Die
Volkshochschulen vermitteln Wissen nicht nur in Klassenzimmer
ähnlichen Räumen, sondern gerne auch einmal im Rahmen von
Ausflügen. Im September 2015 entschied ich mich, an einer
sonntäglichen Herbstexkursion der Volkshochschule Koblenz nach
Wissembourg (Weißenburg) im Elsass teilzunehmen. Die nicht einmal
zehntausend Einwohner zählende Stadt ist die erste Stadt nach der
deutsch-französischen Grenze und wird als Paradebeispiel gepriesen
für eine Region, die von zwei Kulturen gleichermaßen geprägt ist.
Wissembourg, 1648 im Westfälischen Frieden zusammen mit dem Elsass
von Frankreich annektiert, mehrfach zerstört, mehrfach die
Staatszugehörigkeit gewechselt, gehört seit 1945 endgültig zu
Frankreich.
Die
Exkursion wurde für 8 Euro zuzüglich der Kosten für die Bahnfahrt
(dafür bezahlte ich 10 Euro) angeboten. Als Dozent begleitete der
Historiker Dieter Gube die Fahrt, die mit dem Rheintal-Express um
9.30 Uhr ab Hauptbahnhof Koblenz begann. Die teilnehmende Gruppe
bestand aus zwei Männern und etwa zehn Frauen. Im Zug teilte Gube
direkt verschiedenerlei Infomaterial zur Stadt, zum Elsass und zu
anderem auf der Strecke liegendem Wissens- und Sehenswertem aus, um
das Hintergrundwissen seiner kulturbeflissenen Schüler zu stützen.
Dazu gehörten auch verschiedene „Blätter zum Land“, eine
Publikationsreihe der Landeszentrale für politische Bildung. Die gab
er während der Fahrt sozusagen auf Raten aus, so dass niemand mit
Informationen überfrachtet wurde, sondern zu jeder Etappe ein
Häppchen Wissen gereicht bekam. Kurz vor dem Erreichen und nach dem
Verlassen des Bingener Bahnhofs gab es beispielsweise „Blätter“,
die Informationen zur Drususbrücke in Bingen und zu Hildegard von
Bingen lieferten. Die Drususbrücke konnte man übrigens sehr schön
vom Großraumwagen des Zuges aus sehen. Mit großem Interesse
verfolgte der Bad Kreuznacher Schaffner unseren Ausflug samt
Lehrstunde. Schnell brachte er sich ein, wurde sozusagen unser
persönlicher Zugbegleiter und ließ uns Steilwände und Burgen durch
seine Brille betrachten. Mit so viel Erläuterungen zur
vorbeiziehenden Landschaft verging die Fahrzeit wie im Fluge. Kurz
vor Erreichen des Bahnhofs Wissembourg ließ Gube eine Liste
herumgehen, in der sich diejenigen eintragen konnten, die
anschließend am gemeinsamen Mittagessen in dem typisch elsässischen
Restaurant „Au Cygne“ (Zum Schwan) teilnehmen wollten. Auch ich
trug mich dort ein, weil ich glaubte, es könnte ein schönes
Gemeinschaftserlebnis werden. Im Grunde meines Herzens wäre ich
allerdings lieber alleine losgezogen, um an einem mir genehmen Platz
irgendwo im Ort zu speisen.
Nach
einem Fußweg von rund einer Viertelstunde erreichten wir die
historische und pittoreske Altstadt. Vor dem Restaurant wurde uns der
Tages-Zeitplan kundgetan.
Für das Essen waren zwei Stunden
eingeplant, danach sollte es einen kurzen Stadtspaziergang sowie eine
Stunde zur freien Verfügung geben. Da ärgerte ich mich dann doch,
mich für den Schwan entschieden zu haben, denn eigentlich wollte ich
doch nicht in erster Linie die elsässische Küche kennenlernen,
sondern mehr in die Region, den Ort und die Leute hineinschnuppern.
Aber nun war es eben so. Draußen schien die Sonne, im Restaurant war
es relativ duster, dennoch irgendwie gemütlich. In einem eigenen
Raum waren einige Tische extra für unsere Gruppe gedeckt. Beim
Anschauen der Speisekarte (erfreulicherweise auch in deutscher
Sprache) erschienen mir die Preise für meinen Geldbeutel dann doch
ziemlich happig. Ich entschied mich für eines der preiswertesten
Gerichte: Ein Rehragout für 18 Euro – man gönnt sich ja sonst
nichts. Dazu ein kleines Glas Wein für 4 Euro. Wer ein normales
3-Gänge-Mittagessen zu sich nahm, musste durchschnittlich mit etwas
über sechzig Euro inklusiv Aperitiv und Digestiv rechnen. Auf der
Karte standen neben Wildgerichten Köstlichkeiten wie Austern,
Pasteten, Sauerkraut mit verschiedenen Fleischspeisen oder Schnecken,
in Teig gebacken.
Richtig
genossen habe ich das gute, aber nicht exzellente Essen nicht, denn
ich fühlte mich als Alleinreisende unter den anderen rundum unwohl.
Alle waren paarweise oder gar in Gruppen unterwegs und führten
verständlicherweise ihre internen Gespräche, an denen sich
schlichtweg kein Außenstehender beteiligen konnte. Da sitzt man dann
wie „Karl Arsch“ am Tisch und guckt blöd vor sich hin. Die
nächste Hürde war die Rechnung, die, wie es fast überall in Europa
- außer in Deutschland - üblich ist, pro Tisch ausgestellt war. So
mussten die Leutchen alles mühsam auseinander rechnen, wenn nicht
einer mehr bezahlen sollte, als er zu sich genommen hatte.
Bei
dem anschließenden, von Gube begleiteten Stadtspaziergang kamen wir
an vielen schönen und historisch bedeutsamen Häusern vorbei. Gerade
um den Place de la Republique (Marktplatz) versammeln sich die
Schönheiten. Ein besonders augenfälliges Gebäude ist das 1450 als
Spital erbaute Salzhaus mit seinem hohen Dach, das einst als
Salzlager und als Lazarett diente.
Doch vor allem verzücken die
Fachwerkhäuser die Besucher. Sie verleihen dem Städtchen einen
liebenswerten Charme. Hervorheben will ich hier das1550 errichtete,
an der Lauter gelegene Wohnhaus „de l'ami Fritz“ mit dem hübschen
Erker, den das Wahrzeichnen der Gerber und der Bauleute ziert.
Sehr
beeindruckend ist zudem das 1752 gebaute Rathaus (Hotel de Ville) aus
rotem Vogesensandstein und sein mächtiger Uhrenturm.
Natürlich
erhielten wir auch die Gelegenheit die Kirche St. Pierre und St. Paul
zu besichtigen. Sie ist nach dem Straßburger Münster der größte
gotische Bau im Elsass. Im 14. Jahrhundert wurde er fertiggestellt.
Sehenswert sind die prachtvollen alten Glasfenster im Chor und
Querhaus.
Die
eine Stunde „Freizeit“ nutzte ich, um mich ein wenig treiben zu
lassen durch die kleinen Straßen und entlang der vor sich
hinschlummernden Lauter. Gerne wäre ich eingekehrt in eines der
hübschen Cafés, wo die Menschen zusammensaßen und den Sonntag
gemeinsam genossen. Doch dafür reichte die Zeit einfach nicht, schon
gar nicht, wenn man ortsfremd ist und den Bahnhof pünktlich zur
Abfahrt des Zuges erreichen muss.
Vielleicht
komme ich noch einmal hierher – die Stadt ist ja schnell erreicht.
Dann würde es aber unbedingt ein Nicht-Sonntag sein, damit die
Geschäfte geöffnet sind, und sich ein wenig mehr Leben zeigt.
Außerdem würde ich mich von vorne herein frei von der Gruppe
machen, um alles nach eigenem Geschmack zu erkunden und zu kosten.
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