Es ist mal wieder so weit. Wir, sechs
Freunde – ehemals benachbart, haben uns für ein Radfahr-Wochenende
verabredet. Quartier nehmen wir in Rinteln im Hotel „Stadt Kassel“,
Marktplatz 7. Unsere „booking.com“-Buchung stellt sich bei
Ankunft im Hotel als teuer dar, denn das Hotel selbst bietet recht
günstige Pauschalarrangements an, sogar die offiziell ausgewiesenen
Hotelpreise liegen darunter. Nun ist es aber nicht mehr zu ändern,
und wir freuen uns auf die Zeit mit den Freunden. Das Hotel, das über
einen eigenen Parkplatz verfügt, liegt im Zentrum der kleinen Stadt
Rinteln. Wir bekommen ein Zimmer (27) im 1. Stock zugewiesen.
Hosenbügel im Schrank sind Fehlanzeige, Gästeseife im Badezimmer
ebenso. Dafür gibt es an der Rezeption einen praktischen Stadtplan,
von einem Block abreißbar – immer nützlich in einer fremden
Stadt.
Beim Touristikzentrum Westliches
Weserbergland in Rinteln hatte ich mir für zwei Tage ein E-Bike
geliehen. Der Preis der Wochenend-Pauschale belief sich auf 30 Euro.
Als ich dort ankomme, nur zwei Minuten Fußweg vom Hotel entfernt,
steht es schon bereit das schmucke Stück. Freundliche Mitarbeiter
erklären mir sogleich die Funktionen. In der Nacht kann das Rad im
hoteleigenen Abstellraum unterkommen. Eigentlich hätte ich das
E-Bike am letzten Tag schon um 14 Uhr zurückgeben müssen, aber da
haben wir noch eine kleine Tour eingeplant. Mit viel Charme (ja, das
kann ich!) überrede ich die Touristikerin, es dann am Sonntagabend
vom Abstellraum des Hotels abzuholen. Dafür gibt es natürlich ein
kleines Trinkgeld.
Nachdem alle Formalitäten des
Eincheckens erledigt sind, warten wir immer noch auf das dritte Paar.
Die Zeit nutzen wir, zu viert an einer historischen Stadtführung
durch Rinteln, die uns in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts
befördert, teilzunehmen. Vorher gönnen wir uns auf die Freude des
Wiedersehens ein leckeres Stück Kuchen auf dem Marktplatz mit den
ihn umgebenden schönen Fachwerkbauten.
Dann erwartet uns Landgräfin
Hedwig Sophie, um mit uns die Stadt aus ihrer Sicht zu erkunden.
Viele Fachwerkbauten gibt es da zu sehen, wie zum Beispiel den
Prinzenhof, in dem heute eine Sparkasse ihren Sitz hat. Aber auch
Parkhof und Burghof beeindrucken mit ihren prächtigen Fassaden.
Als
kleinstes Gebäude gilt das Archivhäuschen. Erbaut im Stil der
Weserrenaissance.
Etwas Besonderes erleben wir in der Jakobikirche. Hier
bringt uns die Landesherrin ein Ständchen dar, das wegen der sehr
besonderen Akustik Gänsehaut-Gefühl erzeugt – so schön klingt
das.
Das zweite Freundes-Paar ist, nachdem
es sich aus dem von einem schweren Unfall herrührenden fetten Stau
befreien konnte, inzwischen angekommen und wir machen uns auf den Weg
zum Abendessen. Dafür wählen wir das am Marktplatz gelegene Bistro
„Der Stadtkater“ aus. Was uns herlockt, ist die moderne und
geschmackvolle Inneneinrichtung. Die verspricht nicht nur einen
genüsslichen Abend, sondern hält das Versprechen allemal. Ob
Kaninchenragout (für 14,50 Euro), Rotbarbe (zu 12,50 Euro) oder
Flammkuchen mediterran (für 9,90 Euro) – jeder kommt auf seine
Kosten und zu seinen ganz persönlichen Gaumenfreuden. Den Absacker
vor dem Einschlafen nehmen wir in Cocktail-Form in der
gegenüberliegenden Bodega.
Der nächste Morgen bringt Sorgen. Die
Wetterprognose für den heutigen Tag verheißt nichts Gutes. Um 15
Uhr soll es regnen. Da starten wir so früh wie möglich (natürlich
ohne uns den Frühstücks-Genuss nehmen zu lassen) mit den Rädern
den Weser-Radweg entlang in Richtung Rattenfänger-Stadt Hameln. Rund 26 Kilometer auf
einem gut ausgebauten und ausgeschilderten Weg. Die Weser sehen wir
nur selten, weil zu weit weg. Der größte Teil der Strecke führt
durch Maisfelder.
Eine schöne Überraschung erwartet uns nur kurze
Zeit nach der Abfahrt in Rinteln. Vor einem Bauernhaus haben Leute
mit Herz für Radfahrer eine Selbstbedienungs-Kaffeestation
eingerichtet. In Thermoskannen stehen Kaffee und Tee bereit.
Kaltgetränke in Kühltaschen. Das Geld dafür soll in eine Kasse
gegeben werden. Man hofft hier offenbar auf die Ehrlichkeit der
Passanten. Wir enttäuschen sie nicht und genießen die kleine Pause
ausgiebig. An dieser Stelle bedanken wir uns für die gute Idee und
die Großzügigkeit der Versorger.
In Hameln angekommen, parken wir
unsere Räder und bewegen uns zu Fuß durch die Innenstadt. Besonders gut gefallen uns die Ratten-Pflastersteine.
Mittagspause machen wir im Außenbereich eines Cafés. Ich (typisch
Babsi: Süß!) bestelle mir ein Croissant mit Erdbeer-Lavendel-Butter
plus Milchkaffee. Ein Souvenir aus Hameln gibt es für mich quasi zum
Dessert. Eine wunderschöne, an indianischen Schmuck erinnernde
Ohrspange. Der Preis, den Miranda Konstantinidous „Konplott“
fordert, ist erschwinglich. Vor dem Schmuckgeschäft bringen zwei
weibliche Verkaufs-Talente Erdbeer-Limes an Mann und Frau. Dann
entdecken wir die Glasbläserei. Leider ist der Glasbläser nicht vor
Ort. Deshalb können wir zwar die Ausstellung anschauen, aber eben
nicht sehen, wie die tollen Objekte entstehen.
Wie vorhergesagt,
fängt es nun an, zu regnen. Wir flüchten vor der Nässe in ein
Einkaufszentrum. Im Kaufrausch gehen dort ein aromatisierter Kaffee
und ein Paar Sneaker in die Tüte. Als wir herauskommen, scheint
wieder die Sonne. Wir treten die Rückfahrt an.
Weil das Schönste am
Radfahren die Einkehr ist, legen wir auf halber Strecke einen
neuerlichen Stopp in einem an einen Bauernhof angeschlossenen
Biergarten ein.
Lange hält es uns hier nicht, denn dicke Wolken
ziehen auf. Am Wartehäuschen an der Seilfähre kurz vor Rinteln
beobachten wir mal erst die Wetterlage – in welche Richtung ziehen
die Regenwolken? Sieht aus, als könnten wir die Überfahrt wagen.
Auf der anderen Fluss-Seite strampeln wir uns, einige Dörfer
durchfahrend, zurück nach Rinteln. Eine halbe Stunde bleibt uns, um
uns ein wenig frisch zu machen. Dann ist schon wieder Treffen zum
Abendessen ausgemacht. Wer hat gesagt, dass eine Radtour Erholung
ist? Wir entscheiden uns für eine Trattoria. Was die Speise-Auswahl
anbelangt, brauchen wir uns hier keine Qual anzutun. Denn es gibt
lediglich ein Hauptgericht. Daneben allerdings noch eine Auswahl an
Vorspeisen und Salat. Die Gastwirte vertreten die Besitzer, die
gerade in Urlaub sind. Das Paar agiert allerdings so, als wäre es
sein Lokal und ist sehr bemüht um seine Gäste. Das Essen ist
bezahlbar und ausgesprochen lecker.
Am Sonntag, unserem letzten gemeinsamen
Tag, haben wir uns Vlotho/Bad Oeynhausen als Ziel gesetzt. Rund
zwanzig Kilometer Fahrtstrecke mit einem leichten Anstieg. Gut, dass
ich mit E-Bike ausgerüstet bin. Der Radweg ist nicht schön, wir
fahren oftmals auf Wegen, die unmittelbar neben der stark befahrenen
Straße verlaufen. Ab und zu überraschen uns Natur-Schönheiten am Straßenrand. Wie dieses wunderschöne Sonnenblumenfeld.
Auch Schotterwege sind dabei, bei denen man
höllisch aufpassen muss, um nicht auf die Nase zu fallen. Als
weiteres Hindernis durchfahren wir noch ein Gelände, auf dem an
diesem Tag ein großes Musikfestival stattfindet. Hier ist per Rad
kaum ein Durchkommen möglich. Doch schließlich haben wir Vlotho
erreicht. Ein ziemlich unspektakulärer Ort. Nur dieses eine Haus macht uns richtig Spaß. Fast die ganze Fassade ist eine Illusion. Alles nur gemalt. Da war ein echter Künstler am Werk.
Das nächste Highlight ist eine Eisdiele. Die nutzen wir natürlich für eine
Genusspause. Für den Rückweg wählen wir die andere Weser-Seite.
Auf der Straße neben der bergabwärts führenden Strecke erproben
Motorradfahrer gerade ihre Kurvenfahrkünste. Hoch und runter dröhnen
sie neben uns entlang. Als wir endlich den Waldweg erreichen, glauben
wir uns in Sicherheit. Aber jetzt wird es erst richtig schwierig.
Matsch und Schotter verleiden uns die Freude am Radfahren. Kurz vor
Schluss wird es dann noch sehr nett. Wir erreichen das
Wassersportgebiet Kalletal, wo wir bei herrlichstem Sonnenschein eine
lange Sitzpause einlegen, in der wir den Wasserski-Könnern und
-Nichtkönnern (800 Meter 5-Mast-Anlage) zusehen.
Wir schwingen uns wieder auf die
Sättel, denn unsere Freundin hat die Idee, für Kaffee und Kuchen
Kloster Möllenbeck anzusteuern, das mit einem riesigen Hofgarten ein
echter Gästemagnet ist. Irre lange Menschenschlangen überall dort,
wo man sich etwas zu essen bestellen kann. Das Personal schafft den
Andrang einfach nicht. Normalerweise hätten wir uns geweigert, uns
anzustellen, aber im Sixpack muss man sich natürlich dem allgemeinen
Wunsch anpassen. Also stehen wir mal eine Weile. 30 Minuten, um genau
zu sein. Irgendwann haben wir endlich alle unser Stück Pfannkuchen,
Flammkuchen, unseren Salat oder was auch immer in der Hand. Wir
finden sogar noch einen Tisch, an dem wir zusammen Platz finden, so
dass das Radler-Wochenende hier richtig gemütlich ausklingen kann.