Freitag, 11. Dezember 2015

Burg Lahneck - ein schönes Ausflugsziel mit spannender Geschichte

Burg Lahneck, 164 Meter ü.NN. auf einem steilen Felssporn errichtet, gilt als Wahrzeichen der Stadt Lahnstein. 


Um so betrüblicher war es, dass die neunköpfige Erbengemeinschaft sie in diesem Jahr viele Monate lang nicht für Besucher öffnete - zum ersten Mal seit mehr als achtzig Jahren. Seit Robert Mischke, Vizeadmiral der kaiserlichen Marine die Burg im Jahr 1909 erwarb, ist sie im Besitz der Familie. Im September 2015 wurde der Führungsbetrieb erfreulicherweise wieder aufgenommen und wird ab Ostern 2016 seinen gewohnten Gang nehmen. Einer der rund zehn Burgführer ist Stefan Nürnberger. 


Nach einer Einführung durch erfahrene Burgführer-Kollegen und mit viel „learning by doing“ ist er, wie er mir erzählt, nach neun Jahren in diesem „Job“ mit einem Rundum-Wissen über die Burg und ihre Geschichte ausgestattet. Bevor die Burg sich von November bis März in den Winterschlaf begibt, zeigt er mir bei einem informativen Rundgang noch einmal Burgküche, Burgkapelle, Rittersaal, Ausstellungsräume und Bergfried. Statt allzu vieler Jahreszahlen lerne ich von ihm mehr über die Besonderheiten der Räume und von mancher der vielen im Mittelalter entstandenen Redensarten. Doch ganz ohne Jahreszahlen lässt er mich nicht davonkommen. Wann genau die Burg erbaut wurde, ist nicht erwiesen, aber es gibt Anhaltspunkte, dass es schon um 1226 geschah. Sie diente als Schutzburg für die umliegenden, im Besitz des Mainzer Erzbischofs und Kurfürsten Siegfried von Eppstein befindlichen Gebiete. Nach Verwüstungen, die die Burg im 30-jährigen Krieg (wahrscheinlich im Dezember 1936) durch schwedische Truppen erfahren musste, und nachdem die letzten noch stehenden Dächer von französischen Truppen 1688 im Pfälzischen Erbfolgekrieg in Brand geschossen wurden, war sie nur noch eine Ruine und diente als Steinbruch. Erst mit dem Jahr 1803 begann eine neue Ära. Im Zuge der Säkularisation des Erzbistums Mainz ging die Burg an das Herzogtum Nassau über. Somit wurde aus Kirchenbesitz Privatbesitz. Mitte des 19. Jahrhunderts erwarb der schottische Eisenbahnunternehmer Edward A. Moriarty die Ruine von der Familie Lassaulx und begann, die Burg im Stile der englischen Neugotik wieder aufzubauen. Die Arbeiten wurden von seinem Nachfolger Gustav Göde abgeschlossen. Die nachfolgenden Besitzer gestalteten die Anlage durch verschiedene Um- und Aufbauten immer wieder um. Der einstige Wehrbau verwandelte sich in eine Wohnburg, in der in Teilbereichen sogar bis vor wenigen Wochen noch gewohnt wurde.
Dem Geschichts-Exkurs folgt endlich die eigentliche Führung. Nach dem Durchschreiten des Burgtors stehen wir im Burghof.


Die Tür auf der rechten Seite schließt Nürnberger mit dem imposanten Burgschlüssel auf. Dahinter liegt die mit Natursteinboden ausgestattete Burgküche. Nicht nur aus praktischen, sondern vermutlich auch aus taktischen Gründen soll der Brunnen, der heute noch Wasser führt, in der Küche angelegt worden sein. Auf diese Weise konnte das Brunnenwassers zumindest von außen nicht vergiftet werden. Eines der um den Ofenplatz ausgestellten Kleinteile ist ein hölzernes Joch. Nürnberger führt mir vor, was es wörtlich bedeutet, „ein schweres Joch zu tragen“. 


Noch schnell ein Gruß zum Leuchterweibchen, das nach Nürnberger allerdings ein -männchen ist. 

Nun, ja. Das ist wohl Ansichtssache. Die hölzerne Figur wacht an der Spitze des aus Geweihstangen gefertigten Kronleuchters. Dann muss mein Führer „einen Zahn zulegen“. Im Mittelalter bedeutete das, den Topf näher an das Feuer zu bringen. Doch heute bedeutet es, sich zu sputen, denn eine weitere Besucher-Gruppe ist uns bereits auf den Fersen. Beim Weitergehen kommen wir an einigen Folterwerkzeugen vorbei und erreichen dann die auf das Jahr 1226 zurückgehende, dem Heiligen Ulrich geweihte gotische Burgkapelle, 15 Meter lang, 8 Meter breit. Der hohe Raum besticht durch bleiverglaste Fenster mit Glasmalereien und den in Rautenform verlegten, mehrfarbigen Lahnmarmor-Boden.


An manchen Stellen hat der Zahn der Zeit seine Spuren hinterlassen. Als Hingucker ist im Chorbereich eine Luther-Bibel aus dem Jahr 1712 ausgestellt. Ebenso beeindruckend ist das Hungertuch aus dem Jahr 1513. Die großformatigen Gemälde an den Wänden hier, wie im übrigen Burgbereich, entstammen der familieneigenen Kunstsammlung, wie Nürnberger ausführt.

Ich entdecke eine in der Kapelle aufgestellte Schatzkiste und will natürlich wissen, was es mit ihr auf sich hat. Nürnberger öffnet die mit elf Riegeln und einem Geheimschloss gesicherte Truhe, deren Besitzer offenbar „auf den Hund gekommen“ war, denn nur einige wenige Geldstücke bedecken noch den Grund. Schade. 

Weiter geht es in den Rittersaal, wo vor einem riesigen, aus flämischer Produktion stammenden Wandgobelin, dessen Farben ihre ursprüngliche Leuchtkraft im Laufe der Zeit erheblich einbüßten, zwei Rüstungen ausgestellt sind. Besonders bei den speziellen Kinderführungen erfreuen sie sich großer Beliebtheit, zumal sie angefasst und die separat ausgelegten Helme sogar aufgezogen werden dürfen. Ich habe mich jetzt nicht getraut, zu fragen, ob der liebe Herr Nürnberger mal ein Foto von mir mit Helm schießen würde. Auch die Waffen, wie zum Beispiel der als Schlagwaffe eingesetzte Morgenstern, faszinieren (nicht nur ) kleine Ritter. Nach Verlassen des Saales müssen sich die Besucher normalerweise zunächst einmal die eigens dafür ausgelegten Filzpantoffeln überziehen, denn der Parkettboden der folgenden Räume verträgt den Tritt von hartem Schuhwerk nicht. Ich darf heute ausnahmsweise mal mit meinen Straßenschuhen drüber laufen - und tue das gaaaanz vorsichtig. Die Ausstellungsräume zeigen eine bunte Sammlung an Mobiliar und Gebrauchsgegenständen, die die Wohnkultur des 17. bis 19. Jahrhunderts widerspiegeln.


„Anno 1700“ ist auf der Frontplatte eines aus Grauguss gefertigten Beileger-Ofens eingraviert. Ein Ofen, der gleichzeitig zwei Räume beheizt hat. Aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt das mit einem aufwändigen Rahmen bestückte, Königin Victoria darstellende Gemälde. 

Sehenswert sind zudem die Sitzecke, auf deren Tisch stets eine Vase mit frischen Blumen steht, die mit Seidentapeten oder in Schablonentechnik verzierten Wände, Echtkristall-Leuchter, Nähkästchen und Aussteuer-Truhen. 

Ein echtes Schmuckstück ist das 150 Jahre alte Puppenhaus mit einer detailverliebten Ausstattung in allen acht Zimmern. Ach, wie sehr hatte ich als kleines Mädchen von einem solchen Haus geträumt! In einem der Ausstellungsräume befindet sich ein, mit einem Gitter überdecktes Loch im Boden. Hierdurch flüchtete schon so mancher in den Keller.


Nürnberger bietet mir einen Abstieg in die Unterwelt an, doch in Anbetracht der vielen Spinnenweben verzichte ich lieber. So geht die Führung geradewegs in eine andere Richtung - nämlich hoch hinauf. Eine schmale Wendeltreppe führt auf den dreißig Meter hohen, fünfeckigen Bergfried. Bei rund 15.000 Besuchern pro Jahr lasse sich auf Burg Lahneck, im Gegensatz zu den meisten anderen Burgen der Region, der Auf- und Abstieg gefahrlos ermöglichen. Viele, die es im Verlauf der Jahre wenigstens in das erste Zwischengeschoss geschafft haben, hatten offenbar das Bedürfnis, sich hier zu verewigen. Die Wände sind bekritzelt mit Namen und Sprüchen. Ich nutze das Lesen der Texte als Vorwand für eine Verschnaufpause, denn ich bin jetzt schon ganz gehörig außer Atem, was ich natürlich keinesfalls zugeben werde. 


Die Kletterpartie geht weiter hinauf, bis wir schließlich die oberste Plattform erreichen, auf der die rot-weiße Burgfahne im Wind weht. Die Aussicht über das Lahntal ist grandios. Ich bin einen Moment lang sprachlos, nicht nur, weil mir noch die Luft zum Sprechen fehlt. Leider haben wir keine Zeit, hier länger zu verweilen. Die Führung ist zu Ende. 


Doch zum Trost wartet in der vor der Burg gelegenen, frisch renovierten Burgschenke Pächter Ventsislav Pehlivanov mit frisch gebackenem Apfel- und Käsekuchen auf uns. Der Espresso geht aufs Haus. Das ist wirklich nett. Und ich verspreche, im nächsten Jahr wiederzukommen, wenn die Terrasse geöffnet ist. Dann werde ich auch mal kosten, was der Wirt so aus der Küche herauszaubert. 

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