Freitag, 16. Oktober 2015

Das Theater Koblenz im Jahr 2012 - 1787 zur Freude der Öffentlichkeit errichtet

Das Haus im Zentrum der Stadt ist auch mitten in der Gesellschaft als intellektueller musischer und sozialkritischer Unterhalter, Querdenker und Impulsgeber“, schreibt die rheinland-pfälzische Kulturministerin Doris Ahnen im Vorwort zum Spielzeitheft des Theaters Koblenz 2012/2013. Tatsächlich trägt das ehemals kurfürstliche Komödien- und Ballhaus des Trierer Kurfürsten und Erzbischofs Clemens Wenzeslaus, seinerzeit erbaut und betrieben von Hofrat Franz Josef Schmitz, seit 225 Jahren zum kulturellen Leben der Stadt entscheidend bei. Ein 19 Meter hoher Obelisk mit dem Clemensbrunnen auf dem Theatervorplatz erinnert an den beliebten, bürgernahen Fürsten, dessen 200. Todestag in diesem Jahr das Mittelrhein-Museum Koblenz eigens als Anlass für eine Ausstellung nahm. Von Anfang an war das Haus am heutigen Deinhardplatz ein Theater der Bürgerschaft. So bestätigt es auch die lateinische Inschrift an der Fassade des Hauses: „Den Musen, der Sittlichkeit und zur Freude der Öffentlichkeit errichtet 1787“. Und die Koblenzer lieben ihr Theater immer noch, heute vielleicht sogar mehr als damals. Sogar einen eigenen Freundeskreis hat es. Der heute rund fünfhundert Mitglieder zählende Verein gründete sich 1982 aus einer Bürgerinitiative heraus. Allein die Architektur - das Haus ist der einzige erhaltene klassizistische Theaterbau am Mittelrhein und wurde 2002 Teil des Unesco-Welterbes „Oberes Mittelrheintal“ - ist es wert, für dieses Theater im Herzen der Stadt, aber auch für seinen Erhalt als Dreispartenhaus einzutreten. Das Theater ist zudem das früheste erhaltene Beispiel eines Rangtheaters in Deutschland. Es bietet etwas weniger als fünfhundert Besuchern Platz. 1787, am 23. November, eröffnete der (dann) Direktor, Hofrat Schmitz, das Theater mit einer Aufführung von Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“. 225 Jahre später nimmt der vierte Intendant des Theaters, Markus Dietze, der seit Sommer 2009 das Theater leitet, den Faden auf und lässt das Singspiel als erste Musiktheater-Premiere der Spielzeit 2012/13 wieder aufführen. Außerdem wird Friedrich Schillers „Die Räuber“ noch einmal, sogar auf den Tag genau wie in 1787, Premiere feiern. „Wir wollen es spielen wie damals“ versprach Dietze bei der Spielplan-Ankündigung. Auf der Bühne wird offenkundig erlebbar, was Kulturdezernent Detlef Knopp im Spielzeitheft 2010/11 schreibt: „Theater sind Räume unseres kollektiven Gedächtnisses, Orte der aktiven Erinnerung“.
Dietze, der viel frischen Wind in das Theater brachte, und leidenschaftlich für das Dreispartenhaus kämpft, strebt besonders vielfältige, aufwühlende, berührende, begeisternde, verstörende Spielpläne an. Das Publikum und die Stadt registrieren und honorieren sein Engagement. Sein Vertrag als Intendant wurde im vorigen Jahr bis zum Ende der Spielzeit 2016/17 verlängert. Die Spielzeit 2010/11 mit „Don Giovanni“, „West Side Story“, „Werther“, „Was Ihr wollt“, „Alma, meine Seele“ und vielen anderen Produktionen konnte Dietze von der „zweckgebundenen Verfügungssumme“ her als Rekordspielzeit verbuchen. Neben dem eigenen Theaterensemble, das sich Koblenz noch gönnt, leistete einen großen Beitrag zu diesem Erfolg (und wird ihn auch weiterhin leisten) das 1945 gegründete Theaterorchester „Rheinische Philharmonie“, das bei den rund 140 Musiktheatervorstellungen jährlich immer wieder begeistert. Das Theater als Vielfalt, wie es optimal sein sollte, stellt sich in Koblenz sehr konsequent dar. Musik, Theater, Ballett gehören in einem Dreispartenhaus selbstverständlich auf den Spielplan. Aber das Theater Koblenz bietet darüber hinaus viel mehr. Unter der Überschrift „Theaterpädagogik“ finden sich Tanz-Workshops, Schauspielclubs für Theater interessierte Erwachsene und Jugendliche, Musik- und Tanztheaterprojekte und Workshops für Schulklassen. Darüber hinaus gibt es Kooperationen zum Beispiel mit dem Koblenzer Jugendtheater, mit dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie und mit Schulen auch aus der Region. Neben dem Spielplan folgenden Produktionen im Theatersaal lässt sich auch Kultur am Rande erleben. Das sind Einführungsveranstaltungen zu Neuproduktionen und Premieren in allen drei Sparten, zum Operettenrausch gebundene Melodiensträuße und Late-Nights an überraschenden zum Theaterbereich gehörenden Orten, die inzwischen Kultcharakter haben. Das alles stemmt ein Team aus rund zweihundert Mitarbeitern aus mehr als zwanzig Nationen. Die Proben und Arbeiten dafür mussten viele Jahre lang in drangvoller Enge bewältigt werden. Ein Erweiterungskomplex, der vor ein paar Tagen eröffnet wurde, schafft nun endlich Abhilfe und angemessene Arbeitsbedingungen. Aber was die Finanzen anbelangt, drückt der Schuh, wie bei vielen anderen Theaterbetrieben auch, immer noch. Schon seit den 1980er Jahren ist der Erhalt der drei Sparten wegen zu hoher Zuschüsse und zu geringer Einnahmen ein ständig aktuelles Thema - nicht nur für die Stadt, die das Haus schlichtweg als Amt Nummer 46 führt. In ihrer Kommunalstatistik zeigt die Stadt trotz all der vorgenannten lobenswerten Engagements, rückläufige Besucherzahlen auf: Werden für 2009 noch 72.000 Besucher genannt, so sollen es 2011 nur noch 57.000 gewesen sein. Trotzdem gibt es viel Empörung in der Bevölkerung, die ihr Theater einfach ins Herz geschlossen hat, wenn über Sparmaßnahmen in jeglicher Spielart nur laut nachgedacht wird. Denn (Theater-)Kultur will niemand beschnitten wissen, schließlich nehme Theater eine immer stärkere Rolle im Bereich der kulturellen Bildung für alle ein, sagt Knopp. Dabei dürfe man nicht ständig das ökonomische Prinzip des Mehrwertes im Kopf haben. Der Wert des Ortes Theater müsse unbedingt auch an die nachfolgende Generationen weitergeben werden. Wenn man den Begriff „Kultur ist Lebensmittel“ realisiert, würden wir anderenfalls doch hungernde Kinder und Enkel zurücklassen. Dass Theatererlebnisse so vielfältig wie Lebenserlebnisse sind, will das Theater im Herzen der Stadt Koblenz allen Bürgern, auch denen, für die es bislang ein eher unbekanntes Terrain darstellt, vermitteln. Um diese Erfahrung zu machen, sollte sich selbst niemand die Vorstellungen in diesem schönen Theater vorenthalten. Den Hauch von Geschichte, der durch den Theatersaal zieht, nicht nur zu kombinieren mit historischen Stücken, sondern auch einmal gepaart zu erleben mit modernen Darbietungen, könnte ein Genuss sein, den zu schmecken man gar nicht mehr leid wird.

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