 10 Euro. Crepe auch. McDonalds hat geöffnet, aber je ca. 15 Personen in einer Schlange vor der Kasse. Subway gibt’s auch. Wir gehen rein. Premiere. Wie bestellt man so etwas. 15 cm oder 30 cm. Welches Brot, welcher Belag, welche Soße? Von einem 15 cm-Brot für knapp 5 Euro wird man jedenfalls nicht satt. Aber lecker war es.
Im Hotel fehlt Föhn, Michael kann bei Schlummer-Licht nicht lesen, jetzt Beine auf dem Tisch und Küchenlampe nutzen. O-Ton: Damit kann man die Sterne im Himmel anleuchten (Bettlampen). Plat du jour heute nur für mich: Gemüsesuppe und Nudeln mit Gemüsestückchen, darüber Schafskäse. Michael nachher bei McDonalds einen Burger und Pommes gegessen. Klo-Benutzung mit Hindernissen – mit Code auf der Quittung geht’s. Aber wie kommt man wieder raus? Ein Zufall (Knopf im Rauminneren) machte es möglich. Im Café Mozart kleine Törtchen gegessen. Brüllende Kinder machten aus Café Kindergarten. Michael bestellt zweiten WiFi-Code in Englisch. Hat tatsächlich geklappt. Ohne Kerzen und Sekt, aber mit einem guten Buch. Frühstück im Hotel gut: Croissants, Baguette, Käse, Wurst, Marmeladen, Kaffeeautomat, Joghurt, Müsli – das ist man von Frankreich eher nicht gewohnt. Was trinken die Elsässer? Bier mit Grenadine und irgendwelches grünes Gesöff. Haben wir noch nicht herausbekommen. Ich habe nach 6 Jahren erstes Mal wieder gebadet und es sehr genossen. Danach keinen Rücken mehr – toll. Nach Frühstück am nächsten Tag – Rücken ist übrigens wieder da – auf nach Colmar. Nach rund 1 Stunde Landstraßen fahren, ein Stück Weinstraße, Ankunft. Hotelzimmer nicht viel größer als unser Koffer. Eiskalt, Heizung funktioniert nicht. Wir dürfen umziehen in den nächsten Koffer. Packen gar nicht erst groß aus, wohin auch mit den Klamotten? Sind ja sowieso schon im Koffer. Dann rein in die Altstadt, die uns sofort bezaubert. Was uns sehr positiv auffällt, auch wenn wir es hier und heute nicht brauchen: Ein großer kostenlos nutzbarer PKW-Stellplatz am Eingang zur Altstadt. Koblenz erhöht seine Parkgebühren um 140 Prozent, in anderen Städten ist kostenloses Parken möglich. Warum da und nicht bei uns? Ein bisschen Rothenburg ob der Tauber, ein bisschen Venedig. Eine Häuserfassade älter und schöner als die andere. Überall sitzen die Leute draußen und essen. Wir finden direkt am Kanal ein Restaurant. So wollten wir in Venedig schon immer mal sitzen, dort war es aber immer zu teuer. Hier ist es auch nicht viel preiswerter, aber wir haben jetzt ja Barclay! Plat du jour zu 8 Euro „est fini“. War ja klar. Nehme ich eben Zwiebelkuchen, Michael Carpaccio. Dazu Pinot Grigio für mich, Michael will süß und wählt Muscat. Der ist aber trockener als meiner. Michael meckert. Hinter mir sitzt ein Paar, das im Restaurant seine Geschäfte erledigt. Sie telefoniert laufend in Englisch, es geht um irgendwelche Reservierungen, er surft im Internet. Sie nervt. Zum Dessert nehmen wir Café Gourmand als Erinnerung an die schönen Provence-Tage. 4 verschiedene Desserts kommen. Da kann man nicht meckern. Zum Schluss zahlen wir mit der Zauberkarte 40 Euro. Tut überhaupt nicht weh. Ich sehe überall in der Stadt Mode im Stil von Desigual. Traumhaft. Aber ein Teil kostet so viel wie ein Essen für uns beide. Also: Nur gucken, nicht kaufen. Aber Gondel fahren wir auch nicht. Die Gondeln sind hier zwar Kähne mit kleinem Elektromotor, kosten dafür aber auch pro Person für 30 Minuten nur 6 Euro. Trotzdem will der beste aller... nicht. Zum Abschluss der Altstadt-Tour gönnen wir uns noch Bier mit Grenadine. Wir sind ja jetzt schließlich Einheimische. Auf dem Zimmer empfängt uns endlich deutsches Fernsehen. Michael ist glücklich. Es gibt wieder Meckereien wegen der Lautstärke. Er hört nichts, mir ist es zu laut. Schon Rückweg war eine einzige Diskussion. Nehmen wir den Weg, der ist kürzer. Nein, der ist kürzer. Es folgen endlose Debatten über die Straßenführung. Niemand gibt nach. Also nehmen wir jetzt „meine“ Route und nehmen die Zeit: 6 Minuten. Morgen stoppen wir „seine“ Route. Dann wird wohl wieder Frieden einkehren.
Am nächsten Morgen Dauerregen. Heizung funktioniert wieder nicht. Och, die machen wir immer aus, wenn die Zimmer sauber gemacht werden sollen. Jetzt – für Sie – machen wir sie aber wieder an. Na, bitte. Geht doch. Mit Regenschirm bewaffnet, dick-bejackt ziehen wir zu Fuß über Michaels Route wieder Richtung Altstadt Colmar. 5 Minuten. Gut, war seine Strecke also 1 Minute kürzer. Auf dem Rückweg heute haben wir allerdings noch eine Zwischenstraße gefunden, die wirklich optimal war. Sicher nur 4 Minuten. Aber die brauchen wir nun nicht mehr.
In Colmar gehen wir heute in jede trockene Passage, in jeden Laden, in dem man sich ein wenig aufwärmen kann. Dann ist wieder Mittagszeit und ich vergewaltige Michael zu einem Plat du jour für 9 Euro. Er bekommt coq au riesling, ich Lachs. Einfach köstlich und mit viel Liebe zubereitet. Dazu ein kleines Gläschen Wein und ein fettes Dessert zum Abschluss. Aus der großen vorgetragenen Kuchen-Auswahl entscheide ich mich für Rhabarbar, um kurz danach zu hören, dass Rhabarbar nicht mehr im Angebot ist. Das ist ja wieder typisch. Ich wähle dann Käsekuchen. Der ist da und sehr lecker. Noch ein Espresso, dann geht es an die frische – sehr frische – Luft. Wir entscheiden uns für Kultur und besuchen das Naturkundemuseum. Schauen uns lauter ausgestopfte Tiere an. Das habe ich sicher vor 40 Jahren das letzte Mal gemacht. Auf dem Rückweg durch die Stadt, bummeln wir gemütlich durch die Gassen und gucken wirklich jede Auslage an. Zum Abschluss nochmal ein Café-Besuch. Dann ins Hotel, Fernseher an, Internet an – sehr wackelige Verbindung. Gerade eben mal wieder nicht. Aber das Nötigste ist erledigt. Versuche es später nochmal.
Fahrt nach Strasbourg ist ein Klacks. Rudi findet auch dieses neue Hotel mitten in der Stadt trotz Baustelle mit bravour. Nur einen Parkplatz nicht. Hoteldame verweist uns auf Parkhaus für 11 Euro/24 Stunden. Zimmer noch nicht frei. Wir stellen Koffer im Gepäckaufbewahrungsraum des Hotels ab und ziehen los. Direkt ans Ufer der Ill, wo die ganzen Boote liegen, mit denen man in gut einer Stunde über den Fluss fährt bis zum Europaparlament. Wir entscheiden uns, am nächsten Tag damit zu fahren. Es ist Essenszeit: 12-14 Uhr. Babsi isst Linsen mit Kartoffeln und dicker Wurst. Michael guckt zu. Holt sich später Croque Monsieur. Und am Abend noch einen Keks mit roter Marmelade. Der Arme. Aber ich kann ja nichts dafür, dass er sich meinen Essengelüsten nicht anschließen mag. Auf jeden Fall gefällt mir dieses Mittags essen sehr gut. Ich bin satt bis zum nächsten Morgen. Keine Schoko-Gelüste, am Abend keinen Appetit. Muss doch gut für die Figur sein, fürs Portemonnaie auch. Schon vor dem Essen bezieht sich der Himmel. Es wird ungemütlich. Michael auch. Er friert in seinem Strickjäckchen. Will ins Hotel. Ich will weiter durch die Stadt ziehen. Wir gucken noch das Münster an, ich schaue den Straßenzeichnern zu. Wir kaufen zwei Briefmarken für Karten an riro und die Brüggemänner in der Post. Eine nette Angestellte hilft uns bei der Bedienung des Automaten. Dann fängt es an zu regnen. Wir gehen in ein Café, bestellen heißen Kakao. In der Dauer-Nachrichtensendung im dort aufgehängten Fernseher lesen wir in Französisch, dass Gaddafi tot ist. Der Tunesier neben uns freut sich wie verrückt. Wir trinken noch einen Ricard (ich) und einen Martini (Michael). Draußen wieder trocken, immer noch kalt. Wir gehen ins Hotel. Schönes Zimmer, geräumig, gemütlich. Deutsche Fernsehsender. Internet – wie in allen Zimmern zuvor auch. Nachdem Michael sich aufgewärmt und ein wärmendes Jäckchen übergezogen hat, ziehen wir nochmal los, gucken, was auf unserer Seite der Ill so zu sehen ist. Auch hier viele nette Straßen, hübsche Häuser, schöne Geschäfte und appetitanregende Lokalitäten.
Michael schnieft und schnauft. Hat schlechte Laune, Erkältung bahnt sich doch ihren Weg. Spray nimmt er nicht. Neee, meine Nase tut schon weh. Pillen nimmt er ja gerne. Also wenigstens die. Hoffentlich erwischt es mich nicht auch. Am zweiten Strasbourg-Tag sollte eigentlich die Sonne scheinen. War aber nichts. Nur dicke wabernde Nebelwolken über der Stadt. Eiseskalt war es dazu. Also haben wir uns bewegt. Durch Petite France und die gesamte Stadt kreuz und quer. Mein Plat du jour haben wir verpasst, weil Michael sich immer zu spät entschließt, nach einem passenden Lokal zu suchen. Nach 13 Uhr bekommt man Plat du jour oft schon nicht mehr. So bekam ich heute Flammkuchen mit Munsterkäse. Michael landete am späten Nachmittag nochmal bei McDonalds. Dazwischen noch ein Kaffee in einem Café, für das wir sehr lange unterwegs waren. Ich lief nur noch wie ein Automat neben Michael her. Orientierungssinn völlig verloren. Immer wieder der selbe gelbe Briefkasten? Ich hatte den Verdacht. Wollte schon heimliche Zeichen anbringen, um einen Beweis erbringen zu können. Darüber habe ich einen regelrechten Lachkrampf bekommen. Im Café saßen wir und beobachteten das rege Leben aller Verkehrsteilnehmer. Autos halten bei Rot, Fußgänger und Radfahrer nur, wenn auch Autos das erforderlich machen. Ansonsten laufen alle über die Straße, wann es ihnen gerade passt. Radfahrer queren die Spuren der Fußgänger und trotzdem geht alles immer gut. Ganz erstaunlich. Nun sind wir nicht Boot gefahren und ich habe mich nicht malen lassen. Nun, ja. An einem anderen Ort zu einem anderen Zeitpunkt. Alles wird immer überall möglich sein. Bestimmt auch mal in Koblenz bei einem der vielen Stadtfeste. Sonst kommen wir halt noch einmal her.

Urlaub an der Algarve. Lagos ist mein Favorit. Mai 2012.

Mal wieder an der Algarve, mal wieder in Lagos. Ist es nicht eine wunderbare Stadt zum Urlaub machen? Bis auf einige Bausünden, die als Bauruinen noch an die schrecklichen Jahre zu Anfang des Tourismus erinnern, ist hier architektonisch gesehen die Welt in Ordnung. Zwei- maximal dreigeschossige Bauten, alle in schönen, warmen Farben gehalten, die Bepflanzung entlang der Anlagen ist ein Gedicht, da guckt selbst die BUGA Koblenz dumm aus der Wäsche. Pflanzen, die wir auf der Fensterbank oder Terrasse seit Jahren versuchen, zum Wachsen zu bringen, gedeihen hier ohne menschliches Einwirken auf verlassenen Grundstücken, in den Dünen oder eben am Wegesrand. Alles blüht, Gelb, Lila, Blau sind die vorherrschenden Farben. Man kann sich gar nicht satt sehen. Unsere Ferienhaus-Anlage Ancora liegt etwa 2 km außerhalb von der Altstadt Lagos auf einer Anhöhe. Aber irgendwie liegt hier alles auf einer Anhöhe. Kein guter Ort zum Fahrradfahren also. Leihfahrräder kosten sowieso viel zu viel. Pro Tag 20 Euro. Das ist Wucher. Nach einem Transfer von gut einer Stunde ab dem Flughafen Faro in einem Sprinter – wir beide durften vorne neben dem Fahrer sitzen, der ständig die zugelassene Geschwindigkeit um rund 20 km/h überschritt – erreichten wir unser Domizil. Michael blaffte mich gehörig an, wie immer, wenn wir reisen. Übermüdet, nervös – das sind eben die Folgen. Selbst die Frau an der Rezeption erkannte sofort, dass wir uns dringend erholen müssten. Und dann eroberten wir „unser“ Haus. Ein Schlafzimmer mit Elektroheizkörper, Badezimmer mit Badewanne, Küchenzeile im Wohnzimmer: Auf dem Esstisch eine Flasche Weißwein zur Begrüßung. Ein kleiner Fernseher, große Schiebetüren zur Terrasse hin, die wie ein Innenhof gebaut ist. Im Wohnzimmer zusätzlich eine Couch. Wenn Michael nicht bald aufhört, nachts zu schnarchen, wandere ich dorthin aus. Von der Terrasse kann man durch ein Holz-Gartentürchen auf die Wiese davor gelangen, auf der große bunte Blumen (wie Bornholmer Margeriten) blühen, wie bei uns sonst Gänseblümchen. Überall Palmen und sonstige tropische Pflanzen – einfach wunderschön. Wohin führt die Treppe von der Terrasse aus? Zur Nachbarwohnung? Oder ist da noch eine Wohnung über unserer? Nein! Hurra, wir haben wieder einen kleinen Dachgarten, von dem aus man die ganze Anlage überblicken, leider auch auf diese riesige Bauruine gucken kann/muss. Auf dem Dachgarten eine lange Steinbank. An diesem Ort könnte ich den Rest meines Lebens verbringen, wenn ich Portugiesin wäre. Wieder hören und sehen wir die Möwen – es klingt wie Musik. Auch sonst ist die Vogelschar komplett: Spatzen, Amseln auf jeden Fall. Gestern eine noch flugunfähige Jungamsel beobachtet, die von ihrem Papa gefüttert wurde. Hoffentlich hat der Jagdhund sie nicht gepackt, der jeden Tag seine Runde vor unserem Häuschen dreht. Heute morgen habe ich erst einmal eine Schnecke gerettet, die auf dem Weg zur Dachterrasse war. Ob sie dort saftiges Grün erwartete? So ein schönes Schneckenhaus. Seitdem ich diese Schleimer auch im Aquarium habe, finde ich sie ganz attraktiv, besonders wenn sie so hübsche Häuschen haben. Mit den ganz nackten mag ich mich immer noch nicht anfreunden. Es ist wie zu Hause. Michael steht neben mir, scharrt unruhig mit den Füßen, wartet auf das Abendessen. Er hat Mais in der Dose gekauft, dazu vier Hamburger. Das soll unser Menu heute werden. Vorhin haben wir an der Hauptstraße kurz vor dem Spar-Supermarkt ein hübsches Café, das von einer Schwäbin betrieben wird, entdeckt. Michael bestellte sich Apfelkuchen und erhielt ein ganzes Früchtemenu dazu. Ich wählte eine Bananen-Schokoladen-Crepe und bekam einen Pfannkuchen – riesig! Sehr lecker, liebevollst zubereitet. Cappuccino 1,50 Euro. Na, bitte. Es geht doch. Zum Nachtisch genehmigten wir uns noch ein Glas Rot- bzw. Portwein. Auch im Innenbereich ist das Café (Gartenzwerg) sehr einladend. Alles steht voller Bücher, die man lesen kann, ausleihen darf. Die Inhaberin veranstaltet Sprachkurse und 3-Sprachen-Treffs: Engländer, Portugiesen, Deutsche. Eine tolle Idee! So hätte ich es auch gemacht, wenn ich mich hier niedergelassen hätte. Sie lebt wohl schon 13 Jahre in Portugal, erst arbeitete sie als Köchin, dann an verschiedenen Hotelrezeptionen. Nachdem sie eine schwere Krankheit überlebt hat, entschloss sie sich, wie sie erzählte, dieses Café – ihren Traum – wahr zu machen. Weil für den Rückweg dicke Wolken einen Schauer befürchten ließen, bot uns die Wirtin sogar an, uns einen Schirm zu borgen. Im nebenan gelegenen Supermarkt besorgten wir die Überlebensration des Tages: Frisches Brot, Weintrauben, Aufschnitt... Herrlich durch die Märkte zu streifen und zu gucken, worauf man wohl Appetit haben würde. Übrigens ist im Gebäude des Supermarktes auch ein Internet-Raum mit einigen Plätzen. Hier kostet das Surfen 3 Euro pro Stunde. Mit einem Kaffee von der Caféteria am Eingang lässt es sich an diesem Ort ganz gut aushalten. Um 19 Uhr steht das Essen in unserem Ferienhaus – wie zu Hause auf dem Tisch, denn immerhin ist es in Deutschland dann schon 20 Uhr, Zeit für Nachrichten, Krimi & Co. Man sieht, eigentlich haben wir uns sehr heimelig hier eingerichtet, nicht viel anders als zu Hause auch. Nur mit dem Unterschied, dass es keinerlei Termindruck, keinerlei Verpflichtungen gibt. Jeden zweiten Tag kommen zwei Putzdamen ins Haus und machen einen Kölschen Wisch durch die Räume. Klopapier aufzufüllen, wird dabei – wie fast in jedem Urlaub erlebt – immer vergessen. Michael hat die ladies aber noch eingefangen: „Madame – paper für Toilette“ - sie haben kapiert. Die kaputte Birne über dem Zweiplatten-Herd wollten sie wohl dem Techniker melden. Alle Schäden nur Stunden später behoben.
Ich lese Erasmus von Rotterdam: „Lob der Narrheit“. Nicht leicht zu lesen, aber doch noch so, dass man es im Urlaub sich mal antun kann. Viele Wahrheiten entdeckt man zwischen den Zeilen. Aber nach ein paar Seiten bin ich dann doch so müde, dass ich dringend schon wieder ein Nickerchen machen müsste. Bei dem April-Wetter jetzt Anfang Mai ist das nicht so ganz einfach. Draußen platschen ständig Regentropfen auf den Körper, wenn man gerade glaubt, ein Stündchen Sonne sicher zu haben. Kommt eine Wolke angeflogen, erweist sie sich auch gleich als inkontinent. So schreibe ich jetzt mal ein bisschen am Computer. Würde gerne surfen, aber das mit dem Internet (free WiFi) funktioniert nicht. Vielleicht liegt es an meiner Windows-Version, vielleicht an irgendwelchen Antiviren-Programmen, keine Ahnung, die Rezeptions-Dame konnte leider auch nicht weiterhelfen. So müssen wir mal erst das Internet (ein Bildschirm) im Rezeptionsbereich nutzen. 2 Euro für 30 Minuten. Viele Restaurants bieten auch free WiFi an, aber ich habe noch nicht getestet, ob es dort funktioniert. Ja, es funktioniert. Zum Beispiel im „Café do mar“, Praia da Batata, hoch über der wunderschönen Felsenküste. Essen und Trinken ist hier zwar etwas teurer, aber die Aussicht ist fabelhaft. Man sitzt in der Sonne, trinkt Vinho Verde und surft im Internet. Allerdings waren wir nach einer halben Stunde schon wieder so durchgefroren, wie ein Affe in der Schweinehaut, wie ich früher als Kind einmal zu sagen pflegte. Der kalte Wind fegt da oben ganz gehörig. Als ich neulich einem Geschäftsmann mein Leid mit dem kalten Wind klagte, meinte er: „Welcher Wind? Vielleicht sind Sie es, die diesen Wind macht?“ Natürlich Unterhaltung auf Englisch. Aber ich fand das gut. Den Mann auch. Heute zweiter WiFi-Versuch im Bora-Café in der Fußgänger-Zone der Altstadt. Straße: Rua Conselheiro Joaquim. Leider scheint in dieses Café nie ein Sonnenstrahl, weshalb man bei den diesjährigen Anfang-Mai-Temperaturen auch dort schnell eine Gänsehaut bekommt. Ich bestellte einen Salat mit Ziegenkäse, Michael einen Käse-Schinken-Toast. Der Salat war phantastisch. Schön dekoriert, mit vielen kleinen Überraschungen. Ein kleiner Klecks Marmelade, in Knoblauch-Öl eingelegten Oliven, Gurken, Tomaten, Kirsch-Tomaten, ein frischer Minze-Zweig, Ruccola.... Einfach köstlich. Jeden Tag gibt es im Café den Saft des Tages. Heute war es Orangensaft. Neulich Erdbeersaft. Jedes Glas für 1,50 Euro. Da kann man nicht meckern. Und das Internet (ohne Zugangscode) funktioniert dort auch. Kurz bevor wir wieder gingen – wieder durchgefroren, kam der nette Geschäftsmann mit Freunden oder Familie. Wir scherzten nochmal über Wind und Kälte und zogen dann los, um für Michael noch ein bisschen Nerven-Nahrung zu kaufen. Zwei Teilchen, die undefinierbar schmeckten, wie er sagte. Nun, ja.
Übrigens waren wir gestern endlich am Fischereihafen und haben uns dort zu Mittag in einer Snack-Bar (Traquinas Café) niedergelassen. Riesige Portionen gab es dort. Prato do dia (Tagesgericht) für 6 Euro. Schweinefleisch mit Kartoffeln, eine ganze Platte voll. Michael schaffte nicht einmal die Hälfte. Nun, kein Wunder, wenn man vier Schnitten Brot zum Frühstück hatte. Ich bestellte gegrillte Sardinen, 6 Stück, so lang wie zwei aneinandergereihte Mittelfinger und so dick, wie Mittel- und Zeigefinger zusammen wurden zusammen mit einer Platte Pellkartoffeln (mit Pelle, die mein Herzallerliebster natürlich erstmal abzog) und einem Salatteller serviert. Lecker! Gesamtpreis incl. einem halben Liter Wasser: 15,30 Euro. Zum nur noch wenige hundert Meter entfernten Strand gingen wir nicht mehr. Horden Jugendlicher hatten wir zuvor in die Richtung ziehen sehen, darauf hatten wir gerade wenig Lust. Außerdem war es irgendwie zu kalt für Strand, wo doch der Wind immer noch ein wenig heftiger weht. In windstillen Winkeln kann es bei Sonnenschein wirklich so warm werden, dass die Fettpolster dahin schmelzen, aber ansonsten herrscht doch viel Gänsehaut vor.
Jeden ersten Samstag im Monat findet im Norden von Lagos (Richtung Zoo, ungefähr auf Höhe des Yachthafen-Endes) ein Zigeunermarkt statt. Den suchten wir natürlich auf. Man muss schon relativ früh da sein, denn die ersten bauen ihre Stände gegen 13 Uhr bereits wieder ab. Doch ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Kleidung, Uhren, Tücher, Taschen – eben das übliche Marktangebot. Viele Waren sind mit Preisen ausgezeichnet, bei manchen Händlern ist aber immer noch Handeln angesagt. Michael hat sich eine neue Armbanduhr zugelegt, 10 Euro, ich mir auch (in Form eines Fingerringes), 5 Euro. Schuhe hätte ich natürlich auch kaufen wollen, aber ich hatte doch schon auf der Hinreise so viele Paare im Koffer. Wie sollte ich noch mehr zurück nach Deutschland befördern, ohne Übergepäck-Zuschlag zahlen zu müssen? Mehr haben wir jedenfalls nicht gekauft. Dafür sahen unsere Schuhe danach aus, als wären wir durch den Dschungel gewandert. Durch die häufigen Regenfälle in den letzten Tagen, war der Boden des Marktplatzes ziemlich verschlammt. Was richtig faszinierend war, waren die vielen Storchenpaare in diesem Bereich von Lagos, wo auch eine Flusslandschaft beginnt, durch die sogar Bootstouren angeboten werden. Zwei alte Fabrikschornsteine auf einem Trümmergrundstück waren allein von drei Paaren besetzt. Aber auch auf den Dächern der umliegenden Häuser: Überall brütende Störche. Ihnen beim fast schwerelos erscheinenden Flug zuzuschauen, war großartig. Ich habe versucht, Fotos zu machen, vermute aber, dass die nicht gut geworden sind, weil die Tiere einfach zu weit entfernt waren. Ist ja auch egal, Hauptsache das Bild ist im Herzen bewahrt.
In der Snack Bar Abrigo, auch in der Fußgänger-Zone in Lagos Altstadt, entdeckten wir ein Fleckchen Sonne. Nichts wie hin. Doch das Essen dort war kein Genuss. Der Wind war so kalt, dass wir völlig verkrampft da saßen. Das hätten wir nicht gedacht. Oder sind wir solche Mimöschen? Am Nachbartisch saßen junge Engländer in kurzen Hosen und tranken ein großes kaltes Bier nach dem anderen. Brrr. Unsere Hähnchenflügel für 5,45 Euro schmeckten gut, die Pommes dazu auch, aber wenn man friert, macht Essen draußen einfach keinen Spaß. Der Cappuccino für 2,85 Euro mit Sprühsahne war viel zu teuer für die Qualität. Den bekommt man vielerorts viel besser und preiswerter. Übrigens ist ein Galao eine gute, viel günstigere Alternative. Ein Milchkaffee eben. Kein Milchschaum, aber meist rund einen Euro billiger.
Einen Nachteil hat die Ferienanlage ja. Es gibt so viel Grün, so viel schöne Pflanzen, aber eben auch viel Rasen. Und Rasen muss gemäht werden. Und Motor-Rasenmäher sind sehr laut. So brummen diese Dinger teilweise von morgens bis abends und man findet keine Ruhe. Um nicht auszuflippen, schnappt man sich dann am besten den Rucksack und den Ehemann und macht sich auf zur nächsten schönen Strandbar oder in die Altstadt. Da ist es zwar auch laut, aber anders. In der Stadt lärmen die Menschen. Nicht wie der gemäßigte Germane immer im gedämpften Ton sich unterhaltend, brüllen die Südeuropäer ihre Grüße und Fragen quer durch die Straßen der Altstadt zu dem Empfänger, der manchmal hundert Meter entfernt steht. Sie lachen und scherzen lauthals und zeigen dabei ihre meist sehr fehlerhaften Gebisse. Küssen möchte man sie nicht gerade, aber irgendwie sind sie liebenswert in ihrer Art. Auch am Strand ist es nicht ruhig. Keine Ahnung, wieviel Dezibel das Wellenrauschen produziert. Aber man sagt ja, dass Schauspieler hier am besten das Sprechen lernen, wenn sie gegen den Lärm der Brandung ihre Rolle aufsagen. Heute waren wir nochmal am Porto de Mós-Strand. Der ist schön, schön wild. Nicht sehr lang, aber irgendwie attraktiv. Auch nicht zu viele Gäste hier. Zwei Restaurants haben sich an diesem Ort, der von Ferienanlagen umgeben ist, die architektonisch sehr gut in die Landschaft eingefügt wurden, niedergelassen. Wir waren jetzt zum zweiten Mal im CampiMar. Die 4-Euro-Cocktails haben es in sich. Nicht wie zu happy-hour-Zeiten in Deutschland, sondern richtig viel Alkohol steckt darin. Erdbeerdaiquiri und Pina Colada habe ich schon probiert. Schon nach den ersten zwei Schlucken könnte ich mich wegschmeißen. Nur ein paar Stufen hinab zum Sandstrand, mich dort bäuchlings fallen lassen. Michael fragt: „Na, willst Du Dich mal wieder im Sand kugeln?“ Ja, rumkugeln am Strand, danach steht einem der Sinn nach so einem Cocktail. Albern kichern und rumkugeln.
Als wir zurück zum Ferienhaus kamen, war der Käfer, ein Verwandter des Maikäfers, von gestern wieder da. Scheint sich auf unserer Terrasse wohl zu fühlen. Gestern setzte ich ihn doch noch in ein Blumenbeet, heute schlich er schon wieder über die kahlen Terrassenplatten. Was findet der bloß daran? Jetzt habe ich ihn erstmal fotografiert. Hat er davon. Ein hübsches Exemplar, so lange er nicht an mir langkrabbelt oder mich gar anfliegt. Hatte ich beim Fotografieren schon befürchtet.
Drei Ansichtskarten habe ich in diesem Jahr geschrieben. Es werden immer weniger. Ich erinnere mich noch an Zeiten, an denen es mehr als zehn waren. Das Internet-Zeitalter und die Möglichkeit zu mailen, verändert Vieles. Doch RiRo und Brüggis sowie Stephan & Ingrid sollen Grüße erhalten. Die vergessen uns schließlich auch nie. Doch wohin mit den Karten? Auf dem Hinweg ruhten sie zunächst vergessen in meiner Hosentasche. Auf dem Rückweg haben wir intensiv geschaut, aber keinen einzigen Briefkasten gefunden. Morgen wird ein neuer Versuch gestartet.
Zum Internetten sind wir heute in das Holländische Restaurant „Duquesa“ in der Altstadt gegangen. Dort ist es für die Gäste gratis. Ich bestellte einen Pfannkuchen in der Hoffnung, einen solchen zu erhalten, wie ich ihn aus Holland kenne. Irrtum. Ein kleiner Teigfladen ohne Schnick-Schnack wurde serviert. Michaels Hähnchenbrust-Salat war auch sehr überschaubar. Die Qualität zwar sehr ordentlich, aber von der Quantität und der Aufmachung her, hatten wir schon bessere Erfahrungen machen dürfen. Die Bedienung allerdings sehr nett!
Ein neuer Tag, wieder nur eine gerade so lächelnde Sonne, aber einige Grade wärmer. Lange klüngelten wir auf der Dachterrasse herum. Ein bisschen lesen, ein bisschen dösen. Schließlich nervte heute jedoch nicht mehr der Rasenmäher sondern der Trimmer, natürlich auch motorbetrieben, mit dem jeder Baum in der Anlage von Gras befreit wurde, das der Mäher gestern nicht erwischt hatte. Mal sehen, mit welchem Gartengerät die Heinzelmännchen morgen noch einen draufsetzen wollen. Wir zogen jedenfalls an den Strand. Wieder Porto-de-Mos. Und wieder das Campimar, wo wir es uns richtig gut gehen ließen. Cocktail, Kuchen, Spaghetti, Schmor-Hähnchen... Die Kellner kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Und die Rechnung zum Schluss konnten wir sogar auch noch bezahlen. Weil es da so lange so schön war, bekamen wir dann kein Brot mehr im Supermarkt. Jetzt liegen da so blöde Milchbrötchen. Hmm, da esse ich lieber das Hasenbrot vom Wochenende. Stecke es in den Toaster, dann wird es wieder genießbar. Essen ist überhaupt eines der Hauptbeschäftigungen für uns hier. Der Grill-Imbiss direkt hinter der Stadtmauer, der Piri-Piri-Hähnchen anbietet, zum Beispiel. Sieht man die, sehen sie flach wie Flundern aus, aber sie schmecken wirklich ganz ausgezeichnet, gut gewürzt. Von Piri-Piri spüre ich allerdings nichts. Wir genossen eines auf der Dachterrasse unseres Ferienhauses, während die Sonne langsam hinter den Dächern versank. Sehr schön. Oder das Tapas-Restaurant vor der Kirche in der Altstadt, das auch zig verschiedene Muschel-Variationen anbietet. Die 6-Euro-Portion reicht für den kleinen Appetit am Mittag. Sehr zuvorkommendes Personal. Und all die Cafés, die kleine Häppchen für Zwischendurch anbieten. Bei den meisten kann man übrigens Free-Internet nutzen. Was will man mehr?
Außerdem ist die Stadt nicht nur voller Souvenirläden, die den üblichen Kitsch für den Durchschnitts-Touristen anbieten, sondern sehr viele haben sehr geschmackvolles Kunstgewerbe im Angebot. Auch einige Kunst-Galerien gibt es, bei denen wirklich gute Gemälde anzuschauen oder zu erwerben sind. Klamotten – so viel wie das Herz begehrt. Die meisten von wirklich guter Qualität, für mich dann auch zu teuer. Aber heute entdeckte ich einen asiatischen Klamotten-Laden, bei dem ich mir gleich ein enges Röckchen und eine bunte Bluse im Hippie-Stil (wie ich sie schon mit 12 oder so hatte) gekauft. Jedes Teil 8 Euro. Da muss man doch zuschlagen, oder? Schade, dass das Koffer-Gewicht auch beim Rückflug begrenzt ist. Und der steht leider schon direkt vor der Tür. Schade. Doch wir kommen sicher wieder, liebe Algarve, Du wunderschöner Ort Lagos!

Mit dem Auto nach Meran - September 2010

In der Generation der 1940er bis 1960er Jahrgänge hat nahezu jeder wohl in seiner Jugend eine Urlaubsfahrt mit Eltern oder Großeltern nach Südtirol unternommen. So war es auch bei mir. Ich habe eigentlich keine konkrete Erinnerung mehr an Orte, wo wir waren, nur eine Erinnerung an eine schöne Zeit. Und Erinnerung an meinen Opa, der mit mir über Weinreben hinweg unter vorgetäuschter Lebensgefahr Sesselbahn gefahren ist. Auf die Spuren dieser Erinnerungen wollte ich mich nun begeben, zumal auch noch eine Bekannte von ihrem schönen Urlaub in Südtirol schwärmte und mir quasi als Lockvogel eine CD mit den dabei von ihr geschossenen Fotos in den Briefkasten warf. Jetzt musste ich nur noch meinen Mann überreden – was mir eigentlich fast immer gelingt. Eigentlich sollte es nach Bozen gehen, weil mir das ein bisschen Italienischer erschien als die übrigen Orte in Südtirol und groß genug, um mich in sieben Tagen Urlaub nicht zu langweilen. Doch in Bozen fand ich keine zu meinem Portemonnaie passende Unterkunft. Also wich ich auf Meran aus. Da ich selbst kürzlich erst Eigentümerin eines Ferienhauses geworden bin, wollte ich gerne gucken, wie andere das so machen und suchte für uns eine Ferienwohnung. Für 450 Euro die Woche wurde ich zentrumsnah fündig. Nach den üblichen Startschwierigkeiten in den Urlaub – (eigentlich will ich gar nicht weg, was soll ich da, zu Hause ist es doch viel schöner, die armen Katzen...) - machte auch die Wettervorhersage wenig Lust auf eine Reise nach Südtirol. Aber wer storniert schon einen Urlaub, den er schon bezahlt hat? Schnell waren ein paar Jeans, Pullover, Shirts im Koffer – und dann ging es los. Das Navi wurde programmiert, zur Sicherheit druckten wir noch einen Routenplan aus. Auf die Technik kann man sich doch nie so ganz verlassen. Dass das sehr weise war, bewies sich schließlich in Österreich. Im Ort Imst fand sich selbst das Navi nicht mehr zurecht und führte uns dann - entgegen unseren Wünschen - nicht über den Reschenpass. Wir wurden über Innsbruck und die Brennerautobahn geleitet und zahlten noch einmal 8 Euro Maut für diese private Autobahn, obwohl wir doch schon die zehn-Tage-Vignette für Österreich gekauft hatten. Sehr ärgerlich! Jetzt hätte uns kein noch so netter Österreicher mehr für sich einnehmen können. Nun steuerten wir also über den Jaufenpass Richtung Meran. 2.094 Meter. Ich muss zugeben, wir sind überhaupt keine erfahrenen Auto-Urlauber. Waren sonst immer im Flieger, per Bahn oder Bus unterwegs. Im Auto maximal bis zur holländischen Küste. Welche abenteuerliche Tour uns bevorstand, davon hatten wir nicht den blassesten Schimmer. Gut, an der Straße, die zum Pass hochführte, stand ein Schild: „Pass geöffnet“, aber dabei dachten wir uns eigentlich wenig. Und dann ging es hoch. In unendlich vielen Haarnadel-Kurven höher und höher. Die Strecke schien überhaupt kein Ende nehmen zu wollen und der Berg nie seinen Gipfel zu zeigen. Die Vegetation wurde immer karger und schließlich tauchten die ersten Schnee-Flecken auf. Oh – schau nur. Hier hat es wohl schon geschneit. Und immer noch höher. Schatz, hast Du eigentlich Winterreifen drauf? Nein? Ah. Hoffentlich hält sich das sonnige Wetter. Und hoffentlich sind wir jetzt endlich bald am höchsten Punkt. Also ehrlich. Uns wurde schon ziemlich mulmig. Aber selbst ganz oben immer noch Hotels und Jausen-Hütten. Und viel Schnee. Auf dem höchsten Punkt, den wir eigentlich gerne schnell hinter uns gebracht hätten, ließen wir es uns trotzdem nicht nehmen, ein paar Beweis-Photos zu schießen. Das glaubt einem ja sonst keiner. Und diese Aussicht - umwerfend! Dafür hatten sich die 8 Euro Brennerautobahn gelohnt. Aller Ärger war wie ausgelöscht. Wenn wir jetzt noch wieder heil herunterkommen würden, dann war das einfach ein tolles Erlebnis, ein super Einstieg in den Urlaub. Na, ja. Ein paar Motorradfahrer, ein Linienbus und einige verrückte italienische Autofahrer ließen bei der Abfahrt schon ab und zu das Herz ein bisschen schneller schlagen. Aber irgendwann hatten wir tatsächlich Meran erreicht. Das Navi, das wir inzwischen „Rudi“ getauft hatten, hatte sich auch wieder berappelt und führt uns schnurstracks zu unserem Quartier. Keine Ferienwohnung, nur ein Ferienzimmer mit Schrankküche. Aber schön zentral gelegen und sauber. Die Rezeptionistin sehr charmant. Das Größte: Wir können ausschlafen die nächsten Tage. Keine Hotel-Frühstückszeiten, die selbst in den Ferien Stress machen. Keine Putzfrauen, die stören, wenn man sich mal ein bisschen intim im Zimmer zurückziehen möchte. Wir packten alles aus und zogen los, um die Stadt zu erkunden. Herrlich. Keine Spur von dem angekündigten Regen, noch relativ milde Temperaturen. In der Altstadt die Laubengasse. Auf beiden Seiten Geschäfte und Restaurants unter Arkaden – ideal also selbst für verregnete Urlaubstage. Wir waren hungrig und lasen jede Speisekarte. Man, da kann Koblenz aber noch zulegen. Kein Gericht, außer Pizza und Pasta unter zehn Euro. Pizza und Pasta bietet dafür eigentlich jedes Restaurant an. Je nach Belag zwischen fünf und zehn Euro. In einem Restaurant entdeckten wir noch Käsefondue für zwei Personen für zwanzig Euro. Nun, gut. Das können wir auch einmal ins Auge fassen. Ansonsten wird unsere Ernährung in den nächsten Tagen wohl etwas einseitig sein. Aber egal. Wer denkt an Essen, wenn er durch eine solch herrliche Stadt schlendert? Für den ersten Tag reichte es uns sowieso. Wir hatten beide keinen Appetit vor lauter Müdigkeit. Die Klappcouch wurde schnell zum Bett – zu einem sehr bequemen übrigens. Ohrstöpsel gegen eventuelle Schuhklapper-, Fernseh- oder Schnarchgeräusche lagen bereit, aber ich war so schnell eingeschlafen, dass die gar keine Verwendung mehr fanden. Am nächsten Morgen dann das größte Geschenk. Blick auf schneebedeckte Berggipfel (über die wir ja einen Tag zuvor erst gefahren waren). Darüber strahlend blauer Himmel und Sonnenschein. Ich ging Brötchen holen, kannte mich ja nun schon aus in Meran. Beide Bäcker, bei denen wir am Vorabend in den Auslagen lesen konnten, dass sie auch am Sonntag geöffnet hätten, waren natürlich geschlossen. Ha, macht doch nichts. Laufe ich eben noch weiter. Und siehe da, nach der nächsten Kreuzung wurde ich fündig. Zwei italienisch sprechende ältere Herren wählten gerade für die Herzdamen die Frühstücks-Brötchen nach Aspekten der Magengesundheit aus, beflirteten mich, so wie es sich für einen ordentlichen Italiener gehört und überließen mir dann die Verkaufstheke. Ist es nicht phantastisch, in einem Land zu urlauben, in dem überall (wenn der Gesprächspartner dazu bereit ist) sowohl Italienisch als auch Deutsch gesprochen wird? Alle Schilder sind zweisprachig aufgestellt. Und jeder versteht einen – fast. Österreichisches Deutsch ist auch nicht immer gut verständlich, aber man gewöhnt sich dran. Mit einer fetten Tüte Brötchen unterm Arm marschierte ich zurück, grüßte unterwegs schon die ersten Bekannten auf dem Platz vor dem Polizeirevier (unsere Residenz-Vermieterin) und nahm am gedeckten Frühstückstisch Platz. Noch ein bisschen Zeitung lesen mit Informationen aus der Heimat. Aber interessieren tut das hier eigentlich kaum noch. Wer will schon wissen, wer im Café Hahn am Abend auftritt, wie weit die Bauarbeiten am Zentralplatz sind oder welcher Politiker seinen Senf zu welcher städtischen Angelegenheit abgegeben hat? Ich will jetzt los, Stadt bei Tageslicht – bei Sonnenschein (gut, dass sich Wetterfrösche auch mal positiv irren) ansehen. Erstmal ein Internet-Café suchen. Zwei soll es ja geben in Meran. Und eine Woche ohne Internet geht gar nicht. Das erste fanden wir auch ziemlich gut. Nur, dass es dort schon seit über einem Jahr kein Internet mehr gibt. Typisch. Aktuell sind die Reiseführer ja selten. Das zweite in der Laubengasse war noch in Betrieb. Weil die Italiener sich aber schrecklich vor Terroristen fürchten, kann man das Internet in öffentlichen Einrichtungen nur nutzen, wenn man sich mit einem Personal-Ausweis dort zuvor registriert. Danach funktionierte alles und wir erhielten zum Abschied vom Inhaber gleich noch einen guten Tipp für einen Ausflug zu einem Weingut in der Nähe von Meran. Wir wollten uns aber erst einmal im Ort selbst umschauen, die beliebtesten Spazierwege entlang der Passer, dem durch Meran rauschenden Fluss, der in die Etsch mündet, erlaufen. Sommerpromenade (ein schattiger Weg, der daher besonders im Sommer gerne gewählt wird) und Winterpromenade. Hier scheint die Sonne auch Ende September noch bis nach 16 Uhr und ich liege erst einmal – völlig entgegen meiner sonst so rücksichtsvollen Gesinnung – der Länge nach auf einer der dort aufgestellten Ruhebänke, den Kopf im Schoß des Liebsten. Kunstvoll gelingt es mir, das Unterhemd unter dem Pullover auszuziehen (Mr. Bean hätte seine Freude an mir gehabt und einige der vorbeiziehenden Passanten hatten sie ganz offensichtlich). Ich ziehe Schuhe und Strümpfe aus und gebe mich den wärmenden Strahlen der Sonne hin. Später flanieren wir die Promenade entlang, vorbei an zahllosen Cafés und Eisdielen, Souvenir-, Zeitungs- und Lederwarengeschäften. Hier steht auch das Kurhaus. Das Auge erfreut sich an phantastisch schönen Pflanzanlagen und der kleine Hunger an Buden, wo man Würstchen, Eis oder Getränke kaufen kann. Und – oh, ja. Es gibt frischen Traubensaft. Ich hatte die Hoffnung, es gäbe auch so etwas wie Federweißer hier. Aber Traubensaft ist auch gut. Und dazu: Frische Kastanien. Stand wenigstens dran, gab es aber nicht. „Aber ganz bestimmt übermorgen“. Den Spruch haben die Italiener auch schon seit vierzig Jahren drauf. (Übermorgen gab es sie tatsächlich. Allerdings so sündhaft teuer, dass ich dann lieber die Angebote auf dem Koblenzer Weihnachtsmarkt annehmen werde). Dafür war die Eisdiele eine wirklich angenehme Überraschung. Neunzig Cent pro Kugel, und der Eisverkäufer war wahrscheinlich ein Stotterer. Aus zwei bestellten wurden vier gelieferte Kugeln. Zum Preis von 1,80 Euro. Das ist doch in Ordnung. Und die Qualität war große Klasse. Machen wir morgen wieder, wenn die Sonne scheint. Und: Wir gehen morgen in die Therme mit über zwanzig Schwimmbecken – eine sehr moderne, sehr gepflegte Anlage. Im warmen Wasser entspannen, das will ich unbedingt. Oder sollen wir doch lieber mit der Sesselbahn zum Dorf Tyrol hochfahren, wo sich Cafés und Restaurants aneinanderreihen, wo man mit Kaiserschmarrn und Käseomelett ein bisschen Hüftgold erkaufen kann? Ach, nach Bozen würde ich auch gerne. Wenigstens mal gucken. Zug fährt ja alle Augenblicke dort hin. Bus auch. Und auf keinen Fall dürfen wir den riesigen Botanischen Garten am Schloss Trauttmannsdorff auslassen. Der „Verbotene Garten“ darin macht mich natürlich besonders neugierig, wie alles, was verboten ist. Ein Museum (falls es doch mal regnen sollte) mit viel „Anfassen und Ausprobieren erlaubt“ lässt sich dort auch noch besuchen. Ob wir doch noch eine Woche dran hängen sollen?
Mal sehen, was der nächste Tag bringt. Jetzt erstmal zum Abendessen gehen. Mein Mann hat gottseidank einen Laden – leider ohne jegliche Atmosphäre - gefunden, der Hähnchen anbietet. Für 6,50 Euro. Ich entscheide mich für eine Gorgonzola-Pizza mit köstlich dünnem Boden und Maiskörnern. Sehr lecker. Der Tafelwein war für fünf Euro (halber Liter) sehr gut trinkbar. Und zum Schluss hatten wir neue Freunde gewonnen. Es gab Sambuca und Averna auf Kosten des Hauses und mein Mann durfte die Freundin des Hauses herzen. Augen und Beine waren so schwer, dass wir schon um kurz nach zwanzig Uhr völlig erschöpft in unserem Ferienzimmer landeten. Bett ausklappen, Fernseher an und ahhh – herrlich. Entspannen.
An den nächsten Urlaubstagen haben wir das meiste von dem umgesetzt, was wir angedacht hatten. Vor allem haben wir uns viel Zeit fürs Nichtstun, für Leutegucken und Bummeln gegönnt. Und irgendwann, plötzlich und viel zu schnell, hieß es dann schon wieder: Packen, Rudi einschalten und die Nachhausefahrt antreten.