Ein
vierköpfiges Team des Forstamtes Lahnstein steht am frühen Morgen
bereit, als ich zu der für mich sehr unwirtlichen Zeit am Forstamt ankomme. Gemeinsam warten wir auf die ersten Besucher des Tages. Die 15-köpfige
„Fuchs“-Gruppe der KiTa St. Barbara ist mit ihren Erzieherinnen
hergekommen, um den „Stromerwald“ zu erkunden, der um das
Forstamt herum angelegt ist. Hier von „Wald“ zu sprechen, ist
eigentlich übertrieben, denn das parallel zur Lahn gelegene,
naturbelassene Gelände macht mit vereinzelten Bäumen und Sträuchern
auf mich einen eher parkähnlichen Eindruck. Ich erfahre, dass „Stromerwald Lahnstein“ ein Gemeinschaftsprojekt von Stadt Lahnstein und Landesforsten ist, das
gerade sein zehnjähriges erfolgreiches Bestehen feiern konnte.
„Stromerwald“ heißt es wegen der Nähe zum Strom (die Lahn) und
weil sich das große Forstamts-Grundstück zum Stromern geradezu
anbietet. Dazu lädt das Forstamt Lahnstein alle Kinder vom
Vorschulalter bis zu den ersten beiden Grundschuljahren unter
pädagogischer Betreuung ein. Glücklich die Erwachsenen, die sie begleiten dürfen! Mit allen Sinnen sollen die Kinder den
„Stromerwald“ erfahren, die Natur spielerisch und emotional
entdecken. Außer auf Pirschpfad und Kletterbaum können weitere
Abenteuer zum Beispiel auf Barfußpfad und Piratenschiff bestanden
werden. Das vom Forstamt erbrachte Waldpädagogik-Gesamtpaket
„Stromerwald“ und „Schulwald“ (im Staatswald des Forstamtes
angelegt) haben bislang mehr als 10.000 Kinder und Jugendliche
angenommen. Höhepunkt sind immer wieder die für die 3.
Grundschulklassen veranstalteten Waldjugendspiele.
Im
„Stromerwald“ wird sich heute die „Fuchs“-Gruppe beim
Baumklettern ins Zeug legen und auf den Pirschpfad begeben. Zu Beginn
bittet Dieter Bielicki, Produktleiter Umweltbildung am Forstamt,
Kinder und Erwachsene, sich für das Begrüßungsritual an den Händen
haltend im Kreis aufzustellen. Ich bin Teil des Kreises und spüre, wie sich die kleinen Händchen vertrauensvoll in meine legen und bin ganz gerührt. Jetzt wird die Gruppe aufgeteilt in
Kletterer und Pirscher. Nach jeweils bestandenem Abenteuer sollen die
Rollen getauscht werden. Am liebsten möchten alle, ob vier oder
sechs Jahre alt, als erstes klettern, denn das erscheint besonders
spannend. Mich fragt leider niemand, ob ich auch mal klettern möchte. Bestimmt hundert Meter hoch sei der Baum, meint eines der
Kinder. Victoria Mayer, die sich derzeit in Ausbildung zur
zertifizierten Waldpädagogin befindet, legt den ersten Kindern die
Klettergeschirre an, während Bielicki am Sicherungsseil schon den so
vorbereiteten kleinen Zidan empfängt. Er setzt ihm einen Schutzhelm
auf und demonstriert dem Jungen, indem er ihn frei am Seil schwingen
lässt, wie sicher er aufgehoben ist. Jetzt wagt sich der Junge an
den Aufstieg. Schafft er es, den bis zur Umlenkrolle abgeasteten Baum
zu erklimmen, hat er eine Höhe von rund zehn Metern erreicht. Aber
schon nach wenigen Schritten baumaufwärts verlässt Zidan der Mut.
Unten wartet ungeduldig sein zwei Jahre älterer Bruder Zino auf
seinen Einsatz. Mit Bielickis Ratschlägen, wie es am besten
hochgeht, spurtet der Junge hinauf. Seine Kindergartenfreunde sitzen
unten auf den vor dem Baum halbkreisförmig angeordneten
Birkenholzblöcken und feuern ihn an. Zino lacht vor Freude, als er
merkt, dass er schon hoch über dem Kopf des Försters ist. So viel
Eifer zu erleben, das macht natürlich auch Bielicki Spaß. Nach und
nach kommt nun jedes Kind mit Klettern an die Reihe. Eines aus der
Gruppe traut sich tatsächlich bis zur Zehn-Meter-Marke hoch.
Während
hier noch geklettert wird, erhält die zweite Gruppe Kinder durch den
staatlich zertifizierten Waldpädagogen Willi Bausch-Weis eine
Einführung in die Kunst des Pirschens, damit kein knackendes Ästchen
die Tiere des Waldes aufschreckt. Welche Tiere sind es, die im Wald
leben? Um das zu erklären, hat das Forstamt-Team viele kleine und
große Tiere - leider nur aus Holz gestaltete, zweidimensionale Attrappen - auf
dem Pfad versteckt, auf dem Boden oder an den Bäumen. Sind sie
entdeckt worden, sollen die Kinder sie bestimmen und die typischen
Verhaltensweisen/Merkmale nennen. Schon rufen die ersten: „Ein
Eichhörnchen!“ und zeigen auf die am Baumstamm haftende Figur. Erstaunlich, wie gut sich die Kinder mit den Waldtieren auskennen – offenbar Kindergarten sei Dank. Die katholische
Kindertagesstätte St. Barbara legt Wert darauf, den ihnen
anvertrauten Kleinen in allen vier Gruppen auch Inhalte aus dem
Natur- und Umweltbildungsbereich zu vermitteln, sagt Ingrid
Bernardy-Edelmann, eine der Erzieherinnen. Für den Eichelhäher
brauchen die Kinder noch ein wenig Nachhilfe. Ich hätte ihn vermutlich gar nicht erkannt. Bausch-Weis erklärt,
und das ist auch für mich neu, dass der Vogel ein Freund des Försters ist, weil er Eicheln
vergräbt, wodurch neue Eichen im Wald heranwachsen.
Beim Fuchs kann
der „Fuchs-Gruppe“ der KiTa natürlich niemand mehr etwas
vormachen. Den kennen sie richtig gut. Den Restmüll durchsuchenden
Marder halten sie erst einmal für einen Biber, aber den klopfenden
Specht kennen sie wieder alle. Auf dem Pfad weiter vorangehend kommen
sie noch an Wolf, Reh, Hase, Storch und etlichen anderen Tieren
vorüber. Der Wolf gleicht eher einem Wildschwein, aber das ist ja jetzt egal. Die kleine Anne entdeckt sogar einen Uhu hoch oben am
Baumstamm. Der Kuckuck dagegen war etwas schwer zu erkennen - da hat
der Tiermaler seiner Kreativität schon wieder zu viel freien Lauf
gelassen. Aber den Igel im Laubhaufen, den kann man nicht
verwechseln. Dass die kleinen stacheligen Tiere nur hier und jetzt
gestört werden dürfen, lernt die „Fuchs-Gruppe“ ebenso wie von der
Gefahr, die mit Martins- und Osterfeuern für die Igel und andere
Kleintiere einhergeht. Mit viel Geduld und hervorragend auf die
Kinder eingehend gibt Bausch-Weis tierisch guten „Unterricht“
inmitten der Natur, die obenauf einen grandiosen Blick auf Burg
Lahneck gewährt.
Doch das sehen nur wir Erwachsenen. Die Kinder haben dafür kein Auge. Schön anzusehen ist auch das Forstamtsgebäude, ein
weißes, langgezogenes Haus mit roten Klappläden und Schieferdach.
Es handelt sich dabei um den als Kulturdenkmal ausgewiesenen
Arnsteiner Hof, ein ehemaliges Kloster (erstmals erwähnt im 12.
Jahrhundert), das bereits im Jahr 1869 zum Dienstsitz des damaligen
Oberförsters umgebaut wurde.
Während ich mich noch in die Geschichte hineinversetze, stürmen die Kinder zur
Abenteuer-Halbzeit in das Haus, um sich bei einer vom Forstamt
angebotenen kleinen Zwischenmahlzeit für den zweiten Teil des
Naturerlebnis-Tages zu stärken. Für mich gab es leider keine Stärkung. Musste dann zu Hause das Frühstück nachholen.
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