Alle Jahre wieder ruft die Familie zu
einem gemeinsamen Wochenende. Das verlebten wir im Juli 2016 in
Noordwijk, wo wir im Hotel de Ossawa wohnten. Das
Standard-Doppelzimmer buchten wir für drei Nächte inkl. Frühstück
zu einem Preis von 252 Euro über „Booking.com“. Hinzu kam eine
Touristenabgabe von 2,40 Euro pro Tag und Person. Einen Parkplatz
direkt am Hotel konnte man für 7 Euro pro Tag dazu buchen. Das Hotel
ist kein Luxushotel, aber es ist sauber und die Betreiber sind
ausgesprochen freundlich. Perfekt war für uns die Lage, denn in zehn
Minuten konnten wir zu Fuß durch die kleine Fußgängerzone bis zum
Strand gelangen.
Leider empfing uns der Ort mit viel
Wind und Regen. Trotzdem machten wir uns gleich nach dem Einchecken
zu einer ersten Stadterkundung auf. In der Fußgängerzone gönnte
ich mir an einem Fischstand meinen ersten Matjes mit Zwiebeln. Hmmm,
einfach köstlich – ganz zart, lecker frisch!
Bei einem Blick auf den Strandbereich
von Noordwijk stellten wir fest, dass hier, genau wie in vielen
anderen holländischen Küstenorten, etliche als Beachclubs geführte
Strandbuden den Strandgästen Ruheplätze und Speis und Trank bieten.
Die Anzahl war allerdings überschaubarer als zum Beispiel in
Scheveningen. Ein sehr schönes „Etablissement“ ist der Alexander
Beach Club, aber Speisen und Getränken sind nicht ganz preiswert.
Am Ende der Fußgängerzone gingen wir
rechts und entdeckten dort das Pfannkuchen-Restaurant „Hans en
Grietje“. Wir verkrümelten uns in ein gemütliches Eckchen und
ließen uns verwöhnen. Wir konnten beobachten und selbst erfahren,
dass hier alles liebevoll zubereitet und serviert wird.
Die Teebeutel
kamen in einem kleinen, wie ein Buch aussehenden Karton an den Tisch.
Zum Tee wurden drei kleine Süßigkeiten gereicht. Auge und Magen
wurden also gleichermaßen gut bedient. Eine besonders pfiffige Idee
ist es, dass hier Gäste, die mit Kindern kommen, die Kleinen im
Untergeschoss, das als großes Spielzimmer ausgebaut ist, abgeben und
sie vom Restaurant aus über Video beobachten können.
Nach dem Essen ist ja bekanntlich vor
dem Essen. Deshalb schauten wir uns anschließend nach einem
Restaurant um, in dem die siebenköpfige Familie zu Abend essen
könnte. In Strand- und Fußgängerzonen-Nähe stießen wir fast
ausschließlich auf italienische und asiatische Restaurants. Wir
landeten schließlich bei einem China-/Thai-Restaurant mit
Deichblick. Ich aß irgendwas mit gebratenen Nudeln (eigentlich war
ich ja noch vom Pfannkuchen satt), die Übrigen bestellten Ente
süß-sauer und andere der üblichen asiatischen Speisen. Ganz
lecker, aber nicht umwerfend. Während des Essens stieß dann noch
das letzte Schwägerin-/Schwager-Paar zu uns. Jetzt war die Gruppe
komplett.
Da gerade Fußball-Europameisterschaft
angesagt war, ergab sich die erste Diskussion zum Thema: „Wo gucken
wir das Spiel Deutschland-Italien?“ Wenn es nach mir gegangen wäre
(geht es aber nie), hätten wir es in einer typisch holländischen
Kneipe angeschaut. Doch die Protestler tönten: „Nee! Zu laut,
keine Sitzplätze....“. Da musste ich mich natürlich geschlagen
geben und mich auf einen Fußballabend im Hotel einrichten. Dort
hatte der Besitzer den Frühstücksraum zum Wohnzimmer
umfunktioniert. Und ich muss zugeben: Das hat er prima gemacht. Es
war richtig gemütlich dort. Im Raum saß außer der Familie noch ein
Gästepaar aus dem Raum Hamburg, wobei der Mann echt die Narrenkappe
auf hatte. Vor sich auf dem Tisch hatte er eine Fußballtröte
aufgestellt und nahm jetzt gerade Haltung an, um im Stehen und aus
voller Brust die deutsche Nationalhymne mitzusingen. Na, ja. Während
alle das Fußball-Fieber gepackt hatte, surfte ich ein wenig im
Internet, denn im Zimmer war der W-LAN-Empfang schlecht. Dort
funktionierte es einzig dann, wenn ich mich an die Zimmertür auf den
Boden setzte. Echt! Ich habe ein Beweis-Foto machen lassen.
Parallel
zu meinen Internet-Aktivitäten hielt sich für mich die Spannung des
Fußball-Krimis Deutschland-Italien in Grenzen. Am Ende der Spielzeit
ein Unentschieden. Kein Familien-Mitglied hatte auf dieses Ergebnis
getippt. Doch wir hatten zusätzlich auf das Ergebnis eines möglichen
Elfmeter-Schießens gewettet. Dabei hat der Teufel natürlich auf den
dicksten Haufen geschissen – oder wie sagt man? Und der Schwager
durfte den Einsatz kassieren. Während des Fußballspiels servierte
das Wirtspaar übrigens etliche Bitter-Garnituuren für die Gäste.
Sehr nett, sehr gastfreundlich! Das freute uns ganz ehrlich.
Nach dem Spiel wollten wir dann mal
gucken, wie denn wohl die „Komfort“-Zimmer aussehen, die die
finanziell besser Gestellten gebucht hatten. Es war eigentlich kein
wirklich überzeugender Unterschied zu unseren Standard-Zimmern
feststellbar. Die Zimmer waren gleichermaßen ziemlich schmucklos und
mit wenig Liebe eingerichtet. Im Bad gab es kaum Ablageflächen, im
Kleiderschrank zu wenig Bügel. In den Betten ließ es sich dafür
prima liegen. Nur Lesen vor dem Einschlafen – das war
problematisch. Denn das einzige Nachttischlämpchen, das mit einem
Dimmer-Schalter funktionierte, lieferte einfach zu wenig Licht.
Alternativ hätte man jetzt vor dem Einschlafen den Fernseher
eingeschaltet. Allerdings mit nur einem deutschen Fernsehprogramm
(ZDF) war das auch keine Option.
Obwohl unser Zimmerfenster zur Straße
hinausging, haben wir es nicht als laut empfunden. Was uns weckte,
war am Morgen ein Hahnenschrei der sich mit Kolkraben-Gekrächz zu
einem Konzert vermengte. Der Hahn wohnte offensichtlich in der
gegenüber des Hotels befindlichen Kleingartenanlage, die Raben im
Baum vor unserem Zimmer.
Zum Frühstück traf sich die Familie
dann im TV-Raum des Vorabends. Das Angebot am Buffet war sehr gut.
Wurst, Käse, Eier, Cerealien – alles, was das Herz begehrte. Zudem
waren die einzelnen Komponenten appetitlich und ordentlich
angerichtet und Weggegessenes wurde ständig aufgefüllt. Bei dem
holländischen luftartigen Weißbrot schwelgte ich sofort in
Erinnerungen an Holland-Urlaube der Jugendzeit! Auf das Brot dann
dunkler Schoko-Hagel. Ein Genuss!
Nach dem Frühstück wurde dem
Beschluss, einen ausgedehnten Strandspaziergang zu machen, gefolgt.
Jeder ging in seinem eigenen Tempo, meist gesellte sich ein anderes
Familienmitglied eine Weile lang dazu, um über dies und das und
alles zu quatschen. Immer wieder bildeten sich neue Wander-Paare, so
dass am Ende wirklich jeder mal von jedem das Erlebte der letzten 365
Tage gehört hatte und die Freuden und Sorgen des Anderen teilen
konnte. Eine kurze Pause bescherte uns das Zuschauen bei den Übungen
der Rettungsbrigade. Dann ging es weiter. Es war eine Freude, das
Toben der hohen Wellen anzusehen und sich vom starken Wind den Kopf
frei pusten zu lassen. Eine Schwägerin, die auf ihrem Smartphone
eine Wetter-App installiert hatte, hielt uns stets auf dem Laufenden,
wann wohl der nächste Regen zu erwarten sei. „Genau in 37
Minuten“, hieß es plötzlich, so dass wir alle Mann zurückpfiffen.
Die App funktionierte tatsächlich minutengenau. So konnten wir uns
gerade, bevor sich die Himmelsschleusen öffneten, in einem
italienischen Restaurant auf dem Deich niederlassen. Für dieses
bravouröse Frühwarnsystem erntete die Schwägerin natürlich viel
Lob.
Später wollten wir erkunden, wo
eigentlich die Sandskulpturen-Künstler zu finden sind, die ab diesem
Wochenende im Rahmen des Sandskulpturen-Festivals werkeln sollten. Am
Strand fanden wir sie nicht. Also probierten wir unser Glück mal auf
der Strandpromenade (Boulevard). Tatsächlich. Dort gab es eine
Handvoll abgetrennter Plätze, auf denen jeweils ein großer
Sandblock (Spezialsand) aufgestellt war, an dem sich die Künstler zu
schaffen machten. Bei dieser Größenordnung von einem Festival zu
sprechen, erschien mir dann doch ein wenig übertrieben. Doch
immerhin bei einem Künstler konnte man schon eine weibliche Figur
heranwachsen sehen.
Weil hier oben auch eine Fischbude aufgebaut war,
konnte ich meinen zweiten Matjes dieses Wochenendes verputzen. Wieder
war es Genuss pur. Nachdem der Wind die Wolken komplett weggefegt
hatte, splitterte sich unsere Gruppe auf. Der beste aller Ehemänner
und ich zogen mit einem weiteren Paar den Strand entlang, dieses Mal
ging es in die andere Richtung. Bis es Zeit wurde, sich auf das
Abendessen vorzubereiten, verbrachten wir noch eine Weile im
Außengastronomie-Bereich einer der Strandbuden, saßen hinter
windschützenden Scheiben mit Blick auf das Meer, die Kite-Surfer und
das weitere bunte Treiben am Strand. Dass die Schwägerin sehr lange
auf Käsekuchen mit Zitronensorbet warten musste, störte uns an
diesem schönen Platz eher wenig.
Auf dem Rückweg reservierten wir für
das Abendessen einen Tisch beim Mexikaner „Chicoleo“. Dort
wählten wir Steaks, Spareribs oder Tapas. Die Schwägerin
reklamierte der Familie gegenüber, ihr Steak sei zu scharf gebraten.
Ganz so schlimm schien es dann doch nicht zu sein, denn sie verputzte
es, ohne ein Fitzelchen auf dem Teller zurückzulassen. Der Tequila
danach, stilecht mit Salz und Zitrone getrunken, spülte Ärger und
scharf Gebratenes herunter.
Nach einem weiteren EM-Spiel-Abend
wollte ich am nächsten Tag unbedingt nach Leiden. Da ein Paar schon
an diesem Tag seine Rückreise antrat, und die anderen sowieso nicht
auf ihren täglichen Strandspaziergang verzichten wollten, ging es
erst noch einmal ans Meer. Aber kurz nach Mittag entschloss sich die
Gruppe zur Umkehr, weil Leiden doch noch angesteuert werden sollte.
Im 800-PS-BMW des Schwagers starteten wir. Busfahren wollte außer
mir schließlich niemand. Deshalb musste halt im Stadtzentrum
herumgedüst werden, um einen Parkplatz zu finden. Die Parkuhr
stellte unsere Intelligenz auf eine echte Probe, aber letztlich
gelang es. Für den Preis des Parktickets hätten wir allerdings gut
Bus fahren können. Egal. Doof war nur, dass die maximale Parkzeit
auf zwei Stunden begrenzt war, so dass die Jungs später nochmal
losziehen mussten, um nachzuzahlen. In Leiden, eine Stadt, die von
Grachten durchzogen und vom Alten und Neuen Rhein umschlossen ist,
erlebten wir herrlichstes Wetter. Zuerst machten wir eine
fünfzigminütige Bootsrundfahrt durch die Grachten der Geburtsstadt
Rembrandts.
Das Schiff bugsierte uns unter vielen Brücken hindurch,
wobei oftmals der Kopf einzuziehen war. Leider funktionierte nicht
jeder Kopfhörer. Demnach wussten eben nur einige, welche
Sehenswürdigkeiten gerade vorbeizogen. Aber allein das Anschauen
lohnte sich allemal. Was wir vorher nicht wussten: An diesem Tag
wurde in Leiden das Woodstock-Boots-Festival gefeiert. Verschiedene
Bands begegneten uns in Booten, auf denen sie Musik machten. Ein
tolles Erlebnis!
Natürlich waren die Cafés an den Grachten voller
Menschen. Trotzdem fanden wir noch einen Fünfer-Tisch, an dem wir
uns niederließen, einige Genuss-Momente erlebten und uns, der Musik
lauschend, treiben ließen. Der anschließende kurze Stadtbummel ließ
uns den Vorsatz fassen: Hierher wollen wir wiederkommen. Doch jetzt
ging es erst einmal zurück nach Noordwijk, wo in der „Blauwe Gans“
das Abendessen eingenommen werden sollte – den Warnungen der
Schwägerin zum Trotz: „Das ist nur ein Bistro, erwartet nicht zu
viel!“ Der sonnenbeschienene Tisch hatte uns magisch angezogen.
Doch hier sitzend, waren wir bald vermutlich garer als das Fleisch
auf dem Teller manchen Gastes. Ich aß ein Beefsteak für 12 Euro
(das preiswerteste Gericht auf der Karte) und war begeistert. Die
anderen hatten sich für Kalbsleber, Seewolf oder Seezungenfilets
entschieden – und alle waren sehr zufrieden. Maximale Kritik: Ein
wenig zu viele Sehnen in der Leber. Die fand ich auf meinem Teller
wieder und verputzte sie mit Genuss, was mir ein verächtliches
Kopfschütteln einbrachte. Die Rechnung gibt es in den holländischen
Restaurants, wie auch in denen vieler anderer Länder, immer nur pro
Tisch. Wollen die Preiswert-Esser nicht für die Exklusiv-Esser
mitbezahlen, muss eben am Schluss intern alles auseinander dividiert
werden. Nach dem Essen kühlten wir uns bei einem Absacker auf der
Terrasse vor dem Restaurant auf Normaltemperatur herunter. Auf dem
Platz, dessen Stufen am Vortag einer Schwägerin zum Verhängnis
wurden (sie stürzte ziemlich übel), warb heute eine religiöse
Sekte mit Musik für sich. Die Musik war zwar ganz nett, das Werben
um Seelen gefiel uns allerdings weniger.
Einige unserer Gruppe nutzen
die Gelegenheit, sich vom Meer zu verabschieden, bevor es zurück zum
Hotel ging. Heute Abend spielte Island gegen Frankreich. Da zogen die
sympathischen Isländer, für die ich wirklich die Daumen gedrückt
hatte, leider den Kürzeren. Für manche von uns wurde es noch ein
langer Abend mit Diskussionen und viel Promille. Ich verabschiedete
mich ein wenig früher, um den Koffer schon mal grob vorzupacken.
Nach dem Frühstück hieß es am nächsten Morgen Abschied nehmen.
Der Sonnenschein war uns treu geblieben, wodurch die Rückfahrt nach
Koblenz ziemlich entspannt über die Bühne ging.