Freitag, 23. Dezember 2016

Es ist Krimitag - auch in Koblenz

Am 08. Dezember 2011 rief das „SYNDIKAT“, die Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur, den Krimitag ins Leben. Rund um diesen Tag werden an vielen Orten in Deutschland, Österreich und der Schweiz Veranstaltungen von und mit deutschsprachigen Krimi-Autor/innen für den guten Zweck organisiert. Auf diese Weise soll an den am 08. Dezember 1938 gestorbenen Schweizer Schriftsteller Friedrich Glauser erinnert werden, der als einer der ersten deutschsprachigen Kriminalroman-Autoren gilt.


Der jetzt 5. Koblenzer Krimitag fand einmal wieder im Polizeipräsidium Koblenz statt. Welcher Ort eignet sich schließlich besser für Krimilesungen als dieser, wo Tag für Tag professionell die realen Kriminalfälle des Lebens ermittelt werden, sinnierte der Polizeipräsident. 
Organisiert wurde die Veranstaltung von dem Kriminalroman-Autor Jörg Schmitt-Kilian, ehemaliger Drogenfahnder und Hauptkommissar, gemeinsam mit der Buchhändlerin Eva Pfitzner, Gründerin des „Leseratten-Service“. Neben Schmitt-Kilian waren Gabriele Keiser, Jutta Siorpaes und Arno Strobel von der schreibenden Zunft dabei, um Ausschnitte ihrer Geschichten vorzulesen.


Schmitt-Kilian stellte sich neben Sängerin Sabiene Jahn und Gitarrist Michael Bostelmann als Teil des „mörderischen Trios“ vor, das durch die Kombination von Krimi und Musik doppeltes Gänsehautgefühl bescherte. Ein Kurzkrimi, den er gemeinsam mit der Krimischriftstellerin Gabriele Keiser schrieb, führte die Zuschauer von einem Nationalpark in Kanada nach Ehrenbreitstein. Der wahre, im Jahr 1994 in Ehrenbreitstein begangene Sexualmord an der amerikanischen Studentin „Amy Lopez“ inspirierte das Autoren-Duo zu seiner Geschichte des Verbrechens. „Szenenwechsel“, sagte Schmitt-Kilian und nahm lesend das Publikum mit in eine Eisdiele auf dem Koblenzer Jesuitenplatz, wo Emily Howard auftaucht. Keiser las: „Scuse me, do you speak English?“. Amüsant zu hören, was eine Englischsprachige aus dem Wort „Ehrenbreitstein“ macht. Und dann ist sie auch schon tot, das zweite Opfer eines Winzersohnes – und wieder einmal nur des lieben Geldes wegen. Mit „Let it be“ übernahmen Jahn und Bostelmann den Ausgang der Geschichte.


Im folgenden Solo für Schmitt-Kilian erzählte er von den Hintergründen seiner beiden Krimis „Spurenleger“ und „Leichenspuren“, die erwachsen sind aus dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn im Jahr 2007. Dabei seien seine Phantasie als Krimiautor und sein in die Geschichte eingeflossener kriminalistischer Spürsinn später von der Realität überholt worden. Heilbronn wird im ersten Kapitel des 2009 erschienenen Krimis „Spurenleger“ zu Koblenz. Auf einem Parkplatz am Deutschen Eck fallen zwei Schüsse, und für zwei Polizisten „erlöschen die Lichter der Festung“. Zu den lyrischen Schlussworten, gemäß denen vor einem Wiedersehen im Paradies auf Erden noch viele Tränen fließen werden, war Claptons „Tears in Heaven“, mit viel Herzblut dargeboten vom Musiker-Duo Jahn/Bostelmann, die passende Antwort. 



Dann hieß es „Bühne frei“ für Gabriele Keiser, die sich nicht sicher ist, ob Frauen so hart wie Männer und Männer so zart wie Frauen schreiben können, wenn sie gefragt wird, worin sich männliche von weiblichen Krimiautoren unterscheiden. Auch bei Keiser strotzen die Romane geradezu vor Lokalkolorit. Ihr aktueller, aus dem sie vorlas, heißt „Goldschiefer“ und beschert Franca Mazzari, Kriminalkommissarin am K11 in Koblenz, ihren fünften Fall. Das Lesefenster gab Einblick in einen mysteriösen Knochenfund auf einem Friedhof in der Nähe von Neuwied. Die Zuhörer erlebten eine Szene im Büro des Kommissariats, in der das kollegiale Miteinander mehr Gewicht hatte als die beginnende Ermittlungsarbeit zum Fall des „Knochenmädchens“. 


Gemeinschaftlich mit der promovierten Historikerin Dr. Jutta Siorpaes schrieb Schmitt-Kilian den Band 3 seiner Krimi-Trilogie um den Polizistinnenmord am Deutschen Eck. Noch ist das Werk, das im Juli 2017 erscheinen soll, nur ein Manuskript mit dem Arbeitstitel „Der Rückkehrer“. Die Frauenrollen darin stammen aus Siorpaes Feder. Schmitt-Kilian bleibt seiner Linie treu, viel hinter die Kulissen zu blicken, in die Gefühlswelten der Frauen und Männer im Dienst einzutauchen. Siorpaes begann die Lesung mit Tagebucheintragungen eines zunächst unbenannten weiblichen Opfers. Die erzählten von einem Selbstmordversuch und von Bildern und Stimmen, die nicht ruhen wollen. Dann begegnete der Zuhörer Ayse und ihrem Freund Jan, wurde Zeuge des Einbruchs in ihre Wohnung in Lützel und einer, dem Offensichtlichen geschuldeten Verhaftung. 

Das war das Signal für die Steve Taylor Blues Band, die den Krimitag mit einem rockig-bluesigen Sound mitreißend umrahmte, einen sehr beeindruckenden „Mörder-Blues“ zu spielen. 



„Das Beste zum Schluss“, das war beim Krimitag der Besuch von Thriller-Autor Arno Strobel. Der Autor, der sich erst mit fast vierzig Jahren dem Schreiben zuwandte, ist nun schon seit Jahren auf der Spiegel-Bestsellerliste zu Hause. Neben einem sehr skurrilen Anti-Weihnachtsmarktgedicht lieferte er Leseproben aus seinem in diesem Jahr erschienenen Psychothriller „Die Flut“. Weil er beim Prolog anfing und erst danach einen Sprung zu dem sich auf Amrum ereignenden Verbrechen machte, konnte der Zuhörer faktisch der „Entstehung“ eines bestialischen und sadistischen Mörders beiwohnen. Ein Mann, bei dem schon früh „das Fremdartige endgültig die Herrschaft über seinen Verstand übernahm“. Strobel war als großer Formulierungskünstler mit bildhafter Sprache und als blendender Vorleser zu erleben. Als Autor taucht er vollends in die Täterseele ein. 


Die Leseprobe schickte einen kühlen Hauch des Grusels durch den Raum, der die Zuschauer noch auf dem Nachhauseweg in einer bedrückenden Spannung begleitete. Schließlich war die Nacht genau so dunkel wie die, in der der Mörder gerade erst grausam zugeschlagen hatte. Einzig beruhigend wirkten die noch länger hörbaren Klänge der Musik, mit der die Tom Taylor-Band den Abend ausklingen ließ. 


Montag, 28. März 2016

Barcelona, die Stadt, in der das Leben Vollgas gibt

Für unsere Flugreise im September 2015 nach Barcelona, wo wir uns mit den Brüdern und Schwägerinnen meines Mannes treffen wollen, haben wir uns dieses Mal einen Parkplatz mit Chauffeur im Umkreis des Kölner Flughafens gesucht. Dort angekommen, rufen wir die angegebene Nummer an und schwups kommt der kirgisische Fahrer aus dem Gebäude heraus, kontrolliert unsere Bestätigung, kassiert und bringt uns dann in einem Kleinbus zum Flughafen. Als Dankeschön für die Wahl des Unternehmens gibt es noch einen 2 Euro-Gutschein, den wir bei der nächsten Park & Drive-Buchung einlösen dürfen.
Für den Flug habe ich den Smart-Tarif gebucht. Da erlebt man live, was die Werbung immer erzählt: „Das und das ist alles inklusive!“ Grins, freu! „Aber für Dich nicht, weil Du nicht bei „X, Y“ gebucht hast!“ Oh, wie schade. Wir sind allerdings dieses Mal die von der Service-Sonne beschienenen. Auch wenn es nur eine Graubrotschnitte mit Käse, 0,2 Liter stilles Wasser und eine Cola-Dose im Spielzeugformat sowie ein Makro-Tütchen Gummibären gibt, fühlen wir uns wie auf Wolken gebettet, den ach so armen neben uns Sitzenden gegenüber, denen ruhig einmal der Neidzahn wachsen darf.

Nach der Landung das gewohnt lange Anstehen am Gepäckband. Irgendwie sind unsere Koffer immer unter den letzten zehn. Zum Hotel nehmen wir ein Taxi. Das bringt uns für 30 Euro in einem gefühlt gefahrenen Höllentempo in zwanzig Minuten zum Hotel Gaudi. Das liegt direkt gegenüber vom Palau Güell, ein von Gaudi gebauter Palast, der 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. 

Die berühmteste Straße der Stadt, wenn nicht gar des Landes, La Rambla, ist nur ein paar Schritte entfernt, womit allein die Lage des Hotels kaum zu toppen ist. An der Rezeption checken wir ein und erfahren, dass eine Schwägerin schon auf uns wartet. Die soll mal noch ein bisschen warten, wir wollen erst richtig ankommen. Das Empfangspersonal spricht ein wenig Deutsch, ansonsten aber eher Englisch und natürlich Spanisch. Die ganzen Formalitäten erledigen wir in Englisch – und ich werfe ab und zu ein paar Brocken Spanisch ein, die mir vom VHS-Kurs von einst noch in Erinnerung geblieben sind. Den Schlüssel für den Zimmersafe bekommen wir unentgeltlich, wenn wir auf die Versicherung verzichten. Wir verzichten.

Unser Zimmer liegt im dritten Stock. Beim Eintreten schnuppern wir kalten Zigarettenrauch – der Vormieter hat offensichtlich im Zimmer gequalmt. Das ist zunächst mal unangenehm, doch nachdem wir uns eingerichtet haben, nehmen wir den Geruch nicht mehr wahr, bzw. haben ihn mit Eigengerüchen überdeckt. Das Zimmer verfügt über eine Klimaanlage, die bei den hochsommerlichen Temperaturen sehr nützlich ist. Als ich das Fenster öffne, trifft mich fast der Schlag. Ausblick? Wir sehen drei Hauswände, die den innen gelegenen Schacht umgeben. Doch wenn wir den Kopf weit in den Nacken legen, sehen wir am „Ende des Tunnels“ ein Licht, ein Stück Himmel und die obersten Etagen von ein paar Gebäuden. Nun, gut. Wir trösten uns, dass wir vermutlich nicht viel Zeit auf dem Zimmer verbringen werden und höchstens am frühen Morgen oder in der späten Nacht eine Chance gehabt hätten, einen Blick aus dem Fenster zu werfen.

Jetzt, es ist zwischen 21 und 22 Uhr, gucken wir mal, ob die Dachterrasse einen besseren Ausblick bietet. Wow. Großartig! Da stehen wir, unter uns liegt Barcelona, am Horizont sehen wir den Hafen mit den großen Kreuzfahrtschiffen und direkt gegenüber befindet sich die Dachterrasse des Palau Güell, die mit ihren zahlreichen dekorativen und verspielt-bunten Figuren und Formen ein echter Hingucker ist. Auf der dem Palast zugewandten Seite der Hotelterrasse ist ein Whirlpool als schmaler Wasserkanal angelegt. So kann man hier wie ein Walross im Wasser liegen, seinen Körper von prickelnden Luftbläschen umspielen lassen und dabei Gaudis Werk bestaunen. Das ist wirklich ein Traum.

Inzwischen sind wir auf die Schwägerin gestoßen, die uns hier oben so viel zu erzählen hat von dem, was sie schon sah (sie ist schon gut einen Tag länger hier als wir) und was wir gemeinsam noch sehen sollen, dass wir diese phantastische Stimmung nicht länger aufnehmen und genießen können. An der Terrassenbar bestellen wir drei Martini und für uns beide, die wir bisher ja nur die Fluglinien-Graubrotschnitte intus haben, noch ein Baguette mit Jamon Serrano. Ein krönender Auftakt unseres Aufenthalts.
Schon vor Mitternacht sind wir so müde, dass wir uns in unser Zimmer verabschieden. Ich lasse mich aufs Bett fallen und springe wie ein HB-Männchen wieder heraus. Aua. Ist es zu glauben, dass eine Matratze so hart sein kann, dass es weh tut, wenn man sich darauf legt? Vermutlich werde ich am nächsten Morgen voller blauer Flecken sein. Bevor wir die Augen schließen, wenden wir uns unserem Lieblings-Streitthema zu. Fenster auf oder Fenster zu? Klimaanlage an oder aus? Wie meistens gelingt es mir, mich durchzusetzen. Der beste aller Ehemänner bekommt alle Decken, die der Zimmerschrank zu bieten hat auf sich geschichtet – und die Klimaanlage darf laufen. Yeah.

Frühstück im Hotel gibt es in Buffetform. Die Schwägerin meckert, weil das Angebot ihr nicht üppig genug ist. Ihr fehlt wohl Champagner, Lachs & Co. Denn ansonsten gibt es wirklich alles. Ein bisschen Obst, Joghurt, Zerealien, Saft, Eier, Aufschnitt.... Also mir ist das genug, ich bin sehr zufrieden. Der Gatte sowieso. Nach dem Frühstück nutzen wir die Zeit, bevor die anderen beiden Paare eintreffen, uns von der Schwägerin durch die Stadt führen zu lassen. Sie kennt, wie sie selbst es immer wieder betont, alles hier, denn sie ist jetzt schon zum zehnten Mal (oder wie viele Male waren es noch?) in der Stadt. Barcelona gefällt mir sofort. Wenn die Stadt auch vor Touristen nahezu überläuft, hektisch und laut erscheint, kommt man bei den Sehenswürdigkeiten nicht zu kurz. Schnell gewöhnen wir uns an das brodelnde Leben auf den Wegen und Plätzen und fotografieren wie die Weltmeister, damit das Kopfkino zu Hause Unterstützung bekommt. Mit der Schwägerin gehen wir zur Kirche Santa María del Mar im Stadtteil El Born. In 54 Jahren wurde das Gotteshaus errichtet, und alle Bewohner des Viertels sollen etwas dazu beigetragen haben.

Ich verzichte darauf, sie mir von innen anzusehen, setze mich lieber auf die Stufen davor und beobachte das Leben auf dem Platz. Hier könnte ich den ganzen Tag sitzen bleiben. Weiter geht es unter Schwägerins Führung zum Palau de la Musica Catalana, auch „Palau 100“, wo sie eine Sekt-Pause eingeplant hat. Mehr als hundert Jahre hat das Gebäude auf dem Buckel. Den als „einzigartig“ beschriebenen Konzertsaal sehen wir allerdings nicht. 

Wir suchen uns ein Schattenplätzchen auf dem Platz davor, wo es vielerlei Leckereien für den hier Rastenden gibt. 

Auch im Inneren des Gebäudes ließe es sich gut sitzen und genießen. Die Gestaltung des Saals mit durch buntes Glas hineinströmendem Licht und Farbenspielen ist bombastisch. Anschließend besichtigen wir zwei der viel gerühmten Mercats von Barcelona.

In den Markthallen finden wir alles, was das Herz begehrt und noch viel mehr. Leider stürmen wir viel zu schnell hindurch, Schwägerin beschränkt sich bei ihrer Führung fast ausschließlich auf die Fischtheken, dabei hätte ich doch so gerne... Nun, wir sind nicht alleine, da muss man halt Kompromisse eingehen. Dann zieht sie uns zielstrebig zur Placa Reial, ein Platz, der als besonders schick gilt. Rund um den Platz haben sich Restaurants angesiedelt – also mir sieht das sehr nach Touristen-Nepp aus. 

Doch die Schwägerin schwört auf eines der Restaurants, wo sie schon seit Jahren Stammgast sei und sogar die Kellner gut kenne. Nun, ja. Auf jeden Fall sitzen wir hier sehr schön, können Leute gucken, sehen ein paar Palmen und bewundern den Springbrunnen und die Laternen, die Gaudi geschaffen hat. Wir essen eine Kleinigkeit. Ich bestelle einen Käseteller und werde damit nicht wirklich glücklich. Offenbar hat man uns als Kurzzeit-Touristen erkannt und auf meinem Teller den Käse von vorgestern entsorgt. Auch die bestellte Sangria ist nicht überzeugend. Lieblos, vermutlich direkt aus der Flasche in die Karaffe gefüllt, in die sich ein paar Zitrusfrucht-Scheiben verirrt haben. Immerhin: Die Oliven sind ganz in Ordnung. Bevor wir ins Hotel gehen, um die übrigen Familienmitglieder zu begrüßen, kaufen wir noch schnell Wasser für den nächtlichen Durst im neben dem Hotel gelegenen Supermarkt ein. Zu bezahlen haben wir drei Euro. Der beste aller Ehemänner reicht dem Kassierer einen 5-Euro-Schein. Das Wechselgeld herauszugeben, wird dann gleich mal vergessen. Man - muss man denn in jeder Touristenstadt so abgezockt werden? Sehr ärgerlich.
Einer der beiden jetzt hinzugekommenen Brüder hat an diesem Tag Geburtstag. Da gibt es natürlich erst einmal ein großes Hallo. Und weil sich alle vor einem Jahr zum letzten Mal gesehen haben, wird furchtbar viel erzählt. Das geschieht vornehmlich auf der Dachterrasse unseres Hotels, wo wir um diese Zeit die einzigen Gäste sind. Eigentlich würde ich viel lieber starten und weiter die Stadt angucken. Als endlich alle inter-familiären Probleme besprochen sind, stellen wir fest, dass ein Teil der Familie verloren gegangen ist. Der Rest ist offenbar, ohne dass wir es bemerkt haben, schon losgezogen. So gehen die beiden Brüder und ich gemeinsam über die Rambla, an der Kolumbus-Säule

vorbei zum Hafen und weiter zum Strand, der an den Stadtteil Barceloneta grenzt. Rund dreißig Minuten Fußweg haben wir jetzt hinter uns. 

Barceloneta umweht immer noch der Hauch des alten Fischerviertels, das es einst war. 

An der zum Meer hinführenden Straße reihen sich Restaurants und Cafés aneinander. Gegenüber befindet sich der Hafen mit vielen Segelbooten und Motoryachten. 

Davor ist gerade eine Kirmes aufgebaut. Mit dem Geburtstagskind suchen wir uns einen der (wenigen) freien Tische in den proppevollen Strandbars. Bei einem geeisten Café blicken wir glücklich auf das Meer und in der Ferne auf das neue Wahrzeichen von Barcelona, das segelförmig gebaute "W-Hotel" und auf die Twin Towers, die Teil des für die Spiele 1992 errichteten Olympischen Dorfes sind.

Am Abend ist die Familie wieder vereint. Zu Fuß geht es zu der Tapas-Bar „V.O.“, in der die Schwägerin auf Wunsch des (einladenden) Geburtstagskindes Plätze reserviert hat. Wir sitzen an einem langen Thekentisch und bedienen uns an den auf der Speisetheke ausgestellten Tellerchen mit kleinen, leckeren Spezialitäten. Tapas wie Brotscheiben mit Ziegenkäse plus süßem Mousse, mit Fisch- oder Wurstpasteten, Fleisch- und Fischklopse sind auf Spießchen gesteckt. Abgerechnet wird zum Schluss nach der Anzahl der leer gegessenen Spießchen. Als Nachtisch wähle ich Mousse au Chocolat mit Nüssen und Waldfrüchten. Hach, wie gut es mir geht! Für den Absacker hat sich unsere Schwägerin die Bar Schilling ausgesucht. So eine hippe Bar zum Chillen mit sehr lauter Musik, die wenig Freiraum für Gespräche lässt. Die Cocktails sind auch nicht umwerfend, im wahrsten Sinne des Wortes. Mojito und Caipirinha sind mit rund 7 Euro nicht gerade preiswert, haben dafür auch nicht viel Alkohol zu bieten.
Am nächsten Morgen besorgen wir uns auf der Rambla ein 2-Tages-Ticket für die Sightseeing-Busse. 31 Euro bezahlen wir pro Person dafür. Gegenüber vom Columbus-Denkmal starten wir. Heute fahren wir mit der Roten Linie. Einen der Doppeldecker müssen wir durchwinken, in ihm hätten wir zu siebt keinen Platz mehr auf dem Oberdeck gefunden, wo wir natürlich alle sitzen wollen bei diesem Traumwetter. 

Da die Busse aber wirklich alle fünf bis fünfzehn Minuten kommen, ist das Warten auf den nächsten kein Problem. Die Bustouren sind eine sehr bequeme Art, sich eine fremde Stadt anzusehen, zumal einem dabei der Fahrtwind frische Luft um die Nase bläst. Bis jeder von uns den deutschen Kanal gefunden hat, dauert es eine Weile, doch dann sitzen wir ganz zufrieden in unseren Sitzen und lassen uns Gebäude und Sehenswürdigkeiten erklären. 

Hängen bleibt dabei natürlich nichts. Aber man hat es wenigstens mal gehört. Wer will, kann es ja im Stadtführer nachlesen. Ist unsere Familie kulturversessen genug? Eigentlich sind alle wohl vorwiegend froh, nicht laufen und sich durch die Menschenmassen schieben zu müssen. Auf den Haltestellen-Dächern sehen wir immer wieder unzählige der kleinen Kopfhörer, die Touristen hier oben offensichtlich entsorgen. Nach rund zwei Stunden beschließen der beste aller Ehemänner und ich, in Barceloneta auszusteigen, um noch ein wenig Strand zu genießen. In das Lokal, das wir uns ausgesucht haben, kommen wir wegen Überfüllung nicht. Außerdem erscheint das Personal extrem lustlos. Am Strand ist es mindestens ebenso voll. Und die Ruhesuchenden werden vom Heer der Strand-Händler im Minuten-Rhythmus gestört. Massagen, Tücher, Getränke – alles wird angeboten. Der Gatte will ein Sonnenbad nehmen, eventuell sogar baden – seine neue Leidenschaft. Ich habe zu weder noch Lust, sondern will mich lieber ein wenig im Stadtteil umschauen. Eine Gasse nach der anderen durchkämme ich. Ich sehe vorwiegend mehrstöckige Wohnhäuser und fast ebenso viele Restaurants. Meinen Schatz finde ich bei der Rückkehr zum Strand zur vereinbarten Stunde nicht an der verabredeten Stelle. Hoffentlich ist er nicht ertrunken. Aber die allgemeine Gelassenheit sagt mir, dass hier gerade kein Unglück geschehen ist. Ich rufe ihn an und höre, dass er gegangen ist, weil er vergeblich auf mich warten musste. Ja, ist das denn möglich? Da findet man sich nicht einmal am Strand wieder? Egal. Ich mache mich zu Fuß auf den Rückweg zum Hotel und gehe dabei durch das Altstadtviertel, das sich östlich der Rambla befindet. Ich komme an unzähligen Cervezerias und Tapasbars vorbei. Sie bilden Tür an Tür nahezu eine geschlossene Front. Die wird gelegentlich unterbrochen durch Kunstgewerbe- oder Souvenir-Geschäfte. Beinahe hätte ich die Rambla nicht wiedergefunden, weil das Gewirr der Gassen meinen sowieso nicht ausgeprägten Orientierungssinn völlig verwirrt hat. Einen Moment lang schaue ich auf der Flaniermeile noch den Zeichnern und Malern zu, die sich mit dem Anfertigen von Porträts ihr Geld verdienen. Zum Schluss gehe ich in einen Souvenir-Shop, um mir ein Barcelona-Shirt zu kaufen. Eigentlich bringe ich mir aus jedem Urlaub eines mit. Mittlerweile sind die doch qualitativ hochwertiger geworden und auch vom Design her ansprechend. In fast jedem dieser Läden sind (wie ich sie einschätze) Tamilen als Personal im Einsatz. Als ich von einem dort doof angemacht werde, mache ich mich aus dem Staub. Das T-Shirt kann warten. Beim gemeinsamen Abendessen gibt es für mich eine kleine Köstlichkeit: Kalbsbäckchen in Sherry-Sauce. Ich könnte mich hineinsetzen. Dem besten aller Ehemänner schmeckt es dagegen mal wieder nicht. Er könnte eigentlich die Hauptrolle in dem Film „Maria, ihm schmeckt's nicht“ spielen. Früher, als ich ihn 1888 oder so kennenlernte, hat er nichts anderes als Schweinefilet gegessen. Doch das spanische „el cerdo“ hat wahrscheinlich zu viel Knoblauch gefressen – wer weiß? Da kann man nichts machen. Muss der Gatte eben vom Frühstück und vom Absacker leben. Den nehmen wir heute unter den Arkaden an der Placa Reial in der Cervezeria Canarias ein. Ein Glas Sangria kostet 4,20, ein Glas Gin Tonic 6,55 und ein Mojito 6,75 Euro. Preiswert gegenüber anderen europäischen, touristisch besonders attraktiven Städten. Wir kurbeln jetzt mal trinkend die spanische Wirtschaft ein wenig an. Im Hotelzimmer checke ich noch schnell E-Mails und suche im Internet nach der Adresse meiner Tante, weil ich ihr eine Grußkarte schicken soll. Um 1.30 Uhr schließe ich das Tablet. Da schläft mein Götter-Gatte schon tief.

Beim Frühstück am nächsten Morgen helfe ich den Verwandten dabei, die für heute benötigten Eintrittskarten für die Kathedrale Sagrada Familia, Gaudis berühmtestes Bauwerk, im Internet zu buchen. Nach 45 Minuten ist es geschafft. Das Buchen müssen die Hotelgäste selber hinkriegen, die Tickets ausdrucken, das erledigt man an der Rezeption gerne für sie. Sagrada Familia erreichen wir, wenn wir heute die Blaue Linie nehmen. Die Strecke ist von den Bauwerken her, an denen wir vorbeifahren, nicht ganz so beeindruckend wie der Roten. Auf der Hinfahrt umrundet der Bus die von Gerüsten, Bauplanen und Kränen umgebene Kathedrale, so dass wir zumindest von außen schon ganz viel zu sehen bekommen. Der Bau der Kathedrale wurde im Jahr 1882 begonnen und soll zum 100. Todestag von Gaudi im Jahr 2026 fertig gestellt sein.

Der beste aller Ehemänner, sein ältester Bruder und ich verzichten an diesem sonnigen Tag darauf, sie uns auch von innen anzuschauen. Wir besuchen statt dessen den Park Güell, für dessen Entwurf Gaudi im Jahr 1900 den Auftrag bekam. Natürliche Formen nahm er als Vorbild für Wege und die von Säulen gestützten Grotten und Brücken. 

In einem der beiden am Eingang befindlichen Häuser hat Gaudi übrigens selbst gewohnt. Heute ist es ein Museum. Eintritt muss man für den Park nur bezahlen, wenn man bestimmte Bereiche, wie die riesengroße Säulenhalle besichtigen will. Wollen wir nicht. Wir wollen uns einfach nur treiben lassen, frische Luft genießen und Gaudis Ideen bestaunen. In den Grotten präsentieren Musiker ihr Können. Was für eine Atmosphäre! Ich bekomme Gänsehaut, so schön ist das. Wenn es nach mir ginge, bliebe ich hier noch stundenlang sitzen. Doch meine männlichen Begleiter reiten weniger auf der romantischen Welle. Nachdem ich im Museumsshop noch ein paar Gaudi-Kleinigkeiten zur Erinnerung gekauft habe, verlassen wir den Park und lassen uns in einem Restaurant in der Nähe zum Essen nieder. Touristisches Schnell-Schnell, aber immerhin, trotz Gaudi-Nähe, nicht überteuert. Nur das bestellte Bocadillo kommt leider nicht an meinen Tisch. Nach meiner Beanstandung wird es innerhalb von einer Minute gebracht, allerdings mit „jamon dulce“, also gekochtem Schinken, den ich nicht bestellt habe. Das Bocadillo geht daher zurück. Die hübsche asiatische Chef-Bedienerin entschuldigt sich sehr charmant mit Mäuschen-Stimme, wovon ich allerdings nicht satt werde. Doch noch einmal zu warten, habe ich keine Lust. Wir bummeln langsam zur nächsten HopOn-HopOff-Haltestelle. Vorher klappere ich einige Souvenir-Läden ab, die durchaus nicht nur billigen Touristen-Mist im Angebot haben, sondern viele nette, mit Kunst oder kunstvoll aufgewertete Kleinigkeiten wie Kalender, Tücher oder Schlüsselanhänger im Zeichen von Gaudi, Picasso oder anderen Künstlern, die sich einst in Barcelona austobten. Alltagstaugliche Erinnerungen an den Barcelona-Aufenthalt. Die Rückfahrt ist von Feierabend bedingten Verkehrsstaus geprägt. Da hätte man genau so gut neben dem Bus herlaufen können. Am Plaza Catalunya steigen wir aus. 

Die Herren steuern ein Café an, ich bummele noch ein wenig durch die Innenstadt mit ihren hübschen Häuserfassaden, Geschäften, Bars, Bäckereien. Dieses Mal passiert es mir tatsächlich, dass ich mich in den kleinen Gassen verlaufe. Doch die an jeder Ecke angebrachten Wegweiser helfen relativ schnell aus der Patsche. Einmal die Rambla erreicht, ist es leicht, zum Hotel zurückzufinden. Doch über die Straße komme ich nicht mehr, denn plötzlich ist ein Festumzug aufgetaucht, in dem große Figuren mitgetragen werden. 

Musikgruppen komplettieren das Ganze. Ein bisschen wie ein Karnevalsumzug bei uns. Nur Kamelle fliegen keine und Helau-Rufe sind auch nicht zu vernehmen. Der Umzug ist der Auftakt der „Festes de la Mercè“, das größte Fest der Stadt zu Ehren der Schutzpatronin Mercè. 
Spät, aber noch gerade rechtzeitig zum gemeinsamen Aufbruch gen Abendessen erreiche ich schließlich das Hotel. Wir steuern dasselbe Restaurant wie am Vortag an, erleben jetzt aber eine recht unfreundliche Bedienung. Unser Wunsch auf getrennte Rechnungslegung hat ihr wohl die Laune vermiest. Das ist eben in Spanien so gar nicht bekannt und noch weniger beliebt bei dem Personal. Des lieben Friedens Willen teilten wir die Rechnungssumme nachher dann doch durch die Anzahl der Mitesser. Einen letzten Absacker nehmen wir in einer der Bars auf der Placa Reial. Wir umarmen einander, denn Abschiednehmen ist angesagt. Die ersten vier Verwandten fliegen morgen zurück nach Hause. Bis wir endlich im Zimmer sind, ist es 2 Uhr morgens. Gute Nacht. Zum Frühstück sind die anderen schon weg. Nur die Schwägerin ist noch bis morgen in unserer Gesellschaft. Wir checken das Wetter auf der Dachterrasse, wo ein Ehepaar gerade nicht nur seine Beine im sprudelnden Wasser des kleinen Whirlpools, sondern auch seine Seele baumeln lässt. Zu dritt ziehen wir los Richtung Arc de Triomf, der 1888 anlässlich der Weltausstellung errichtet wurde. 

Gerade wird dort eine Weinmesse abgehalten. Würde man die Sprache verstehen, könnte man hier eine prima Weinverkostung erleben. Allerdings wäre der weitere Tag dann gelaufen. Wir ziehen durch den Parc de la Ciutadella, in dem auf verschiedenen Bühnen Showprogramme gezeigt werden und Musikbands spielen. 

Wir wollen am Strand einen kleinen Drink zu uns nehmen. In der ersten Bar mit Lounge-Ambiente werden wir nicht bedient, die Servicekräfte schlafen vor sich hin. Alle anderen Bars wollen nur Gäste, die opulente Mahlzeiten ordern. In Ortsteil Barceloneta werden wir doch noch fündig. Direkt an der Straße gelegen, aber immerhin mit Meerblick lassen wir uns in einem WOK-Lokal nieder. Der beste aller Ehemänner entdeckt „Curry-Huhn“ für sich, womit die lunch-time für alle drei gerettet ist. 

Nach Sangria und Essen sind wir so müde, dass wir uns an dem stark belagerten Strand aufs Ohr hauen. Später, auf dem Rückweg zum Hotel, gönnen wir uns für 1,50 Euro eine Kugel Eis „sizilianische Zitrone“ und bummeln durch die Altstadt weiter. Es ist Wochenende und das Leben brodelt hier immer stärker. Fußgänger und Gefährte jeglicher Art begegnen sich hier und bewegen sich gleichberechtigt fort. An der Placa de la Seu in der Nähe der Kathedrale finden wir am Abend ein Restaurant mit einem freien Tisch, was gar nicht so leicht war an diesem Wochenende. Nur eine Kleinigkeit wollen wir zu uns nehmen, denn das Mittagessen füllt die Mägen noch gut. Ich wähle eine Crepe mit flüssiger Schokolade. Auf dem Rückweg am späten Abend geraten wir schon wieder in den Festumzug, der mich schon am Vortag aufgehalten hatte. Vor uns Trommler, hinter uns Feuer speiende Drachen. Tausende Zuschauer säumen die Straßen, und wir sind ungewollt Zugteilnehmer. Als der Zug zu Ende ist, gibt es keine vermüllten Straßen und keine alkoholisierten Jugendlichen, wie es bei uns Standard ist, wenn der Rosenmontagszug „durch“ ist. 

An unserem letzten Barcelona-Tag begleitet uns die Schwägerin noch bis zum Mittag, dann geht ihr Flieger. Zu dritt verweilen wir ein letztes Mal auf der schönen Dachterrasse des Hotels, winken den greifbar nah scheinenden Besuchern auf dem Dach des Palau Güell gegenüber zu. Dann machen wir uns auf zum Hafen. Der beste aller Ehemänner und ich buchen eine vierzig minütige Hafenrundfahrt und winken der Schwägerin vom Deck aus zum Abschied zu. Die Fahrt geht durch den Containerhafen, vorbei an spektakulär großen Kreuzfahrtschiffen, am Yachthafen und entlang des Fischereihafens. 

Sogar den Start des Hubschraubers, der Rundflüge anbietet, können wir gerade erleben. Hinterher schauen wir eine Weile einer Folklore-Tanz- und Musikgruppe auf einer Bühne vor dem Yachthafen zu, die dort im Rahmen des Mercè-Festes auftritt. Wir laufen über die Kirmes, beobachten die Fahrgeschäfte und betrachten die Auslagen der Kunsthandwerker-Stände. Der Gatte will dann wieder zum (noch proppevolleren) Strand, ich will lieber weiter gucken. Zum Schluss finde ich ihn tatsächlich am verabredeten Strand-Fleckchen und geselle mich noch etwas dazu. Doch Ruhe findet man hier keine, rundherum wird gelacht und geschwatzt. An der Mole entdecken wir einige Tamilen an ihrem „Mojito-Lager“. Hier bereiten sie die Cocktails zu, die sie am Strand anbieten. Ein Angebot, das sehr gut angenommen wird. Jetzt kommt eine Frau zur Mole. Riesige Plastiktüten hat sie dabei. Darin sind Brot und Fleischreste. Sie füttert die Möwen. Eine Ratte gesellt sich dazu und findet auch für sich etwas Leckeres. Eigentlich will die Frau wohl die Katzenfamilie satt machen, die zwischen den Molen-Steinen lebt. Aber meist sind die Möwen schneller bei den Fleischbrocken. Da nützen die besten Ablenkungsmanöver nichts.

Wir verabschieden uns mit viel Wehmut vom Strand und von Barcelona. Jetzt hatten wir uns so schön an das brodelnde Leben in der Stadt gewöhnt, was uns am Anfang noch ein wenig erschreckt hatte. In einer Bar gegenüber vom Hafen bestellen wir Sangria, Burger und Chicken Wings – zugegebenermaßen nicht besonders spanisch, aber wir haben Lust drauf. Langsam wird es schon dunkel. Noch einmal bummeln wir am Hafen entlang. In einem Café dort trinken wir den letzten Café Bonbon (Espresso mit einer darunter liegenden Schicht süßer Milch, manchmal auch mit Schaumhaube). 

Und dann ist Schluss. Um 7.15 Uhr am nächsten Morgen holt uns das Taxi ab, das uns zum Flughafen fährt, von wo wir um 9.45 Uhr Richtung Heimat abheben. Barcelona nehmen wir auf in die Liste unserer liebsten Reiseziele. Hier gibt es noch viel zu entdecken. Bei jeder Reise hierher lässt sich das barcelonische Lebensgefühl einatmen.

Freitag, 1. Januar 2016

Zum Radfahren nach Diez

Nach ein paar Aussetzer-Jahren ist das Six-Pack in diesem Jahr wieder einmal Zweirad-bestückt unterwegs. Drei von uns per E-Bike, drei sind noch vieeel zu jung dafür, sie bevorzugen es, allein mit Muskelkraft kräftig in die Pedale zu treten. Start und Ziel der Radtouren ist Diez an der Lahn, so haben wir uns geeinigt. Da müssen längstens vier Stunden Anfahrt in Kauf genommen werden. Diesen schwarzen Peter haben Ria und Rolf, denn sie wohnen seit 2012 in Münster. Dann kommen Angelika und Uwe aus Breckerfeld (Nähe Hagen) und schließlich wir aus Koblenz. Für uns ist es nahezu ein Heimspiel, denn Diez liegt ja fast um die Ecke. 



Da das Wetter bombig ist (Sonne, 20 Grad), beschließen wir, schon früh morgens zu starten, damit wir den Tag nutzen können. Schließlich muss ich noch das Tage zuvor angefragte E-Bike bei der Tourist-Information in Diez abholen. Um 10.00 Uhr sollte es losgehen, doch der beste aller Ehemänner stellt fest, dass die Batterie des Kilometerzählers an seinem E-Bike (er hat sich vor einem Jahr ein eigenes gegönnt) leer ist. Dann findet er die Sicherungsgummis für den Radträger nicht. Tsss-tsss – schlechte Vorbereitung der Reise, mein Lieber. Aber irgendwann ist halt alles perfekt und wir können starten. Rudi, unser Navigationssystem, führt uns - die letzten paar Meter zu Fuß - ganz ordentlich.
Mehr als ganz ordentlich funktioniert die Abwicklung der Radausgabe an der Tourist-Info, die eine von vielen „Movelo-Verleihstationen“ ist. Die lady dort ist super freundlich und gibt noch Kartenmaterial „Radtouren Rhein-Lahn“, „Aartalradweg“ und Innenstadtkarte Diez dazu. Wir bezahlen den Mietpreis, der mit 36 Euro für Freitag Mittag bis Sonntag Mittag vereinbart war im Voraus, wobei wir eine positive Überraschung erleben. Denn tatsächlich will man jetzt nur 25 Euro von uns haben. Prima. Weil die Tourist-Info Sonntag Mittag geschlossen hat, erhalten wir zusätzlich einen Schlüssel für die auf dem Hof befindliche Garage. Dort sollen wir das Fahrrad zum Schluss einstellen und Schlüssel in den Briefkasten werfen. Bleibt nur die Sorge: Was ist bei einer Panne? Eine Hilfsanforderung wäre schließlich nicht möglich. Da muss man rein vorsorglich einfach mal auf Holz klopfen. Und auf reparatur-fähige Männer im radelnden Team für den Fall der Fälle hoffen.
Die Feuerprobe müssen Rad und Frau schon kurz nach Verlassen der Tourist-Info bestehen. Ein verdammt steiler Berg ist zu bezwingen, um zum gebuchten Hotel „Villa Oranien“ zu kommen. Also gleich den kleinsten Gang eingelegt, Turbo eingeschaltet und dann ziemlich entspannt – denn treten muss man schließlich auch bei einem E-Bike – hochgefahren. Mit einem normalen Rad hätte ich auf jeden Fall schieben müssen.
Unser Zimmer steht noch nicht zur Verfügung - erst ab 14 Uhr. Also machen wir uns gleich per Rad auf die erste kleine Tour der Lahn entlang in Richtung Limburg. Bis dorthin sind es rund acht Kilometer. So weit wollen wir natürlich nicht fahren, denn in zwei bis drei Stunden werden die Freunde in Diez eintreffen. Nach einem ersten kleinen Verfahrer, der uns an die Aar führt (nicht zu verwechseln mit der Ahr), finden wir schließlich den Lahntalweg, der zumindest auf den ersten zwei bis drei Kilometern viel rauf und runter zu bieten hat. Mit dem E-Bike ist das gut zu schaffen. Auf dem Weg entdecken wir „Das neue Mühlchen“, ein italienisches Restaurant mit großer Lahnblick-Terrasse. 

Ich bettele ein wenig, bis der beste aller Ehemänner klein beigibt und sich zur Einkehr bereit erklärt. Das Personal nimmt gerade sein Mittagessen auf der Terrasse ein, als wir es aufscheuchen. Gleich kommt ein Kellner zu uns, um uns charmant, wie Italiener meist so sind, die lukullischen Wünsche zu erfüllen. Ich will natürlich was essen. Nein, der beste aller Ehemänner will (wie immer) nicht. Ich bestelle einen Teller Caprese und für jeden von uns ein großes Glas Bananenweizen – alles zusammen für 15 Euro. Essen darf ich Caprese dann doch nicht alleine, denn es sieht so appetitlich aus, dass auch mein Liebster seinen Anteil einfordert. Herrlich ist es, hier zu sitzen, Sonne und Ruhe zu genießen. Die Ruhe vor dem Sturm sozusagen, denn ein Ausflug zu sechst ist zwar anregend, aber nicht unbedingt erholsam.

Als dann die erste SMS eintrifft: „Wo seid Ihr?“, sind wir schon fast zurück in Diez. 

Mit Ria und Rolf treffen wir uns in „Raths Café“ und ordern Schmandkuchen zur Feier der Begrüßungsstunde. Ein schönes Fleckchen zum Draußensitzen. Die Wespen verschonen uns, weil die Wirtsleute sie strategisch klug mit einem eigens für sie ausgelegten Futter von den Tischen der Gäste fernhalten. Ich bekomme, obwohl es nicht auf der Karte steht, meine Eiskugel im Espresso. Auf Kundenwünsche wird hier flexibel eingegangen. Fast schon eine Seltenheit in der Service-Wüste Deutschland.
Den Verdauungsspaziergang machen wir zum Lahn-Anleger, wo Schwäne und Enten von Passanten sozusagen totgefüttert werden mit Brot.

Ich wage einen Einwand vorzubringen und werde gleich auf das Wüsteste beschimpft. Was soll man nur gegen diese Uneinsichtigkeit der Menschen tun? Vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn Futterspender an den Ufern aufgestellt würden, so dass die Tiere wenigstens mit artgerechtem Futter überfüttert würden. Hinweisschilder „Füttern verboten“ wären eine alternative Maßnahme. Am anderen Ufer legt gerade die Lahn-Arche II an. Das ist ein großes, mit Holzstämmen verkleidetes Partyboot. Sieht echt zünftig aus. Wozu es später gebraucht würde, ist klar, als kistenweise Getränke an Bord gebracht werden. 
 
Während wir hier so in der Sonne sitzen und plaudern, kommt das dritte Paar hinzu. Das Wiedersehen feiern wir dieses Mal im Eissalon „Fontanella“. Auch wenn hier schon keine Sonne mehr scheint – die letzten Sonnenstrahlen sind nur am Lahnufer einzufangen – genießen wir das laue Lüftchen bei Eis, Cappuccino & Co. Vor dem Abendessen geht es nochmal zurück ins Hotel. Wir müssen schließlich noch einchecken. Und umziehen und aufhübschen wollen wir uns auch. Die E-Biker nehmen den steilen Berg zum Hotel mit einem Lächeln, die anderen quälen sich schon ein bisschen arg. Schieben ist angesagt. Deshalb beschließen wir auch, zum Abendessen zu Fuß in die Stadt zu gehen, um eine zweite Bergtour am Tag zu vermeiden.

Das „Weinhaus Diez“ kann man nur empfehlen, besonders denjenigen, die mal ein etwas anderes Gasthaus erleben wollen. Mit einer Parkscheibe ist unser Tisch im Innenhof reserviert worden. Originell. Und die Speisekarte bietet sehr alternative Genüsse. Ich bestelle mal erst ein „Sugar Babe“, einen süßen Wein – 0,25 Liter für 6 Euro. 

Die Freunde verdrehen sofort die Augen, denn für meine Leidenschaft für Süßes bin ich bei denen arg verschrien. Als Vorspeise wähle ich Wildkräutersalat mit Blutampfer, Rosenblättern, afrikanischem Basilikum, Minzblättern.... hmmmm – köstlich. 

Die Wirtin, eine verrückte Nudel. Nicht nur mit Gin-Workshops und Rotwein-Genussabenden hat sich die zertifizierte Wein- und Gewürzexpertin Ilona Gasteyer, deren Onkel übrigens aus Koblenz kommt, einen großen Fankreis geschaffen. Wir gehören, allein wegen ihrer sympathischen Art und der überzeugenden Küche, seither dazu.
Ohne Absacker geht unser Freundeskreis natürlich nie zu Bett. Es verschlägt uns in das „Wasserweibchen“, wo sich die fünf Gäste dort erst einmal neugierig umdrehen, wen es denn wohl in „ihr“ Revier verschlagen hat. Aber nachdem sie uns gecheckt haben, sind wir akzeptiert und werden sogar in Gespräche verwickelt. Wir stellen fest: Diez hat echt zutrauliche Einheimische. Zurück im Hotel erwartet uns eine weniger schöne Überraschung. Dass wir keinen „Gartenblick“ wie bestätigt und wie die anderen beiden Paare, sondern „Parkplatzblick“ haben, stört uns nicht. Aber den wirklichen Nachteil bemerken wir jetzt in der Nacht. Das Zimmer ist nämlich schalltechnisch zur Lahn hin gelegen, wo an diesem Wochenende Kirmes ist. Bis zum frühen Morgen dröhnen die Bässe der Musik zu uns hinauf. Trotz geschlossenem Fenster ist an einen ruhigen Schlaf nicht zu denken. Unsere Frage nach einem Zimmerwechsel am nächsten Morgen wird wegen „Ausgebuchtseins“ abgelehnt. Und Booking.com nahm sich später von der Reklamation nichts an, weil wir natürlich unsere Reklamation nicht schriftlich fixierten und vom Hotel bestätigen ließen. Nun, ja. Schnee von gestern.

Das Frühstück lassen wir uns jedenfalls von der mehr oder weniger schlaflosen Nacht nicht vermiesen. Das Buffet ist nicht extravagant, aber gut. Gekochte Eier, Orangensaft, die Brötchen noch warm, Wurst und Käse. So gestärkt schwingen wir uns später auf die Fahrradsattel, um uns auf dem Lahntalradweg nach Limburg zu strampeln. Die Steigungen, die wir beide am Tag zuvor schon hinter uns gebracht hatten, gilt es nun noch einmal zu bewältigen. Die nicht Motor unterstützt Radelnden unter uns, haben ganz ordentlich was zu leisten! Alle Achtung – einen Schieber gibt es nicht. Alle haben offenbar echt gute Kondition, ich hätte das nicht gepackt. So bin ich froh, mich für das E-Bike entschieden zu haben. In Limburg angekommen, erleben wir einen wahren Menschenauflauf. Etliche Busse haben sich in die Stadt entleert, einen Radstellplatz zu finden für sechs Fahrräder ist nicht leicht. Zu Fuß machen wir uns zunächst durch die mit malerischen Fachwerkhäusern gesäumte Altstadt auf - in Richtung Dom. 

Mal gucken, ob wir Tebartz treffen. Seinen Prachtbau können wir von außen ansehen. Sooo teuer sieht der nun auch wieder nicht aus. Aber die wahren Schätze liegen wohl im Inneren. Und den Bauherrn können wir nirgends entdecken. 

Doch in der Altstadt dafür viele wirklich schöne (Kunstgewerbe-)Geschäfte, in denen es mehr als den üblichen Touristen-Schnickschnack zu kaufen gibt. Ich habe mir zur Sicherheit schon bei der Ankunft im Bären-Treff eine Tüte Weingummis organisiert – man weiß ja nie, wann es wieder was zu essen gibt. Am Dom beschließen wir, uns für individuelle Stadtbesichtigungen zu trennen. In 90 Minuten wollen wir uns am Fahrrad-Stellplatz wieder treffen. Herrlich, sich mal eine Weile durch diese schöne Stadt treiben zu lassen. Villa Lavendel gefällt mir sehr gut, allein der Farbe wegen, die hier das duftende und wohltuende Artikelsortiment bestimmt. 

Und dann das Schokoladenhaus. Mit den verführerischsten Schokoladenkreationen. Hier würde ich so gerne etwas einkaufen. Aber bei Temperaturen von mehr als 25 Grad und noch weiteren vielen Stunden unterwegs macht das wenig Sinn. Schokolade mit Earl Grey Tea... Hmm. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Die Zeit drängt. Schnell noch einen Kajal kaufen. Den habe ich zu Hause vergessen, und jetzt sehen meine müden Augen noch müder aus. Dann die Freunde suchen und wiederfinden.

Rolf sitzt schon auf einer Bank und schleckt still vergnügt und genüsslich ein Eis. Würde ich wohl auch wollen, aber ich bekomme immer Durst vom Eisessen. Das kann ich beim Radfahren jetzt nicht gebrauchen. Zumal trinken zwangsläufig auch Pipi-Pause bedeutet. Die muss noch warten. Wir folgen dem Lauf der Lahn und landen in Runkel, wo Mittagspause angesagt ist. Der beste aller Ehemänner zieht schon wieder einen Flunsch, weil er Mittagessen für völlig überflüssig hält. Schließlich hat er zum Frühstück seinen Magen so gut gefüllt, dass es ihn bis zum Nachmittag nährt. Café/Pension Winston hat einen schönen Innenhof, der einlädt zum Verweilen. Kuchen und herzhafte Kleinigkeiten werden den hungrigen Radlern und Wanderern hier angeboten. Die Wirtsleute allerdings – eine Katastrophe. Weder freundlich noch charmant. Gäste werden wie lästige Insekten abgefertigt. Gar nicht schön. Aber mit dem Essen sind wir zufrieden.

Am Leinpfad entlang geht es 13 Kilometer weiter Richtung Lahnschleuse Villmar. Wir legen einen Stopp ein, denn das Schleusen mit Selbstbedienung in der 34 Meter langen Schleusenwanne ist interessant zu beobachten. Zahlreiche Kanufahrer grölen sich das leicht mulmige Gefühl (und den Alkohol) aus dem Leib. Ein paar Übermütige Schleusenbediener springen vom Rand hinunter in das Schleusenbecken. Bei der nächsten Lahnquerung (Gräveneck) wechseln wir nicht nur die Fluss-Seite sondern auch die Richtung. Bevor es jedoch die rund 25 Kilometer wieder zurück geht, will „Uns Uwe“ noch ein Bad in der Lahn nehmen. 


Das gönnen wir ihm gerne, während wir am Ufer sitzen und die Beine im Fluss baumeln lassen. 

Als der Junge getrocknet ist, heißt es „Vollgas“ – Freund Rolf gibt das Tempo vor. Er, ohne Motor, hängt uns, mit Motor, beinahe ab. Man, geht der in die Pedalen! Einen Halt gibt es zwischendurch nicht mehr. Abendessen haben wir im Hotel geplant. Restaurant/Pizzeria – da gibt es für jeden etwas. Und die Küche ist wirklich zu loben, die Bedienung ganz ausgezeichnet. Wir sitzen draußen im Garten und fühlen uns nahezu wie in bella Italia.

Der nächste Tag ist Abreisetag. Doch bis zum Abschiednehmen ist noch viel Zeit. Da knöpfen wir uns doch glatt noch ein paar Kilometer auf dem Aartalradweg vor. Von der fünfzig Kilometer langen Aar, dem linken Nebenfluss der Lahn, ist selten mal was zu sehen, so schmal ist sie. Ab und zu hört man sie wie einen Bach am Wegesrand plätschern, ab und zu zeigt sie sich sogar. Der Radweg führt durch Felder und Wiesen. Nach 13 Kilometern erreichen wir die Römerquelle und den Johannisbrunnen (Sauerbrunnen) in Burgschwalbach. 


Sofort füllen wir unsere Trinkflaschen mit dem kostbaren Johannis, dem König der Tafel-Wasser, „das dem Magen sehr nützlich und gut“ sein soll. Geschmacklich ist es allerdings gewöhnungsbedürftig.
Langsam stellt sich bei den Freunden das kleine Hüngerchen ein. Wir schauen hier und dort, finden aber zunächst keine Restauration, mit der jeder zufrieden wäre. Letztlich landen wir wieder in einem Ristorante/Pizzeria. „Da Teresa“ heißt die direkt am Fahrradweg liegende Lokalität, die wir auf dem Rückweg „überfallen“. Mit einer größeren Gruppe, die hier irgend einen Festtag feiert, ist das Personal schon ziemlich überfordert. Und jetzt kommen auch noch wir. Oh, Schreck. Der beste aller Ehemänner will eigentlich nur ein Dessert. Doch: „Immer derselbe Scheiß“ steht auf der Speisekarte. Er meint damit „Panna Cotta“ und „Tiramisu“. Irgendwas findet er letztlich doch. Wir bestellen. Wir warten. Eine Stunde später sitzen wir immer noch ohne Essen am Tisch. Man hat vergessen, unsere Bestellung an die Küche weiterzureichen. Wie schade. Wir trösten uns, dass vielleicht gerade die Vorfreude auf die Köstlichkeiten das Schönste gewesen ist. Dann gibt es eben kein Mittagessen. Ein Eisbecher in Diez wird uns auch reichen. Im Eiscafé Rialto freuen wir uns zum Schluss über einen Kiwi-Joghurt-Becher vom Feinsten. Danach: „Auf Wiedersehen, Freunde“. Wir umarmen uns und versprechen uns gegenseitig, auch im nächsten Jahr wieder eine Radtour zu machen. Ich bringe mein Fahrrad noch zurück zur Tourist-Info. Nach dem wirklich gelungenen Wochenende an der Lahn kann es jetzt nach Hause gehen. Erfreulich, dass der Heimweg so kurz ist und wir keinen Stau erleben müssen.