Freitag, 1. Januar 2016

Zum Radfahren nach Diez

Nach ein paar Aussetzer-Jahren ist das Six-Pack in diesem Jahr wieder einmal Zweirad-bestückt unterwegs. Drei von uns per E-Bike, drei sind noch vieeel zu jung dafür, sie bevorzugen es, allein mit Muskelkraft kräftig in die Pedale zu treten. Start und Ziel der Radtouren ist Diez an der Lahn, so haben wir uns geeinigt. Da müssen längstens vier Stunden Anfahrt in Kauf genommen werden. Diesen schwarzen Peter haben Ria und Rolf, denn sie wohnen seit 2012 in Münster. Dann kommen Angelika und Uwe aus Breckerfeld (Nähe Hagen) und schließlich wir aus Koblenz. Für uns ist es nahezu ein Heimspiel, denn Diez liegt ja fast um die Ecke. 



Da das Wetter bombig ist (Sonne, 20 Grad), beschließen wir, schon früh morgens zu starten, damit wir den Tag nutzen können. Schließlich muss ich noch das Tage zuvor angefragte E-Bike bei der Tourist-Information in Diez abholen. Um 10.00 Uhr sollte es losgehen, doch der beste aller Ehemänner stellt fest, dass die Batterie des Kilometerzählers an seinem E-Bike (er hat sich vor einem Jahr ein eigenes gegönnt) leer ist. Dann findet er die Sicherungsgummis für den Radträger nicht. Tsss-tsss – schlechte Vorbereitung der Reise, mein Lieber. Aber irgendwann ist halt alles perfekt und wir können starten. Rudi, unser Navigationssystem, führt uns - die letzten paar Meter zu Fuß - ganz ordentlich.
Mehr als ganz ordentlich funktioniert die Abwicklung der Radausgabe an der Tourist-Info, die eine von vielen „Movelo-Verleihstationen“ ist. Die lady dort ist super freundlich und gibt noch Kartenmaterial „Radtouren Rhein-Lahn“, „Aartalradweg“ und Innenstadtkarte Diez dazu. Wir bezahlen den Mietpreis, der mit 36 Euro für Freitag Mittag bis Sonntag Mittag vereinbart war im Voraus, wobei wir eine positive Überraschung erleben. Denn tatsächlich will man jetzt nur 25 Euro von uns haben. Prima. Weil die Tourist-Info Sonntag Mittag geschlossen hat, erhalten wir zusätzlich einen Schlüssel für die auf dem Hof befindliche Garage. Dort sollen wir das Fahrrad zum Schluss einstellen und Schlüssel in den Briefkasten werfen. Bleibt nur die Sorge: Was ist bei einer Panne? Eine Hilfsanforderung wäre schließlich nicht möglich. Da muss man rein vorsorglich einfach mal auf Holz klopfen. Und auf reparatur-fähige Männer im radelnden Team für den Fall der Fälle hoffen.
Die Feuerprobe müssen Rad und Frau schon kurz nach Verlassen der Tourist-Info bestehen. Ein verdammt steiler Berg ist zu bezwingen, um zum gebuchten Hotel „Villa Oranien“ zu kommen. Also gleich den kleinsten Gang eingelegt, Turbo eingeschaltet und dann ziemlich entspannt – denn treten muss man schließlich auch bei einem E-Bike – hochgefahren. Mit einem normalen Rad hätte ich auf jeden Fall schieben müssen.
Unser Zimmer steht noch nicht zur Verfügung - erst ab 14 Uhr. Also machen wir uns gleich per Rad auf die erste kleine Tour der Lahn entlang in Richtung Limburg. Bis dorthin sind es rund acht Kilometer. So weit wollen wir natürlich nicht fahren, denn in zwei bis drei Stunden werden die Freunde in Diez eintreffen. Nach einem ersten kleinen Verfahrer, der uns an die Aar führt (nicht zu verwechseln mit der Ahr), finden wir schließlich den Lahntalweg, der zumindest auf den ersten zwei bis drei Kilometern viel rauf und runter zu bieten hat. Mit dem E-Bike ist das gut zu schaffen. Auf dem Weg entdecken wir „Das neue Mühlchen“, ein italienisches Restaurant mit großer Lahnblick-Terrasse. 

Ich bettele ein wenig, bis der beste aller Ehemänner klein beigibt und sich zur Einkehr bereit erklärt. Das Personal nimmt gerade sein Mittagessen auf der Terrasse ein, als wir es aufscheuchen. Gleich kommt ein Kellner zu uns, um uns charmant, wie Italiener meist so sind, die lukullischen Wünsche zu erfüllen. Ich will natürlich was essen. Nein, der beste aller Ehemänner will (wie immer) nicht. Ich bestelle einen Teller Caprese und für jeden von uns ein großes Glas Bananenweizen – alles zusammen für 15 Euro. Essen darf ich Caprese dann doch nicht alleine, denn es sieht so appetitlich aus, dass auch mein Liebster seinen Anteil einfordert. Herrlich ist es, hier zu sitzen, Sonne und Ruhe zu genießen. Die Ruhe vor dem Sturm sozusagen, denn ein Ausflug zu sechst ist zwar anregend, aber nicht unbedingt erholsam.

Als dann die erste SMS eintrifft: „Wo seid Ihr?“, sind wir schon fast zurück in Diez. 

Mit Ria und Rolf treffen wir uns in „Raths Café“ und ordern Schmandkuchen zur Feier der Begrüßungsstunde. Ein schönes Fleckchen zum Draußensitzen. Die Wespen verschonen uns, weil die Wirtsleute sie strategisch klug mit einem eigens für sie ausgelegten Futter von den Tischen der Gäste fernhalten. Ich bekomme, obwohl es nicht auf der Karte steht, meine Eiskugel im Espresso. Auf Kundenwünsche wird hier flexibel eingegangen. Fast schon eine Seltenheit in der Service-Wüste Deutschland.
Den Verdauungsspaziergang machen wir zum Lahn-Anleger, wo Schwäne und Enten von Passanten sozusagen totgefüttert werden mit Brot.

Ich wage einen Einwand vorzubringen und werde gleich auf das Wüsteste beschimpft. Was soll man nur gegen diese Uneinsichtigkeit der Menschen tun? Vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn Futterspender an den Ufern aufgestellt würden, so dass die Tiere wenigstens mit artgerechtem Futter überfüttert würden. Hinweisschilder „Füttern verboten“ wären eine alternative Maßnahme. Am anderen Ufer legt gerade die Lahn-Arche II an. Das ist ein großes, mit Holzstämmen verkleidetes Partyboot. Sieht echt zünftig aus. Wozu es später gebraucht würde, ist klar, als kistenweise Getränke an Bord gebracht werden. 
 
Während wir hier so in der Sonne sitzen und plaudern, kommt das dritte Paar hinzu. Das Wiedersehen feiern wir dieses Mal im Eissalon „Fontanella“. Auch wenn hier schon keine Sonne mehr scheint – die letzten Sonnenstrahlen sind nur am Lahnufer einzufangen – genießen wir das laue Lüftchen bei Eis, Cappuccino & Co. Vor dem Abendessen geht es nochmal zurück ins Hotel. Wir müssen schließlich noch einchecken. Und umziehen und aufhübschen wollen wir uns auch. Die E-Biker nehmen den steilen Berg zum Hotel mit einem Lächeln, die anderen quälen sich schon ein bisschen arg. Schieben ist angesagt. Deshalb beschließen wir auch, zum Abendessen zu Fuß in die Stadt zu gehen, um eine zweite Bergtour am Tag zu vermeiden.

Das „Weinhaus Diez“ kann man nur empfehlen, besonders denjenigen, die mal ein etwas anderes Gasthaus erleben wollen. Mit einer Parkscheibe ist unser Tisch im Innenhof reserviert worden. Originell. Und die Speisekarte bietet sehr alternative Genüsse. Ich bestelle mal erst ein „Sugar Babe“, einen süßen Wein – 0,25 Liter für 6 Euro. 

Die Freunde verdrehen sofort die Augen, denn für meine Leidenschaft für Süßes bin ich bei denen arg verschrien. Als Vorspeise wähle ich Wildkräutersalat mit Blutampfer, Rosenblättern, afrikanischem Basilikum, Minzblättern.... hmmmm – köstlich. 

Die Wirtin, eine verrückte Nudel. Nicht nur mit Gin-Workshops und Rotwein-Genussabenden hat sich die zertifizierte Wein- und Gewürzexpertin Ilona Gasteyer, deren Onkel übrigens aus Koblenz kommt, einen großen Fankreis geschaffen. Wir gehören, allein wegen ihrer sympathischen Art und der überzeugenden Küche, seither dazu.
Ohne Absacker geht unser Freundeskreis natürlich nie zu Bett. Es verschlägt uns in das „Wasserweibchen“, wo sich die fünf Gäste dort erst einmal neugierig umdrehen, wen es denn wohl in „ihr“ Revier verschlagen hat. Aber nachdem sie uns gecheckt haben, sind wir akzeptiert und werden sogar in Gespräche verwickelt. Wir stellen fest: Diez hat echt zutrauliche Einheimische. Zurück im Hotel erwartet uns eine weniger schöne Überraschung. Dass wir keinen „Gartenblick“ wie bestätigt und wie die anderen beiden Paare, sondern „Parkplatzblick“ haben, stört uns nicht. Aber den wirklichen Nachteil bemerken wir jetzt in der Nacht. Das Zimmer ist nämlich schalltechnisch zur Lahn hin gelegen, wo an diesem Wochenende Kirmes ist. Bis zum frühen Morgen dröhnen die Bässe der Musik zu uns hinauf. Trotz geschlossenem Fenster ist an einen ruhigen Schlaf nicht zu denken. Unsere Frage nach einem Zimmerwechsel am nächsten Morgen wird wegen „Ausgebuchtseins“ abgelehnt. Und Booking.com nahm sich später von der Reklamation nichts an, weil wir natürlich unsere Reklamation nicht schriftlich fixierten und vom Hotel bestätigen ließen. Nun, ja. Schnee von gestern.

Das Frühstück lassen wir uns jedenfalls von der mehr oder weniger schlaflosen Nacht nicht vermiesen. Das Buffet ist nicht extravagant, aber gut. Gekochte Eier, Orangensaft, die Brötchen noch warm, Wurst und Käse. So gestärkt schwingen wir uns später auf die Fahrradsattel, um uns auf dem Lahntalradweg nach Limburg zu strampeln. Die Steigungen, die wir beide am Tag zuvor schon hinter uns gebracht hatten, gilt es nun noch einmal zu bewältigen. Die nicht Motor unterstützt Radelnden unter uns, haben ganz ordentlich was zu leisten! Alle Achtung – einen Schieber gibt es nicht. Alle haben offenbar echt gute Kondition, ich hätte das nicht gepackt. So bin ich froh, mich für das E-Bike entschieden zu haben. In Limburg angekommen, erleben wir einen wahren Menschenauflauf. Etliche Busse haben sich in die Stadt entleert, einen Radstellplatz zu finden für sechs Fahrräder ist nicht leicht. Zu Fuß machen wir uns zunächst durch die mit malerischen Fachwerkhäusern gesäumte Altstadt auf - in Richtung Dom. 

Mal gucken, ob wir Tebartz treffen. Seinen Prachtbau können wir von außen ansehen. Sooo teuer sieht der nun auch wieder nicht aus. Aber die wahren Schätze liegen wohl im Inneren. Und den Bauherrn können wir nirgends entdecken. 

Doch in der Altstadt dafür viele wirklich schöne (Kunstgewerbe-)Geschäfte, in denen es mehr als den üblichen Touristen-Schnickschnack zu kaufen gibt. Ich habe mir zur Sicherheit schon bei der Ankunft im Bären-Treff eine Tüte Weingummis organisiert – man weiß ja nie, wann es wieder was zu essen gibt. Am Dom beschließen wir, uns für individuelle Stadtbesichtigungen zu trennen. In 90 Minuten wollen wir uns am Fahrrad-Stellplatz wieder treffen. Herrlich, sich mal eine Weile durch diese schöne Stadt treiben zu lassen. Villa Lavendel gefällt mir sehr gut, allein der Farbe wegen, die hier das duftende und wohltuende Artikelsortiment bestimmt. 

Und dann das Schokoladenhaus. Mit den verführerischsten Schokoladenkreationen. Hier würde ich so gerne etwas einkaufen. Aber bei Temperaturen von mehr als 25 Grad und noch weiteren vielen Stunden unterwegs macht das wenig Sinn. Schokolade mit Earl Grey Tea... Hmm. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Die Zeit drängt. Schnell noch einen Kajal kaufen. Den habe ich zu Hause vergessen, und jetzt sehen meine müden Augen noch müder aus. Dann die Freunde suchen und wiederfinden.

Rolf sitzt schon auf einer Bank und schleckt still vergnügt und genüsslich ein Eis. Würde ich wohl auch wollen, aber ich bekomme immer Durst vom Eisessen. Das kann ich beim Radfahren jetzt nicht gebrauchen. Zumal trinken zwangsläufig auch Pipi-Pause bedeutet. Die muss noch warten. Wir folgen dem Lauf der Lahn und landen in Runkel, wo Mittagspause angesagt ist. Der beste aller Ehemänner zieht schon wieder einen Flunsch, weil er Mittagessen für völlig überflüssig hält. Schließlich hat er zum Frühstück seinen Magen so gut gefüllt, dass es ihn bis zum Nachmittag nährt. Café/Pension Winston hat einen schönen Innenhof, der einlädt zum Verweilen. Kuchen und herzhafte Kleinigkeiten werden den hungrigen Radlern und Wanderern hier angeboten. Die Wirtsleute allerdings – eine Katastrophe. Weder freundlich noch charmant. Gäste werden wie lästige Insekten abgefertigt. Gar nicht schön. Aber mit dem Essen sind wir zufrieden.

Am Leinpfad entlang geht es 13 Kilometer weiter Richtung Lahnschleuse Villmar. Wir legen einen Stopp ein, denn das Schleusen mit Selbstbedienung in der 34 Meter langen Schleusenwanne ist interessant zu beobachten. Zahlreiche Kanufahrer grölen sich das leicht mulmige Gefühl (und den Alkohol) aus dem Leib. Ein paar Übermütige Schleusenbediener springen vom Rand hinunter in das Schleusenbecken. Bei der nächsten Lahnquerung (Gräveneck) wechseln wir nicht nur die Fluss-Seite sondern auch die Richtung. Bevor es jedoch die rund 25 Kilometer wieder zurück geht, will „Uns Uwe“ noch ein Bad in der Lahn nehmen. 


Das gönnen wir ihm gerne, während wir am Ufer sitzen und die Beine im Fluss baumeln lassen. 

Als der Junge getrocknet ist, heißt es „Vollgas“ – Freund Rolf gibt das Tempo vor. Er, ohne Motor, hängt uns, mit Motor, beinahe ab. Man, geht der in die Pedalen! Einen Halt gibt es zwischendurch nicht mehr. Abendessen haben wir im Hotel geplant. Restaurant/Pizzeria – da gibt es für jeden etwas. Und die Küche ist wirklich zu loben, die Bedienung ganz ausgezeichnet. Wir sitzen draußen im Garten und fühlen uns nahezu wie in bella Italia.

Der nächste Tag ist Abreisetag. Doch bis zum Abschiednehmen ist noch viel Zeit. Da knöpfen wir uns doch glatt noch ein paar Kilometer auf dem Aartalradweg vor. Von der fünfzig Kilometer langen Aar, dem linken Nebenfluss der Lahn, ist selten mal was zu sehen, so schmal ist sie. Ab und zu hört man sie wie einen Bach am Wegesrand plätschern, ab und zu zeigt sie sich sogar. Der Radweg führt durch Felder und Wiesen. Nach 13 Kilometern erreichen wir die Römerquelle und den Johannisbrunnen (Sauerbrunnen) in Burgschwalbach. 


Sofort füllen wir unsere Trinkflaschen mit dem kostbaren Johannis, dem König der Tafel-Wasser, „das dem Magen sehr nützlich und gut“ sein soll. Geschmacklich ist es allerdings gewöhnungsbedürftig.
Langsam stellt sich bei den Freunden das kleine Hüngerchen ein. Wir schauen hier und dort, finden aber zunächst keine Restauration, mit der jeder zufrieden wäre. Letztlich landen wir wieder in einem Ristorante/Pizzeria. „Da Teresa“ heißt die direkt am Fahrradweg liegende Lokalität, die wir auf dem Rückweg „überfallen“. Mit einer größeren Gruppe, die hier irgend einen Festtag feiert, ist das Personal schon ziemlich überfordert. Und jetzt kommen auch noch wir. Oh, Schreck. Der beste aller Ehemänner will eigentlich nur ein Dessert. Doch: „Immer derselbe Scheiß“ steht auf der Speisekarte. Er meint damit „Panna Cotta“ und „Tiramisu“. Irgendwas findet er letztlich doch. Wir bestellen. Wir warten. Eine Stunde später sitzen wir immer noch ohne Essen am Tisch. Man hat vergessen, unsere Bestellung an die Küche weiterzureichen. Wie schade. Wir trösten uns, dass vielleicht gerade die Vorfreude auf die Köstlichkeiten das Schönste gewesen ist. Dann gibt es eben kein Mittagessen. Ein Eisbecher in Diez wird uns auch reichen. Im Eiscafé Rialto freuen wir uns zum Schluss über einen Kiwi-Joghurt-Becher vom Feinsten. Danach: „Auf Wiedersehen, Freunde“. Wir umarmen uns und versprechen uns gegenseitig, auch im nächsten Jahr wieder eine Radtour zu machen. Ich bringe mein Fahrrad noch zurück zur Tourist-Info. Nach dem wirklich gelungenen Wochenende an der Lahn kann es jetzt nach Hause gehen. Erfreulich, dass der Heimweg so kurz ist und wir keinen Stau erleben müssen.