Montag, 27. November 2017

Radfahren im Weserbergland – August 2016

Es ist mal wieder so weit. Wir, sechs Freunde – ehemals benachbart, haben uns für ein Radfahr-Wochenende verabredet. Quartier nehmen wir in Rinteln im Hotel „Stadt Kassel“, Marktplatz 7. Unsere „booking.com“-Buchung stellt sich bei Ankunft im Hotel als teuer dar, denn das Hotel selbst bietet recht günstige Pauschalarrangements an, sogar die offiziell ausgewiesenen Hotelpreise liegen darunter. Nun ist es aber nicht mehr zu ändern, und wir freuen uns auf die Zeit mit den Freunden. Das Hotel, das über einen eigenen Parkplatz verfügt, liegt im Zentrum der kleinen Stadt Rinteln. Wir bekommen ein Zimmer (27) im 1. Stock zugewiesen. Hosenbügel im Schrank sind Fehlanzeige, Gästeseife im Badezimmer ebenso. Dafür gibt es an der Rezeption einen praktischen Stadtplan, von einem Block abreißbar – immer nützlich in einer fremden Stadt.
Beim Touristikzentrum Westliches Weserbergland in Rinteln hatte ich mir für zwei Tage ein E-Bike geliehen. Der Preis der Wochenend-Pauschale belief sich auf 30 Euro. Als ich dort ankomme, nur zwei Minuten Fußweg vom Hotel entfernt, steht es schon bereit das schmucke Stück. Freundliche Mitarbeiter erklären mir sogleich die Funktionen. In der Nacht kann das Rad im hoteleigenen Abstellraum unterkommen. Eigentlich hätte ich das E-Bike am letzten Tag schon um 14 Uhr zurückgeben müssen, aber da haben wir noch eine kleine Tour eingeplant. Mit viel Charme (ja, das kann ich!) überrede ich die Touristikerin, es dann am Sonntagabend vom Abstellraum des Hotels abzuholen. Dafür gibt es natürlich ein kleines Trinkgeld.
Nachdem alle Formalitäten des Eincheckens erledigt sind, warten wir immer noch auf das dritte Paar. Die Zeit nutzen wir, zu viert an einer historischen Stadtführung durch Rinteln, die uns in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts befördert, teilzunehmen. Vorher gönnen wir uns auf die Freude des Wiedersehens ein leckeres Stück Kuchen auf dem Marktplatz mit den ihn umgebenden schönen Fachwerkbauten. 




Dann erwartet uns Landgräfin Hedwig Sophie, um mit uns die Stadt aus ihrer Sicht zu erkunden. Viele Fachwerkbauten gibt es da zu sehen, wie zum Beispiel den Prinzenhof, in dem heute eine Sparkasse ihren Sitz hat. Aber auch Parkhof und Burghof beeindrucken mit ihren prächtigen Fassaden. 








Als kleinstes Gebäude gilt das Archivhäuschen. Erbaut im Stil der Weserrenaissance. 



Etwas Besonderes erleben wir in der Jakobikirche. Hier bringt uns die Landesherrin ein Ständchen dar, das wegen der sehr besonderen Akustik Gänsehaut-Gefühl erzeugt – so schön klingt das.
Das zweite Freundes-Paar ist, nachdem es sich aus dem von einem schweren Unfall herrührenden fetten Stau befreien konnte, inzwischen angekommen und wir machen uns auf den Weg zum Abendessen. Dafür wählen wir das am Marktplatz gelegene Bistro „Der Stadtkater“ aus. Was uns herlockt, ist die moderne und geschmackvolle Inneneinrichtung. Die verspricht nicht nur einen genüsslichen Abend, sondern hält das Versprechen allemal. Ob Kaninchenragout (für 14,50 Euro), Rotbarbe (zu 12,50 Euro) oder Flammkuchen mediterran (für 9,90 Euro) – jeder kommt auf seine Kosten und zu seinen ganz persönlichen Gaumenfreuden. Den Absacker vor dem Einschlafen nehmen wir in Cocktail-Form in der gegenüberliegenden Bodega.
Der nächste Morgen bringt Sorgen. Die Wetterprognose für den heutigen Tag verheißt nichts Gutes. Um 15 Uhr soll es regnen. Da starten wir so früh wie möglich (natürlich ohne uns den Frühstücks-Genuss nehmen zu lassen) mit den Rädern den Weser-Radweg entlang in Richtung Rattenfänger-Stadt Hameln. Rund 26 Kilometer auf einem gut ausgebauten und ausgeschilderten Weg. Die Weser sehen wir nur selten, weil zu weit weg. Der größte Teil der Strecke führt durch Maisfelder. 


Eine schöne Überraschung erwartet uns nur kurze Zeit nach der Abfahrt in Rinteln. Vor einem Bauernhaus haben Leute mit Herz für Radfahrer eine Selbstbedienungs-Kaffeestation eingerichtet. In Thermoskannen stehen Kaffee und Tee bereit. Kaltgetränke in Kühltaschen. Das Geld dafür soll in eine Kasse gegeben werden. Man hofft hier offenbar auf die Ehrlichkeit der Passanten. Wir enttäuschen sie nicht und genießen die kleine Pause ausgiebig. An dieser Stelle bedanken wir uns für die gute Idee und die Großzügigkeit der Versorger. 


In Hameln angekommen, parken wir unsere Räder und bewegen uns zu Fuß durch die Innenstadt. Besonders gut gefallen uns die Ratten-Pflastersteine.





Mittagspause machen wir im Außenbereich eines Cafés. Ich (typisch Babsi: Süß!) bestelle mir ein Croissant mit Erdbeer-Lavendel-Butter plus Milchkaffee. Ein Souvenir aus Hameln gibt es für mich quasi zum Dessert. Eine wunderschöne, an indianischen Schmuck erinnernde Ohrspange. Der Preis, den Miranda Konstantinidous „Konplott“ fordert, ist erschwinglich. Vor dem Schmuckgeschäft bringen zwei weibliche Verkaufs-Talente Erdbeer-Limes an Mann und Frau. Dann entdecken wir die Glasbläserei. Leider ist der Glasbläser nicht vor Ort. Deshalb können wir zwar die Ausstellung anschauen, aber eben nicht sehen, wie die tollen Objekte entstehen. 




Wie vorhergesagt, fängt es nun an, zu regnen. Wir flüchten vor der Nässe in ein Einkaufszentrum. Im Kaufrausch gehen dort ein aromatisierter Kaffee und ein Paar Sneaker in die Tüte. Als wir herauskommen, scheint wieder die Sonne. Wir treten die Rückfahrt an. 



Weil das Schönste am Radfahren die Einkehr ist, legen wir auf halber Strecke einen neuerlichen Stopp in einem an einen Bauernhof angeschlossenen Biergarten ein. 


Lange hält es uns hier nicht, denn dicke Wolken ziehen auf. Am Wartehäuschen an der Seilfähre kurz vor Rinteln beobachten wir mal erst die Wetterlage – in welche Richtung ziehen die Regenwolken? Sieht aus, als könnten wir die Überfahrt wagen. 


Auf der anderen Fluss-Seite strampeln wir uns, einige Dörfer durchfahrend, zurück nach Rinteln. Eine halbe Stunde bleibt uns, um uns ein wenig frisch zu machen. Dann ist schon wieder Treffen zum Abendessen ausgemacht. Wer hat gesagt, dass eine Radtour Erholung ist? Wir entscheiden uns für eine Trattoria. Was die Speise-Auswahl anbelangt, brauchen wir uns hier keine Qual anzutun. Denn es gibt lediglich ein Hauptgericht. Daneben allerdings noch eine Auswahl an Vorspeisen und Salat. Die Gastwirte vertreten die Besitzer, die gerade in Urlaub sind. Das Paar agiert allerdings so, als wäre es sein Lokal und ist sehr bemüht um seine Gäste. Das Essen ist bezahlbar und ausgesprochen lecker.
Am Sonntag, unserem letzten gemeinsamen Tag, haben wir uns Vlotho/Bad Oeynhausen als Ziel gesetzt. Rund zwanzig Kilometer Fahrtstrecke mit einem leichten Anstieg. Gut, dass ich mit E-Bike ausgerüstet bin. Der Radweg ist nicht schön, wir fahren oftmals auf Wegen, die unmittelbar neben der stark befahrenen Straße verlaufen. Ab und zu überraschen uns Natur-Schönheiten am Straßenrand. Wie dieses wunderschöne Sonnenblumenfeld.


Auch Schotterwege sind dabei, bei denen man höllisch aufpassen muss, um nicht auf die Nase zu fallen. Als weiteres Hindernis durchfahren wir noch ein Gelände, auf dem an diesem Tag ein großes Musikfestival stattfindet. Hier ist per Rad kaum ein Durchkommen möglich. Doch schließlich haben wir Vlotho erreicht. Ein ziemlich unspektakulärer Ort. Nur dieses eine Haus macht uns richtig Spaß. Fast die ganze Fassade ist eine Illusion. Alles nur gemalt. Da war ein echter Künstler am Werk. 

Das nächste Highlight ist eine Eisdiele. Die nutzen wir natürlich für eine Genusspause. Für den Rückweg wählen wir die andere Weser-Seite. Auf der Straße neben der bergabwärts führenden Strecke erproben Motorradfahrer gerade ihre Kurvenfahrkünste. Hoch und runter dröhnen sie neben uns entlang. Als wir endlich den Waldweg erreichen, glauben wir uns in Sicherheit. Aber jetzt wird es erst richtig schwierig. Matsch und Schotter verleiden uns die Freude am Radfahren. Kurz vor Schluss wird es dann noch sehr nett. Wir erreichen das Wassersportgebiet Kalletal, wo wir bei herrlichstem Sonnenschein eine lange Sitzpause einlegen, in der wir den Wasserski-Könnern und -Nichtkönnern (800 Meter 5-Mast-Anlage) zusehen.



Wir schwingen uns wieder auf die Sättel, denn unsere Freundin hat die Idee, für Kaffee und Kuchen Kloster Möllenbeck anzusteuern, das mit einem riesigen Hofgarten ein echter Gästemagnet ist. Irre lange Menschenschlangen überall dort, wo man sich etwas zu essen bestellen kann. Das Personal schafft den Andrang einfach nicht. Normalerweise hätten wir uns geweigert, uns anzustellen, aber im Sixpack muss man sich natürlich dem allgemeinen Wunsch anpassen. Also stehen wir mal eine Weile. 30 Minuten, um genau zu sein. Irgendwann haben wir endlich alle unser Stück Pfannkuchen, Flammkuchen, unseren Salat oder was auch immer in der Hand. Wir finden sogar noch einen Tisch, an dem wir zusammen Platz finden, so dass das Radler-Wochenende hier richtig gemütlich ausklingen kann.