Für
unsere Flugreise im September 2015 nach Barcelona, wo wir uns mit den
Brüdern und Schwägerinnen meines Mannes treffen wollen, haben wir
uns dieses Mal einen Parkplatz mit Chauffeur im Umkreis des Kölner
Flughafens gesucht. Dort angekommen, rufen wir die angegebene Nummer
an und schwups kommt der kirgisische Fahrer aus dem Gebäude heraus,
kontrolliert unsere Bestätigung, kassiert und bringt uns dann in
einem Kleinbus zum Flughafen. Als Dankeschön für die Wahl des
Unternehmens gibt es noch einen 2 Euro-Gutschein, den wir bei der
nächsten Park & Drive-Buchung einlösen dürfen.
Für
den Flug habe ich den Smart-Tarif gebucht. Da erlebt man live, was
die Werbung immer erzählt: „Das und das ist alles inklusive!“
Grins, freu! „Aber für Dich nicht, weil Du nicht bei „X, Y“
gebucht hast!“ Oh, wie schade. Wir sind allerdings dieses Mal die
von der Service-Sonne beschienenen. Auch wenn es nur eine
Graubrotschnitte mit Käse, 0,2 Liter stilles Wasser und eine
Cola-Dose im Spielzeugformat sowie ein Makro-Tütchen Gummibären
gibt, fühlen wir uns wie auf Wolken gebettet, den ach so armen neben
uns Sitzenden gegenüber, denen ruhig einmal der Neidzahn wachsen
darf.
Nach
der Landung das gewohnt lange Anstehen am Gepäckband. Irgendwie sind
unsere Koffer immer unter den letzten zehn. Zum Hotel nehmen wir ein
Taxi. Das bringt uns für 30 Euro in einem gefühlt gefahrenen
Höllentempo in zwanzig Minuten zum Hotel Gaudi. Das liegt direkt
gegenüber vom Palau Güell, ein von Gaudi gebauter Palast, der 1999
zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde.
Die berühmteste Straße
der Stadt, wenn nicht gar des Landes, La Rambla, ist nur ein paar
Schritte entfernt, womit allein die Lage des Hotels kaum zu toppen
ist. An der Rezeption checken wir ein und erfahren, dass eine
Schwägerin schon auf uns wartet. Die soll mal noch ein bisschen
warten, wir wollen erst richtig ankommen. Das Empfangspersonal
spricht ein wenig Deutsch, ansonsten aber eher Englisch und natürlich
Spanisch. Die ganzen Formalitäten erledigen wir in Englisch – und
ich werfe ab und zu ein paar Brocken Spanisch ein, die mir vom
VHS-Kurs von einst noch in Erinnerung geblieben sind. Den Schlüssel
für den Zimmersafe bekommen wir unentgeltlich, wenn wir auf die
Versicherung verzichten. Wir verzichten.
Unser
Zimmer liegt im dritten Stock. Beim Eintreten schnuppern wir kalten
Zigarettenrauch – der Vormieter hat offensichtlich im Zimmer
gequalmt. Das ist zunächst mal unangenehm, doch nachdem wir uns
eingerichtet haben, nehmen wir den Geruch nicht mehr wahr, bzw. haben
ihn mit Eigengerüchen überdeckt. Das Zimmer verfügt über eine
Klimaanlage, die bei den hochsommerlichen Temperaturen sehr nützlich
ist. Als ich das Fenster öffne, trifft mich fast der Schlag.
Ausblick? Wir sehen drei Hauswände, die den innen gelegenen Schacht
umgeben. Doch wenn wir den Kopf weit in den Nacken legen, sehen wir
am „Ende des Tunnels“ ein Licht, ein Stück Himmel und die
obersten Etagen von ein paar Gebäuden. Nun, gut. Wir trösten uns,
dass wir vermutlich nicht viel Zeit auf dem Zimmer verbringen werden
und höchstens am frühen Morgen oder in der späten Nacht eine
Chance gehabt hätten, einen Blick aus dem Fenster zu werfen.
Jetzt,
es ist zwischen 21 und 22 Uhr, gucken wir mal, ob die Dachterrasse
einen besseren Ausblick bietet. Wow. Großartig! Da stehen wir, unter
uns liegt Barcelona, am Horizont sehen wir den Hafen mit den großen
Kreuzfahrtschiffen und direkt gegenüber befindet sich die
Dachterrasse des Palau Güell, die mit ihren zahlreichen dekorativen
und verspielt-bunten Figuren und Formen ein echter Hingucker ist. Auf
der dem Palast zugewandten Seite der Hotelterrasse ist ein Whirlpool
als schmaler Wasserkanal angelegt. So kann man hier wie ein Walross
im Wasser liegen, seinen Körper von prickelnden Luftbläschen
umspielen lassen und dabei Gaudis Werk bestaunen. Das ist wirklich
ein Traum.
Inzwischen sind wir auf die Schwägerin gestoßen, die uns
hier oben so viel zu erzählen hat von dem, was sie schon sah (sie
ist schon gut einen Tag länger hier als wir) und was wir gemeinsam
noch sehen sollen, dass wir diese phantastische Stimmung nicht länger
aufnehmen und genießen können. An der Terrassenbar bestellen wir
drei Martini und für uns beide, die wir bisher ja nur die
Fluglinien-Graubrotschnitte intus haben, noch ein Baguette mit Jamon
Serrano. Ein krönender Auftakt unseres Aufenthalts.
Schon
vor Mitternacht sind wir so müde, dass wir uns in unser Zimmer
verabschieden. Ich lasse mich aufs Bett fallen und springe wie ein
HB-Männchen wieder heraus. Aua. Ist es zu glauben, dass eine
Matratze so hart sein kann, dass es weh tut, wenn man sich darauf
legt? Vermutlich werde ich am nächsten Morgen voller blauer Flecken
sein. Bevor wir die Augen schließen, wenden wir uns unserem
Lieblings-Streitthema zu. Fenster auf oder Fenster zu? Klimaanlage an
oder aus? Wie meistens gelingt es mir, mich durchzusetzen. Der beste
aller Ehemänner bekommt alle Decken, die der Zimmerschrank zu bieten
hat auf sich geschichtet – und die Klimaanlage darf laufen. Yeah.
Frühstück
im Hotel gibt es in Buffetform. Die Schwägerin meckert, weil das
Angebot ihr nicht üppig genug ist. Ihr fehlt wohl Champagner, Lachs
& Co. Denn ansonsten gibt es wirklich alles. Ein bisschen Obst,
Joghurt, Zerealien, Saft, Eier, Aufschnitt.... Also mir ist das
genug, ich bin sehr zufrieden. Der Gatte sowieso. Nach dem Frühstück
nutzen wir die Zeit, bevor die anderen beiden Paare eintreffen, uns
von der Schwägerin durch die Stadt führen zu lassen. Sie kennt, wie
sie selbst es immer wieder betont, alles hier, denn sie ist jetzt
schon zum zehnten Mal (oder wie viele Male waren es noch?) in der
Stadt. Barcelona gefällt mir sofort. Wenn die Stadt auch vor
Touristen nahezu überläuft, hektisch und laut erscheint, kommt man
bei den Sehenswürdigkeiten nicht zu kurz. Schnell gewöhnen wir uns
an das brodelnde Leben auf den Wegen und Plätzen und fotografieren
wie die Weltmeister, damit das Kopfkino zu Hause Unterstützung
bekommt. Mit der Schwägerin gehen wir zur Kirche Santa María del
Mar im Stadtteil El Born. In 54 Jahren wurde das Gotteshaus
errichtet, und alle Bewohner des Viertels sollen etwas dazu
beigetragen haben.
Ich verzichte darauf, sie mir von innen anzusehen,
setze mich lieber auf die Stufen davor und beobachte das Leben auf
dem Platz. Hier könnte ich den ganzen Tag sitzen bleiben. Weiter
geht es unter Schwägerins Führung zum Palau de la Musica Catalana,
auch „Palau 100“, wo sie eine Sekt-Pause eingeplant hat. Mehr als
hundert Jahre hat das Gebäude auf dem Buckel. Den als „einzigartig“
beschriebenen Konzertsaal sehen wir allerdings nicht.
Wir suchen uns
ein Schattenplätzchen auf dem Platz davor, wo es vielerlei
Leckereien für den hier Rastenden gibt.
Auch im Inneren des Gebäudes
ließe es sich gut sitzen und genießen. Die Gestaltung des Saals mit
durch buntes Glas hineinströmendem Licht und Farbenspielen ist
bombastisch. Anschließend besichtigen wir zwei der viel gerühmten
Mercats von Barcelona.
In den Markthallen finden wir alles, was das
Herz begehrt und noch viel mehr. Leider stürmen wir viel zu schnell
hindurch, Schwägerin beschränkt sich bei ihrer Führung fast
ausschließlich auf die Fischtheken, dabei hätte ich doch so
gerne... Nun, wir sind nicht alleine, da muss man halt Kompromisse
eingehen. Dann zieht sie uns zielstrebig zur Placa Reial, ein Platz,
der als besonders schick gilt. Rund um den Platz haben sich
Restaurants angesiedelt – also mir sieht das sehr nach
Touristen-Nepp aus.
Doch die Schwägerin schwört auf eines der
Restaurants, wo sie schon seit Jahren Stammgast sei und sogar die
Kellner gut kenne. Nun, ja. Auf jeden Fall sitzen wir hier sehr
schön, können Leute gucken, sehen ein paar Palmen und bewundern den
Springbrunnen und die Laternen, die Gaudi geschaffen hat. Wir essen
eine Kleinigkeit. Ich bestelle einen Käseteller und werde damit
nicht wirklich glücklich. Offenbar hat man uns als
Kurzzeit-Touristen erkannt und auf meinem Teller den Käse von
vorgestern entsorgt. Auch die bestellte Sangria ist nicht
überzeugend. Lieblos, vermutlich direkt aus der Flasche in die
Karaffe gefüllt, in die sich ein paar Zitrusfrucht-Scheiben verirrt
haben. Immerhin: Die Oliven sind ganz in Ordnung. Bevor wir ins Hotel
gehen, um die übrigen Familienmitglieder zu begrüßen, kaufen wir
noch schnell Wasser für den nächtlichen Durst im neben dem Hotel
gelegenen Supermarkt ein. Zu bezahlen haben wir drei Euro. Der beste
aller Ehemänner reicht dem Kassierer einen 5-Euro-Schein. Das
Wechselgeld herauszugeben, wird dann gleich mal vergessen. Man - muss
man denn in jeder Touristenstadt so abgezockt werden? Sehr ärgerlich.
Einer
der beiden jetzt hinzugekommenen Brüder hat an diesem Tag Geburtstag. Da
gibt es natürlich erst einmal ein großes Hallo. Und weil sich alle
vor einem Jahr zum letzten Mal gesehen haben, wird furchtbar viel
erzählt. Das geschieht vornehmlich auf der Dachterrasse unseres
Hotels, wo wir um diese Zeit die einzigen Gäste sind. Eigentlich
würde ich viel lieber starten und weiter die Stadt angucken. Als
endlich alle inter-familiären Probleme besprochen sind, stellen wir
fest, dass ein Teil der Familie verloren gegangen ist. Der Rest ist
offenbar, ohne dass wir es bemerkt haben, schon losgezogen. So gehen
die beiden Brüder und ich gemeinsam über die Rambla, an der
Kolumbus-Säule
vorbei zum Hafen und weiter zum Strand, der an den
Stadtteil Barceloneta grenzt. Rund dreißig Minuten Fußweg haben wir
jetzt hinter uns.
Barceloneta umweht immer noch der Hauch des alten
Fischerviertels, das es einst war.
An der zum Meer hinführenden
Straße reihen sich Restaurants und Cafés aneinander. Gegenüber
befindet sich der Hafen mit vielen Segelbooten und Motoryachten.
Davor ist gerade eine Kirmes aufgebaut. Mit dem Geburtstagskind
suchen wir uns einen der (wenigen) freien Tische in den proppevollen
Strandbars. Bei einem geeisten Café blicken wir glücklich auf das
Meer und in der Ferne auf das neue Wahrzeichen von Barcelona, das segelförmig gebaute "W-Hotel" und auf die Twin Towers, die Teil des für
die Spiele 1992 errichteten Olympischen Dorfes sind.
Am Abend ist die Familie wieder
vereint. Zu Fuß geht es zu der Tapas-Bar „V.O.“, in der die
Schwägerin auf Wunsch des (einladenden) Geburtstagskindes Plätze
reserviert hat. Wir sitzen an einem langen Thekentisch und bedienen
uns an den auf der Speisetheke ausgestellten Tellerchen mit kleinen,
leckeren Spezialitäten. Tapas wie Brotscheiben mit Ziegenkäse plus
süßem Mousse, mit Fisch- oder Wurstpasteten, Fleisch- und
Fischklopse sind auf Spießchen gesteckt. Abgerechnet wird zum
Schluss nach der Anzahl der leer gegessenen Spießchen. Als Nachtisch
wähle ich Mousse au Chocolat mit Nüssen und Waldfrüchten. Hach,
wie gut es mir geht! Für den Absacker hat sich unsere Schwägerin
die Bar Schilling ausgesucht. So eine hippe Bar zum Chillen mit sehr
lauter Musik, die wenig Freiraum für Gespräche lässt. Die
Cocktails sind auch nicht umwerfend, im wahrsten Sinne des Wortes.
Mojito und Caipirinha sind mit rund 7 Euro nicht gerade preiswert,
haben dafür auch nicht viel Alkohol zu bieten.
Am
nächsten Morgen besorgen wir uns auf der Rambla ein 2-Tages-Ticket
für die Sightseeing-Busse. 31 Euro bezahlen wir pro Person dafür.
Gegenüber vom Columbus-Denkmal starten wir. Heute fahren wir mit der
Roten Linie. Einen der Doppeldecker müssen wir durchwinken, in ihm
hätten wir zu siebt keinen Platz mehr auf dem Oberdeck gefunden, wo
wir natürlich alle sitzen wollen bei diesem Traumwetter.
Da die
Busse aber wirklich alle fünf bis fünfzehn Minuten kommen, ist das
Warten auf den nächsten kein Problem. Die Bustouren sind eine sehr
bequeme Art, sich eine fremde Stadt anzusehen, zumal einem dabei der
Fahrtwind frische Luft um die Nase bläst. Bis jeder von uns den
deutschen Kanal gefunden hat, dauert es eine Weile, doch dann sitzen
wir ganz zufrieden in unseren Sitzen und lassen uns Gebäude und
Sehenswürdigkeiten erklären.
Hängen bleibt dabei natürlich
nichts. Aber man hat es wenigstens mal gehört. Wer will, kann es ja
im Stadtführer nachlesen. Ist unsere Familie kulturversessen genug?
Eigentlich sind alle wohl vorwiegend froh, nicht laufen und sich
durch die Menschenmassen schieben zu müssen. Auf den
Haltestellen-Dächern sehen wir immer wieder unzählige der kleinen
Kopfhörer, die Touristen hier oben offensichtlich entsorgen. Nach
rund zwei Stunden beschließen der beste aller Ehemänner und ich, in
Barceloneta auszusteigen, um noch ein wenig Strand zu genießen. In
das Lokal, das wir uns ausgesucht haben, kommen wir wegen Überfüllung
nicht. Außerdem erscheint das Personal extrem lustlos. Am Strand ist
es mindestens ebenso voll. Und die Ruhesuchenden werden vom Heer der
Strand-Händler im Minuten-Rhythmus gestört. Massagen, Tücher,
Getränke – alles wird angeboten. Der Gatte will ein Sonnenbad
nehmen, eventuell sogar baden – seine neue Leidenschaft. Ich habe
zu weder noch Lust, sondern will mich lieber ein wenig im Stadtteil
umschauen. Eine Gasse nach der anderen durchkämme ich. Ich sehe
vorwiegend mehrstöckige Wohnhäuser und fast ebenso viele
Restaurants. Meinen Schatz finde ich bei der Rückkehr zum Strand zur
vereinbarten Stunde nicht an der verabredeten Stelle. Hoffentlich ist
er nicht ertrunken. Aber die allgemeine Gelassenheit sagt mir, dass
hier gerade kein Unglück geschehen ist. Ich rufe ihn an und höre,
dass er gegangen ist, weil er vergeblich auf mich warten musste. Ja,
ist das denn möglich? Da findet man sich nicht einmal am Strand
wieder? Egal. Ich mache mich zu Fuß auf den Rückweg zum Hotel und
gehe dabei durch das Altstadtviertel, das sich östlich der Rambla
befindet. Ich komme an unzähligen Cervezerias und Tapasbars vorbei.
Sie bilden Tür an Tür nahezu eine geschlossene Front. Die wird
gelegentlich unterbrochen durch Kunstgewerbe- oder
Souvenir-Geschäfte. Beinahe hätte ich die Rambla nicht
wiedergefunden, weil das Gewirr der Gassen meinen sowieso nicht
ausgeprägten Orientierungssinn völlig verwirrt hat. Einen Moment
lang schaue ich auf der Flaniermeile noch den Zeichnern und Malern
zu, die sich mit dem Anfertigen von Porträts ihr Geld verdienen. Zum
Schluss gehe ich in einen Souvenir-Shop, um mir ein Barcelona-Shirt
zu kaufen. Eigentlich bringe ich mir aus jedem Urlaub eines mit.
Mittlerweile sind die doch qualitativ hochwertiger geworden und auch
vom Design her ansprechend. In fast jedem dieser Läden sind (wie ich
sie einschätze) Tamilen als Personal im Einsatz. Als ich von einem
dort doof angemacht werde, mache ich mich aus dem Staub. Das T-Shirt
kann warten. Beim gemeinsamen Abendessen gibt es für mich eine
kleine Köstlichkeit: Kalbsbäckchen in Sherry-Sauce. Ich könnte
mich hineinsetzen. Dem besten aller Ehemänner schmeckt es dagegen
mal wieder nicht. Er könnte eigentlich die Hauptrolle in dem Film
„Maria, ihm schmeckt's nicht“ spielen. Früher, als ich ihn 1888
oder so kennenlernte, hat er nichts anderes als Schweinefilet
gegessen. Doch das spanische „el cerdo“ hat wahrscheinlich zu
viel Knoblauch gefressen – wer weiß? Da kann man nichts machen.
Muss der Gatte eben vom Frühstück und vom Absacker leben. Den
nehmen wir heute unter den Arkaden an der Placa Reial in der
Cervezeria Canarias ein. Ein Glas Sangria kostet 4,20, ein Glas Gin
Tonic 6,55 und ein Mojito 6,75 Euro. Preiswert gegenüber anderen
europäischen, touristisch besonders attraktiven Städten. Wir
kurbeln jetzt mal trinkend die spanische Wirtschaft ein wenig an. Im
Hotelzimmer checke ich noch schnell E-Mails und suche im Internet
nach der Adresse meiner Tante, weil ich ihr eine Grußkarte schicken
soll. Um 1.30 Uhr schließe ich das Tablet. Da schläft mein
Götter-Gatte schon tief.
Beim
Frühstück am nächsten Morgen helfe ich den Verwandten dabei, die
für heute benötigten Eintrittskarten für die Kathedrale Sagrada
Familia, Gaudis berühmtestes Bauwerk, im Internet zu buchen. Nach 45
Minuten ist es geschafft. Das Buchen müssen die Hotelgäste selber
hinkriegen, die Tickets ausdrucken, das erledigt man an der Rezeption
gerne für sie. Sagrada Familia erreichen wir, wenn wir heute die
Blaue Linie nehmen. Die Strecke ist von den Bauwerken her, an denen
wir vorbeifahren, nicht ganz so beeindruckend wie der Roten. Auf der
Hinfahrt umrundet der Bus die von Gerüsten, Bauplanen und Kränen umgebene Kathedrale, so dass wir zumindest von
außen schon ganz viel zu sehen bekommen. Der Bau der Kathedrale wurde im Jahr 1882 begonnen und soll zum 100. Todestag von Gaudi im Jahr 2026 fertig gestellt sein.
Der beste aller Ehemänner,
sein ältester Bruder und ich verzichten an diesem sonnigen Tag
darauf, sie uns auch von innen anzuschauen. Wir besuchen statt dessen
den Park Güell, für dessen Entwurf Gaudi im Jahr 1900 den Auftrag
bekam. Natürliche Formen nahm er als Vorbild für Wege und die von
Säulen gestützten Grotten und Brücken.
In einem der beiden am
Eingang befindlichen Häuser hat Gaudi übrigens selbst gewohnt.
Heute ist es ein Museum. Eintritt muss man für den Park nur
bezahlen, wenn man bestimmte Bereiche, wie die riesengroße
Säulenhalle besichtigen will. Wollen wir nicht. Wir wollen uns
einfach nur treiben lassen, frische Luft genießen und Gaudis Ideen
bestaunen. In den Grotten präsentieren Musiker ihr Können. Was für
eine Atmosphäre! Ich bekomme Gänsehaut, so schön ist das. Wenn es
nach mir ginge, bliebe ich hier noch stundenlang sitzen. Doch meine
männlichen Begleiter reiten weniger auf der romantischen Welle.
Nachdem ich im Museumsshop noch ein paar Gaudi-Kleinigkeiten zur
Erinnerung gekauft habe, verlassen wir den Park und lassen uns in
einem Restaurant in der Nähe zum Essen nieder. Touristisches
Schnell-Schnell, aber immerhin, trotz Gaudi-Nähe, nicht überteuert.
Nur das bestellte Bocadillo kommt leider nicht an meinen Tisch. Nach
meiner Beanstandung wird es innerhalb von einer Minute gebracht,
allerdings mit „jamon dulce“, also gekochtem Schinken, den ich
nicht bestellt habe. Das Bocadillo geht daher zurück. Die hübsche
asiatische Chef-Bedienerin entschuldigt sich sehr charmant mit
Mäuschen-Stimme, wovon ich allerdings nicht satt werde. Doch noch
einmal zu warten, habe ich keine Lust. Wir bummeln langsam zur
nächsten HopOn-HopOff-Haltestelle. Vorher klappere ich einige
Souvenir-Läden ab, die durchaus nicht nur billigen Touristen-Mist im
Angebot haben, sondern viele nette, mit Kunst oder kunstvoll
aufgewertete Kleinigkeiten wie Kalender, Tücher oder
Schlüsselanhänger im Zeichen von Gaudi, Picasso oder anderen
Künstlern, die sich einst in Barcelona austobten. Alltagstaugliche
Erinnerungen an den Barcelona-Aufenthalt. Die Rückfahrt ist von
Feierabend bedingten Verkehrsstaus geprägt. Da hätte man genau so
gut neben dem Bus herlaufen können. Am Plaza Catalunya steigen wir
aus.
Die Herren steuern ein Café an, ich bummele noch ein wenig
durch die Innenstadt mit ihren hübschen Häuserfassaden, Geschäften,
Bars, Bäckereien. Dieses Mal passiert es mir tatsächlich, dass ich
mich in den kleinen Gassen verlaufe. Doch die an jeder Ecke
angebrachten Wegweiser helfen relativ schnell aus der Patsche. Einmal
die Rambla erreicht, ist es leicht, zum Hotel zurückzufinden. Doch
über die Straße komme ich nicht mehr, denn plötzlich ist ein
Festumzug aufgetaucht, in dem große Figuren mitgetragen werden.
Musikgruppen komplettieren das Ganze. Ein bisschen wie ein
Karnevalsumzug bei uns. Nur Kamelle fliegen keine und Helau-Rufe sind
auch nicht zu vernehmen. Der Umzug ist der Auftakt der „Festes de
la Mercè“, das größte Fest der Stadt zu Ehren der Schutzpatronin
Mercè.
Spät, aber noch gerade rechtzeitig zum gemeinsamen Aufbruch
gen Abendessen erreiche ich schließlich das Hotel. Wir steuern
dasselbe Restaurant wie am Vortag an, erleben jetzt aber eine recht
unfreundliche Bedienung. Unser Wunsch auf getrennte Rechnungslegung
hat ihr wohl die Laune vermiest. Das ist eben in Spanien so gar nicht
bekannt und noch weniger beliebt bei dem Personal. Des lieben
Friedens Willen teilten wir die Rechnungssumme nachher dann doch
durch die Anzahl der Mitesser. Einen letzten Absacker nehmen wir in
einer der Bars auf der Placa Reial. Wir umarmen einander, denn
Abschiednehmen ist angesagt. Die ersten vier Verwandten fliegen
morgen zurück nach Hause. Bis wir endlich im Zimmer sind, ist es 2
Uhr morgens. Gute Nacht. Zum Frühstück sind die anderen schon weg.
Nur die Schwägerin ist noch bis morgen in unserer Gesellschaft. Wir
checken das Wetter auf der Dachterrasse, wo ein Ehepaar gerade nicht
nur seine Beine im sprudelnden Wasser des kleinen Whirlpools, sondern
auch seine Seele baumeln lässt. Zu dritt ziehen wir los Richtung Arc
de Triomf, der 1888 anlässlich der Weltausstellung errichtet wurde.
Gerade wird dort eine Weinmesse abgehalten. Würde man die Sprache
verstehen, könnte man hier eine prima Weinverkostung erleben.
Allerdings wäre der weitere Tag dann gelaufen. Wir ziehen durch den
Parc de la Ciutadella, in dem auf verschiedenen Bühnen Showprogramme
gezeigt werden und Musikbands spielen.
Wir wollen am Strand einen
kleinen Drink zu uns nehmen. In der ersten Bar mit Lounge-Ambiente
werden wir nicht bedient, die Servicekräfte schlafen vor sich hin.
Alle anderen Bars wollen nur Gäste, die opulente Mahlzeiten ordern.
In Ortsteil Barceloneta werden wir doch noch fündig. Direkt an der
Straße gelegen, aber immerhin mit Meerblick lassen wir uns in einem
WOK-Lokal nieder. Der beste aller Ehemänner entdeckt „Curry-Huhn“
für sich, womit die lunch-time für alle drei gerettet ist.
Nach
Sangria und Essen sind wir so müde, dass wir uns an dem stark
belagerten Strand aufs Ohr hauen. Später, auf dem Rückweg zum
Hotel, gönnen wir uns für 1,50 Euro eine Kugel Eis „sizilianische
Zitrone“ und bummeln durch die Altstadt weiter. Es ist Wochenende
und das Leben brodelt hier immer stärker. Fußgänger und Gefährte
jeglicher Art begegnen sich hier und bewegen sich gleichberechtigt
fort. An der Placa de la Seu in der Nähe der Kathedrale finden wir
am Abend ein Restaurant mit einem freien Tisch, was gar nicht so
leicht war an diesem Wochenende. Nur eine Kleinigkeit wollen wir zu
uns nehmen, denn das Mittagessen füllt die Mägen noch gut. Ich
wähle eine Crepe mit flüssiger Schokolade. Auf dem Rückweg am
späten Abend geraten wir schon wieder in den Festumzug, der mich
schon am Vortag aufgehalten hatte. Vor uns Trommler, hinter uns Feuer
speiende Drachen. Tausende Zuschauer säumen die Straßen, und wir
sind ungewollt Zugteilnehmer. Als der Zug zu Ende ist, gibt es keine
vermüllten Straßen und keine alkoholisierten Jugendlichen, wie es
bei uns Standard ist, wenn der Rosenmontagszug „durch“ ist.
An
unserem letzten Barcelona-Tag begleitet uns die Schwägerin noch bis
zum Mittag, dann geht ihr Flieger. Zu dritt verweilen wir ein letztes
Mal auf der schönen Dachterrasse des Hotels, winken den greifbar nah
scheinenden Besuchern auf dem Dach des Palau Güell gegenüber zu.
Dann machen wir uns auf zum Hafen. Der beste aller Ehemänner und ich
buchen eine vierzig minütige Hafenrundfahrt und winken der
Schwägerin vom Deck aus zum Abschied zu. Die Fahrt geht durch den
Containerhafen, vorbei an spektakulär großen Kreuzfahrtschiffen, am
Yachthafen und entlang des Fischereihafens.
Sogar den Start des
Hubschraubers, der Rundflüge anbietet, können wir gerade erleben.
Hinterher schauen wir eine Weile einer Folklore-Tanz- und Musikgruppe
auf einer Bühne vor dem Yachthafen zu, die dort im Rahmen des
Mercè-Festes auftritt. Wir laufen über die Kirmes, beobachten die
Fahrgeschäfte und betrachten die Auslagen der
Kunsthandwerker-Stände. Der Gatte will dann wieder zum (noch
proppevolleren) Strand, ich will lieber weiter gucken. Zum Schluss
finde ich ihn tatsächlich am verabredeten Strand-Fleckchen und
geselle mich noch etwas dazu. Doch Ruhe findet man hier keine,
rundherum wird gelacht und geschwatzt. An der Mole entdecken wir
einige Tamilen an ihrem „Mojito-Lager“. Hier bereiten sie die
Cocktails zu, die sie am Strand anbieten. Ein Angebot, das sehr gut
angenommen wird. Jetzt kommt eine Frau zur Mole. Riesige Plastiktüten
hat sie dabei. Darin sind Brot und Fleischreste. Sie füttert die
Möwen. Eine Ratte gesellt sich dazu und findet auch für sich etwas
Leckeres. Eigentlich will die Frau wohl die Katzenfamilie satt
machen, die zwischen den Molen-Steinen lebt. Aber meist sind die
Möwen schneller bei den Fleischbrocken. Da nützen die besten Ablenkungsmanöver nichts.
Wir verabschieden uns mit
viel Wehmut vom Strand und von Barcelona. Jetzt hatten wir uns so
schön an das brodelnde Leben in der Stadt gewöhnt, was uns am
Anfang noch ein wenig erschreckt hatte. In einer Bar gegenüber vom
Hafen bestellen wir Sangria, Burger und Chicken Wings –
zugegebenermaßen nicht besonders spanisch, aber wir haben Lust
drauf. Langsam wird es schon dunkel. Noch einmal bummeln wir am Hafen
entlang. In einem Café dort trinken wir den letzten Café Bonbon
(Espresso mit einer darunter liegenden Schicht süßer Milch, manchmal auch mit Schaumhaube).
Und
dann ist Schluss. Um 7.15 Uhr am nächsten Morgen holt uns das Taxi
ab, das uns zum Flughafen fährt, von wo wir um 9.45 Uhr Richtung
Heimat abheben. Barcelona nehmen wir auf in die Liste unserer
liebsten Reiseziele. Hier gibt es noch viel zu entdecken. Bei jeder
Reise hierher lässt sich das barcelonische Lebensgefühl einatmen.