Sonntag, 16. Juli 2017

Mit der Volkshochschule nach Wissembourg

Die Volkshochschulen vermitteln Wissen nicht nur in Klassenzimmer ähnlichen Räumen, sondern gerne auch einmal im Rahmen von Ausflügen. Im September 2015 entschied ich mich, an einer sonntäglichen Herbstexkursion der Volkshochschule Koblenz nach Wissembourg (Weißenburg) im Elsass teilzunehmen. Die nicht einmal zehntausend Einwohner zählende Stadt ist die erste Stadt nach der deutsch-französischen Grenze und wird als Paradebeispiel gepriesen für eine Region, die von zwei Kulturen gleichermaßen geprägt ist. Wissembourg, 1648 im Westfälischen Frieden zusammen mit dem Elsass von Frankreich annektiert, mehrfach zerstört, mehrfach die Staatszugehörigkeit gewechselt, gehört seit 1945 endgültig zu Frankreich.




Die Exkursion wurde für 8 Euro zuzüglich der Kosten für die Bahnfahrt (dafür bezahlte ich 10 Euro) angeboten. Als Dozent begleitete der Historiker Dieter Gube die Fahrt, die mit dem Rheintal-Express um 9.30 Uhr ab Hauptbahnhof Koblenz begann. Die teilnehmende Gruppe bestand aus zwei Männern und etwa zehn Frauen. Im Zug teilte Gube direkt verschiedenerlei Infomaterial zur Stadt, zum Elsass und zu anderem auf der Strecke liegendem Wissens- und Sehenswertem aus, um das Hintergrundwissen seiner kulturbeflissenen Schüler zu stützen. Dazu gehörten auch verschiedene „Blätter zum Land“, eine Publikationsreihe der Landeszentrale für politische Bildung. Die gab er während der Fahrt sozusagen auf Raten aus, so dass niemand mit Informationen überfrachtet wurde, sondern zu jeder Etappe ein Häppchen Wissen gereicht bekam. Kurz vor dem Erreichen und nach dem Verlassen des Bingener Bahnhofs gab es beispielsweise „Blätter“, die Informationen zur Drususbrücke in Bingen und zu Hildegard von Bingen lieferten. Die Drususbrücke konnte man übrigens sehr schön vom Großraumwagen des Zuges aus sehen. Mit großem Interesse verfolgte der Bad Kreuznacher Schaffner unseren Ausflug samt Lehrstunde. Schnell brachte er sich ein, wurde sozusagen unser persönlicher Zugbegleiter und ließ uns Steilwände und Burgen durch seine Brille betrachten. Mit so viel Erläuterungen zur vorbeiziehenden Landschaft verging die Fahrzeit wie im Fluge. Kurz vor Erreichen des Bahnhofs Wissembourg ließ Gube eine Liste herumgehen, in der sich diejenigen eintragen konnten, die anschließend am gemeinsamen Mittagessen in dem typisch elsässischen Restaurant „Au Cygne“ (Zum Schwan) teilnehmen wollten. Auch ich trug mich dort ein, weil ich glaubte, es könnte ein schönes Gemeinschaftserlebnis werden. Im Grunde meines Herzens wäre ich allerdings lieber alleine losgezogen, um an einem mir genehmen Platz irgendwo im Ort zu speisen.
Nach einem Fußweg von rund einer Viertelstunde erreichten wir die historische und pittoreske Altstadt. Vor dem Restaurant wurde uns der Tages-Zeitplan kundgetan. 



Für das Essen waren zwei Stunden eingeplant, danach sollte es einen kurzen Stadtspaziergang sowie eine Stunde zur freien Verfügung geben. Da ärgerte ich mich dann doch, mich für den Schwan entschieden zu haben, denn eigentlich wollte ich doch nicht in erster Linie die elsässische Küche kennenlernen, sondern mehr in die Region, den Ort und die Leute hineinschnuppern. Aber nun war es eben so. Draußen schien die Sonne, im Restaurant war es relativ duster, dennoch irgendwie gemütlich. In einem eigenen Raum waren einige Tische extra für unsere Gruppe gedeckt. Beim Anschauen der Speisekarte (erfreulicherweise auch in deutscher Sprache) erschienen mir die Preise für meinen Geldbeutel dann doch ziemlich happig. Ich entschied mich für eines der preiswertesten Gerichte: Ein Rehragout für 18 Euro – man gönnt sich ja sonst nichts. Dazu ein kleines Glas Wein für 4 Euro. Wer ein normales 3-Gänge-Mittagessen zu sich nahm, musste durchschnittlich mit etwas über sechzig Euro inklusiv Aperitiv und Digestiv rechnen. Auf der Karte standen neben Wildgerichten Köstlichkeiten wie Austern, Pasteten, Sauerkraut mit verschiedenen Fleischspeisen oder Schnecken, in Teig gebacken.
Richtig genossen habe ich das gute, aber nicht exzellente Essen nicht, denn ich fühlte mich als Alleinreisende unter den anderen rundum unwohl. Alle waren paarweise oder gar in Gruppen unterwegs und führten verständlicherweise ihre internen Gespräche, an denen sich schlichtweg kein Außenstehender beteiligen konnte. Da sitzt man dann wie „Karl Arsch“ am Tisch und guckt blöd vor sich hin. Die nächste Hürde war die Rechnung, die, wie es fast überall in Europa - außer in Deutschland - üblich ist, pro Tisch ausgestellt war. So mussten die Leutchen alles mühsam auseinander rechnen, wenn nicht einer mehr bezahlen sollte, als er zu sich genommen hatte.


Bei dem anschließenden, von Gube begleiteten Stadtspaziergang kamen wir an vielen schönen und historisch bedeutsamen Häusern vorbei. Gerade um den Place de la Republique (Marktplatz) versammeln sich die Schönheiten. Ein besonders augenfälliges Gebäude ist das 1450 als Spital erbaute Salzhaus mit seinem hohen Dach, das einst als Salzlager und als Lazarett diente. 


Doch vor allem verzücken die Fachwerkhäuser die Besucher. Sie verleihen dem Städtchen einen liebenswerten Charme. Hervorheben will ich hier das1550 errichtete, an der Lauter gelegene Wohnhaus „de l'ami Fritz“ mit dem hübschen Erker, den das Wahrzeichnen der Gerber und der Bauleute ziert. 


Sehr beeindruckend ist zudem das 1752 gebaute Rathaus (Hotel de Ville) aus rotem Vogesensandstein und sein mächtiger Uhrenturm. 


Natürlich erhielten wir auch die Gelegenheit die Kirche St. Pierre und St. Paul zu besichtigen. Sie ist nach dem Straßburger Münster der größte gotische Bau im Elsass. Im 14. Jahrhundert wurde er fertiggestellt. Sehenswert sind die prachtvollen alten Glasfenster im Chor und Querhaus.


Die eine Stunde „Freizeit“ nutzte ich, um mich ein wenig treiben zu lassen durch die kleinen Straßen und entlang der vor sich hinschlummernden Lauter. Gerne wäre ich eingekehrt in eines der hübschen Cafés, wo die Menschen zusammensaßen und den Sonntag gemeinsam genossen. Doch dafür reichte die Zeit einfach nicht, schon gar nicht, wenn man ortsfremd ist und den Bahnhof pünktlich zur Abfahrt des Zuges erreichen muss.



Vielleicht komme ich noch einmal hierher – die Stadt ist ja schnell erreicht. Dann würde es aber unbedingt ein Nicht-Sonntag sein, damit die Geschäfte geöffnet sind, und sich ein wenig mehr Leben zeigt. Außerdem würde ich mich von vorne herein frei von der Gruppe machen, um alles nach eigenem Geschmack zu erkunden und zu kosten. 


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