Nach ein paar Aussetzer-Jahren ist das
Six-Pack in diesem Jahr wieder einmal Zweirad-bestückt unterwegs.
Drei von uns per E-Bike, drei sind noch vieeel zu jung dafür, sie
bevorzugen es, allein mit Muskelkraft kräftig in die Pedale zu
treten. Start und Ziel der Radtouren ist Diez an der Lahn, so haben
wir uns geeinigt. Da müssen längstens vier Stunden Anfahrt in Kauf
genommen werden. Diesen schwarzen Peter haben Ria und Rolf, denn sie
wohnen seit 2012 in Münster. Dann kommen Angelika und Uwe aus
Breckerfeld (Nähe Hagen) und schließlich wir aus Koblenz. Für uns
ist es nahezu ein Heimspiel, denn Diez liegt ja fast um die Ecke.
Da das Wetter bombig ist (Sonne, 20
Grad), beschließen wir, schon früh morgens zu starten, damit wir
den Tag nutzen können. Schließlich muss ich noch das Tage zuvor
angefragte E-Bike bei der Tourist-Information in Diez abholen. Um
10.00 Uhr sollte es losgehen, doch der beste aller Ehemänner stellt
fest, dass die Batterie des Kilometerzählers an seinem E-Bike (er
hat sich vor einem Jahr ein eigenes gegönnt) leer ist. Dann findet
er die Sicherungsgummis für den Radträger nicht. Tsss-tsss –
schlechte Vorbereitung der Reise, mein Lieber. Aber irgendwann ist
halt alles perfekt und wir können starten. Rudi, unser
Navigationssystem, führt uns - die letzten paar Meter zu Fuß - ganz
ordentlich.
Mehr als ganz ordentlich funktioniert
die Abwicklung der Radausgabe an der Tourist-Info, die eine von
vielen „Movelo-Verleihstationen“ ist. Die lady dort ist super
freundlich und gibt noch Kartenmaterial „Radtouren Rhein-Lahn“,
„Aartalradweg“ und Innenstadtkarte Diez dazu. Wir bezahlen den
Mietpreis, der mit 36 Euro für Freitag Mittag bis Sonntag Mittag
vereinbart war im Voraus, wobei wir eine positive Überraschung
erleben. Denn tatsächlich will man jetzt nur 25 Euro von uns haben.
Prima. Weil die Tourist-Info Sonntag Mittag geschlossen hat, erhalten
wir zusätzlich einen Schlüssel für die auf dem Hof befindliche
Garage. Dort sollen wir das Fahrrad zum Schluss einstellen und
Schlüssel in den Briefkasten werfen. Bleibt nur die Sorge: Was ist
bei einer Panne? Eine Hilfsanforderung wäre schließlich nicht
möglich. Da muss man rein vorsorglich einfach mal auf Holz klopfen.
Und auf reparatur-fähige Männer im radelnden Team für den Fall der
Fälle hoffen.
Die Feuerprobe müssen Rad und Frau
schon kurz nach Verlassen der Tourist-Info bestehen. Ein verdammt
steiler Berg ist zu bezwingen, um zum gebuchten Hotel „Villa
Oranien“ zu kommen. Also gleich den kleinsten Gang eingelegt, Turbo
eingeschaltet und dann ziemlich entspannt – denn treten muss man
schließlich auch bei einem E-Bike – hochgefahren. Mit einem
normalen Rad hätte ich auf jeden Fall schieben müssen.
Unser Zimmer steht noch nicht zur
Verfügung - erst ab 14 Uhr. Also machen wir uns gleich per Rad auf
die erste kleine Tour der Lahn entlang in Richtung Limburg. Bis
dorthin sind es rund acht Kilometer. So weit wollen wir natürlich
nicht fahren, denn in zwei bis drei Stunden werden die Freunde in
Diez eintreffen. Nach einem ersten kleinen Verfahrer, der uns an die
Aar führt (nicht zu verwechseln mit der Ahr), finden wir schließlich
den Lahntalweg, der zumindest auf den ersten zwei bis drei Kilometern
viel rauf und runter zu bieten hat. Mit dem E-Bike ist das gut zu
schaffen. Auf dem Weg entdecken wir „Das neue Mühlchen“, ein
italienisches Restaurant mit großer Lahnblick-Terrasse.
Ich bettele
ein wenig, bis der beste aller Ehemänner klein beigibt und sich zur
Einkehr bereit erklärt. Das Personal nimmt gerade sein Mittagessen
auf der Terrasse ein, als wir es aufscheuchen. Gleich kommt ein
Kellner zu uns, um uns charmant, wie Italiener meist so sind, die
lukullischen Wünsche zu erfüllen. Ich will natürlich was essen.
Nein, der beste aller Ehemänner will (wie immer) nicht. Ich bestelle
einen Teller Caprese und für jeden von uns ein großes Glas
Bananenweizen – alles zusammen für 15 Euro. Essen darf ich Caprese
dann doch nicht alleine, denn es sieht so appetitlich aus, dass auch
mein Liebster seinen Anteil einfordert. Herrlich ist es, hier zu
sitzen, Sonne und Ruhe zu genießen. Die Ruhe vor dem Sturm
sozusagen, denn ein Ausflug zu sechst ist zwar anregend, aber nicht
unbedingt erholsam.
Als dann die erste SMS eintrifft: „Wo
seid Ihr?“, sind wir schon fast zurück in Diez.
Mit Ria und Rolf
treffen wir uns in „Raths Café“ und ordern Schmandkuchen zur
Feier der Begrüßungsstunde. Ein schönes Fleckchen zum
Draußensitzen. Die Wespen verschonen uns, weil die Wirtsleute sie
strategisch klug mit einem eigens für sie ausgelegten Futter von den
Tischen der Gäste fernhalten. Ich bekomme, obwohl es nicht auf der
Karte steht, meine Eiskugel im Espresso. Auf Kundenwünsche wird hier
flexibel eingegangen. Fast schon eine Seltenheit in der Service-Wüste
Deutschland.
Den Verdauungsspaziergang machen wir
zum Lahn-Anleger, wo Schwäne und Enten von Passanten sozusagen
totgefüttert werden mit Brot.
Ich wage einen Einwand vorzubringen
und werde gleich auf das Wüsteste beschimpft. Was soll man nur gegen
diese Uneinsichtigkeit der Menschen tun? Vielleicht wäre es eine
gute Idee, wenn Futterspender an den Ufern aufgestellt würden, so
dass die Tiere wenigstens mit artgerechtem Futter überfüttert
würden. Hinweisschilder „Füttern verboten“ wären eine
alternative Maßnahme. Am anderen Ufer legt gerade die Lahn-Arche II
an. Das ist ein großes, mit Holzstämmen verkleidetes Partyboot.
Sieht echt zünftig aus. Wozu es später gebraucht würde, ist klar,
als kistenweise Getränke an Bord gebracht werden.
Während wir hier so in der Sonne
sitzen und plaudern, kommt das dritte Paar hinzu. Das Wiedersehen
feiern wir dieses Mal im Eissalon „Fontanella“. Auch wenn hier
schon keine Sonne mehr scheint – die letzten Sonnenstrahlen sind
nur am Lahnufer einzufangen – genießen wir das laue Lüftchen bei
Eis, Cappuccino & Co. Vor dem Abendessen geht es nochmal zurück
ins Hotel. Wir müssen schließlich noch einchecken. Und umziehen und
aufhübschen wollen wir uns auch. Die E-Biker nehmen den steilen Berg
zum Hotel mit einem Lächeln, die anderen quälen sich schon ein
bisschen arg. Schieben ist angesagt. Deshalb beschließen wir auch,
zum Abendessen zu Fuß in die Stadt zu gehen, um eine zweite Bergtour
am Tag zu vermeiden.
Das „Weinhaus Diez“ kann man nur
empfehlen, besonders denjenigen, die mal ein etwas anderes Gasthaus
erleben wollen. Mit einer Parkscheibe ist unser Tisch im Innenhof
reserviert worden. Originell. Und die Speisekarte bietet sehr
alternative Genüsse. Ich bestelle mal erst ein „Sugar Babe“,
einen süßen Wein – 0,25 Liter für 6 Euro.
Die Freunde verdrehen
sofort die Augen, denn für meine Leidenschaft für Süßes bin ich
bei denen arg verschrien. Als Vorspeise wähle ich Wildkräutersalat
mit Blutampfer, Rosenblättern, afrikanischem Basilikum,
Minzblättern.... hmmmm – köstlich.
Die Wirtin, eine verrückte
Nudel. Nicht nur mit Gin-Workshops und Rotwein-Genussabenden hat sich
die zertifizierte Wein- und Gewürzexpertin Ilona Gasteyer, deren
Onkel übrigens aus Koblenz kommt, einen großen Fankreis geschaffen.
Wir gehören, allein wegen ihrer sympathischen Art und der
überzeugenden Küche, seither dazu.
Ohne Absacker geht unser Freundeskreis
natürlich nie zu Bett. Es verschlägt uns in das „Wasserweibchen“,
wo sich die fünf Gäste dort erst einmal neugierig umdrehen, wen es
denn wohl in „ihr“ Revier verschlagen hat. Aber nachdem sie uns
gecheckt haben, sind wir akzeptiert und werden sogar in Gespräche
verwickelt. Wir stellen fest: Diez hat echt zutrauliche Einheimische.
Zurück im Hotel erwartet uns eine weniger schöne Überraschung.
Dass wir keinen „Gartenblick“ wie bestätigt und wie die anderen
beiden Paare, sondern „Parkplatzblick“ haben, stört uns nicht.
Aber den wirklichen Nachteil bemerken wir jetzt in der Nacht. Das
Zimmer ist nämlich schalltechnisch zur Lahn hin gelegen, wo an
diesem Wochenende Kirmes ist. Bis zum frühen Morgen dröhnen die
Bässe der Musik zu uns hinauf. Trotz geschlossenem Fenster ist an
einen ruhigen Schlaf nicht zu denken. Unsere Frage nach einem
Zimmerwechsel am nächsten Morgen wird wegen „Ausgebuchtseins“
abgelehnt. Und Booking.com nahm sich später von der Reklamation
nichts an, weil wir natürlich unsere Reklamation nicht schriftlich
fixierten und vom Hotel bestätigen ließen. Nun, ja. Schnee von
gestern.
Das Frühstück lassen wir uns
jedenfalls von der mehr oder weniger schlaflosen Nacht nicht
vermiesen. Das Buffet ist nicht extravagant, aber gut. Gekochte Eier,
Orangensaft, die Brötchen noch warm, Wurst und Käse. So gestärkt
schwingen wir uns später auf die Fahrradsattel, um uns auf dem
Lahntalradweg nach Limburg zu strampeln. Die Steigungen, die wir
beide am Tag zuvor schon hinter uns gebracht hatten, gilt es nun noch
einmal zu bewältigen. Die nicht Motor unterstützt Radelnden unter
uns, haben ganz ordentlich was zu leisten! Alle Achtung – einen
Schieber gibt es nicht. Alle haben offenbar echt gute Kondition, ich
hätte das nicht gepackt. So bin ich froh, mich für das E-Bike
entschieden zu haben. In Limburg angekommen, erleben wir einen wahren
Menschenauflauf. Etliche Busse haben sich in die Stadt entleert,
einen Radstellplatz zu finden für sechs Fahrräder ist nicht leicht.
Zu Fuß machen wir uns zunächst durch die mit malerischen
Fachwerkhäusern gesäumte Altstadt auf - in Richtung Dom.
Mal
gucken, ob wir Tebartz treffen. Seinen Prachtbau können wir von
außen ansehen. Sooo teuer sieht der nun auch wieder nicht aus. Aber
die wahren Schätze liegen wohl im Inneren. Und den Bauherrn können
wir nirgends entdecken.
Doch in der Altstadt dafür viele wirklich
schöne (Kunstgewerbe-)Geschäfte, in denen es mehr als den üblichen
Touristen-Schnickschnack zu kaufen gibt. Ich habe mir zur Sicherheit
schon bei der Ankunft im Bären-Treff eine Tüte Weingummis
organisiert – man weiß ja nie, wann es wieder was zu essen gibt.
Am Dom beschließen wir, uns für individuelle Stadtbesichtigungen zu
trennen. In 90 Minuten wollen wir uns am Fahrrad-Stellplatz wieder
treffen. Herrlich, sich mal eine Weile durch diese schöne Stadt
treiben zu lassen. Villa Lavendel gefällt mir sehr gut, allein der
Farbe wegen, die hier das duftende und wohltuende Artikelsortiment
bestimmt.
Und dann das Schokoladenhaus. Mit den verführerischsten
Schokoladenkreationen. Hier würde ich so gerne etwas einkaufen. Aber
bei Temperaturen von mehr als 25 Grad und noch weiteren vielen
Stunden unterwegs macht das wenig Sinn. Schokolade mit Earl Grey
Tea... Hmm. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Die Zeit drängt.
Schnell noch einen Kajal kaufen. Den habe ich zu Hause vergessen, und
jetzt sehen meine müden Augen noch müder aus. Dann die Freunde
suchen und wiederfinden.
Rolf sitzt schon auf einer Bank und
schleckt still vergnügt und genüsslich ein Eis. Würde ich wohl
auch wollen, aber ich bekomme immer Durst vom Eisessen. Das kann ich
beim Radfahren jetzt nicht gebrauchen. Zumal trinken zwangsläufig
auch Pipi-Pause bedeutet. Die muss noch warten. Wir folgen dem Lauf
der Lahn und landen in Runkel, wo Mittagspause angesagt ist. Der
beste aller Ehemänner zieht schon wieder einen Flunsch, weil er
Mittagessen für völlig überflüssig hält. Schließlich hat er zum
Frühstück seinen Magen so gut gefüllt, dass es ihn bis zum
Nachmittag nährt. Café/Pension Winston hat einen schönen Innenhof,
der einlädt zum Verweilen. Kuchen und herzhafte Kleinigkeiten werden
den hungrigen Radlern und Wanderern hier angeboten. Die Wirtsleute
allerdings – eine Katastrophe. Weder freundlich noch charmant.
Gäste werden wie lästige Insekten abgefertigt. Gar nicht schön.
Aber mit dem Essen sind wir zufrieden.
Am Leinpfad entlang geht es 13
Kilometer weiter Richtung Lahnschleuse Villmar. Wir legen einen Stopp
ein, denn das Schleusen mit Selbstbedienung in der 34 Meter langen
Schleusenwanne ist interessant zu beobachten. Zahlreiche Kanufahrer
grölen sich das leicht mulmige Gefühl (und den Alkohol) aus dem
Leib. Ein paar Übermütige Schleusenbediener springen vom Rand
hinunter in das Schleusenbecken. Bei der nächsten Lahnquerung
(Gräveneck) wechseln wir nicht nur die Fluss-Seite sondern auch die
Richtung. Bevor es jedoch die rund 25 Kilometer wieder zurück geht,
will „Uns Uwe“ noch ein Bad in der Lahn nehmen.
Das gönnen wir
ihm gerne, während wir am Ufer sitzen und die Beine im Fluss baumeln
lassen.
Als der Junge getrocknet ist, heißt es „Vollgas“ –
Freund Rolf gibt das Tempo vor. Er, ohne Motor, hängt uns, mit
Motor, beinahe ab. Man, geht der in die Pedalen! Einen Halt gibt es
zwischendurch nicht mehr. Abendessen haben wir im Hotel geplant.
Restaurant/Pizzeria – da gibt es für jeden etwas. Und die Küche
ist wirklich zu loben, die Bedienung ganz ausgezeichnet. Wir sitzen
draußen im Garten und fühlen uns nahezu wie in bella Italia.
Der nächste Tag ist Abreisetag. Doch
bis zum Abschiednehmen ist noch viel Zeit. Da knöpfen wir uns doch
glatt noch ein paar Kilometer auf dem Aartalradweg vor. Von der
fünfzig Kilometer langen Aar, dem linken Nebenfluss der Lahn, ist
selten mal was zu sehen, so schmal ist sie. Ab und zu hört man sie
wie einen Bach am Wegesrand plätschern, ab und zu zeigt sie sich
sogar. Der Radweg führt durch Felder und Wiesen. Nach 13 Kilometern
erreichen wir die Römerquelle und den Johannisbrunnen (Sauerbrunnen)
in Burgschwalbach.
Sofort füllen wir unsere Trinkflaschen mit dem
kostbaren Johannis, dem König der Tafel-Wasser, „das dem Magen
sehr nützlich und gut“ sein soll. Geschmacklich ist es allerdings
gewöhnungsbedürftig.
Langsam stellt sich bei den Freunden
das kleine Hüngerchen ein. Wir schauen hier und dort, finden aber
zunächst keine Restauration, mit der jeder zufrieden wäre.
Letztlich landen wir wieder in einem Ristorante/Pizzeria. „Da
Teresa“ heißt die direkt am Fahrradweg liegende Lokalität, die
wir auf dem Rückweg „überfallen“. Mit einer größeren Gruppe,
die hier irgend einen Festtag feiert, ist das Personal schon ziemlich
überfordert. Und jetzt kommen auch noch wir. Oh, Schreck. Der beste
aller Ehemänner will eigentlich nur ein Dessert. Doch: „Immer
derselbe Scheiß“ steht auf der Speisekarte. Er meint damit „Panna
Cotta“ und „Tiramisu“. Irgendwas findet er letztlich doch. Wir
bestellen. Wir warten. Eine Stunde später sitzen wir immer noch ohne
Essen am Tisch. Man hat vergessen, unsere Bestellung an die Küche
weiterzureichen. Wie schade. Wir trösten uns, dass vielleicht gerade
die Vorfreude auf die Köstlichkeiten das Schönste gewesen ist. Dann
gibt es eben kein Mittagessen. Ein Eisbecher in Diez wird uns auch
reichen. Im Eiscafé Rialto freuen wir uns zum Schluss über einen
Kiwi-Joghurt-Becher vom Feinsten. Danach: „Auf Wiedersehen,
Freunde“. Wir umarmen uns und versprechen uns gegenseitig, auch im
nächsten Jahr wieder eine Radtour zu machen. Ich bringe mein Fahrrad
noch zurück zur Tourist-Info. Nach dem wirklich gelungenen
Wochenende an der Lahn kann es jetzt nach Hause gehen. Erfreulich,
dass der Heimweg so kurz ist und wir keinen Stau erleben müssen.
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