Dienstag, 10. Januar 2017

Zwei Tage Noordwijk aan Zee mit einem Abstecher nach Leiden

Alle Jahre wieder ruft die Familie zu einem gemeinsamen Wochenende. Das verlebten wir im Juli 2016 in Noordwijk, wo wir im Hotel de Ossawa wohnten. Das Standard-Doppelzimmer buchten wir für drei Nächte inkl. Frühstück zu einem Preis von 252 Euro über „Booking.com“. Hinzu kam eine Touristenabgabe von 2,40 Euro pro Tag und Person. Einen Parkplatz direkt am Hotel konnte man für 7 Euro pro Tag dazu buchen. Das Hotel ist kein Luxushotel, aber es ist sauber und die Betreiber sind ausgesprochen freundlich. Perfekt war für uns die Lage, denn in zehn Minuten konnten wir zu Fuß durch die kleine Fußgängerzone bis zum Strand gelangen.


Leider empfing uns der Ort mit viel Wind und Regen. Trotzdem machten wir uns gleich nach dem Einchecken zu einer ersten Stadterkundung auf. In der Fußgängerzone gönnte ich mir an einem Fischstand meinen ersten Matjes mit Zwiebeln. Hmmm, einfach köstlich – ganz zart, lecker frisch!


Bei einem Blick auf den Strandbereich von Noordwijk stellten wir fest, dass hier, genau wie in vielen anderen holländischen Küstenorten, etliche als Beachclubs geführte Strandbuden den Strandgästen Ruheplätze und Speis und Trank bieten. Die Anzahl war allerdings überschaubarer als zum Beispiel in Scheveningen. Ein sehr schönes „Etablissement“ ist der Alexander Beach Club, aber Speisen und Getränken sind nicht ganz preiswert.
Am Ende der Fußgängerzone gingen wir rechts und entdeckten dort das Pfannkuchen-Restaurant „Hans en Grietje“. Wir verkrümelten uns in ein gemütliches Eckchen und ließen uns verwöhnen. Wir konnten beobachten und selbst erfahren, dass hier alles liebevoll zubereitet und serviert wird. 


Die Teebeutel kamen in einem kleinen, wie ein Buch aussehenden Karton an den Tisch. Zum Tee wurden drei kleine Süßigkeiten gereicht. Auge und Magen wurden also gleichermaßen gut bedient. Eine besonders pfiffige Idee ist es, dass hier Gäste, die mit Kindern kommen, die Kleinen im Untergeschoss, das als großes Spielzimmer ausgebaut ist, abgeben und sie vom Restaurant aus über Video beobachten können.
Nach dem Essen ist ja bekanntlich vor dem Essen. Deshalb schauten wir uns anschließend nach einem Restaurant um, in dem die siebenköpfige Familie zu Abend essen könnte. In Strand- und Fußgängerzonen-Nähe stießen wir fast ausschließlich auf italienische und asiatische Restaurants. Wir landeten schließlich bei einem China-/Thai-Restaurant mit Deichblick. Ich aß irgendwas mit gebratenen Nudeln (eigentlich war ich ja noch vom Pfannkuchen satt), die Übrigen bestellten Ente süß-sauer und andere der üblichen asiatischen Speisen. Ganz lecker, aber nicht umwerfend. Während des Essens stieß dann noch das letzte Schwägerin-/Schwager-Paar zu uns. Jetzt war die Gruppe komplett.
Da gerade Fußball-Europameisterschaft angesagt war, ergab sich die erste Diskussion zum Thema: „Wo gucken wir das Spiel Deutschland-Italien?“ Wenn es nach mir gegangen wäre (geht es aber nie), hätten wir es in einer typisch holländischen Kneipe angeschaut. Doch die Protestler tönten: „Nee! Zu laut, keine Sitzplätze....“. Da musste ich mich natürlich geschlagen geben und mich auf einen Fußballabend im Hotel einrichten. Dort hatte der Besitzer den Frühstücksraum zum Wohnzimmer umfunktioniert. Und ich muss zugeben: Das hat er prima gemacht. Es war richtig gemütlich dort. Im Raum saß außer der Familie noch ein Gästepaar aus dem Raum Hamburg, wobei der Mann echt die Narrenkappe auf hatte. Vor sich auf dem Tisch hatte er eine Fußballtröte aufgestellt und nahm jetzt gerade Haltung an, um im Stehen und aus voller Brust die deutsche Nationalhymne mitzusingen. Na, ja. Während alle das Fußball-Fieber gepackt hatte, surfte ich ein wenig im Internet, denn im Zimmer war der W-LAN-Empfang schlecht. Dort funktionierte es einzig dann, wenn ich mich an die Zimmertür auf den Boden setzte. Echt! Ich habe ein Beweis-Foto machen lassen. 

Parallel zu meinen Internet-Aktivitäten hielt sich für mich die Spannung des Fußball-Krimis Deutschland-Italien in Grenzen. Am Ende der Spielzeit ein Unentschieden. Kein Familien-Mitglied hatte auf dieses Ergebnis getippt. Doch wir hatten zusätzlich auf das Ergebnis eines möglichen Elfmeter-Schießens gewettet. Dabei hat der Teufel natürlich auf den dicksten Haufen geschissen – oder wie sagt man? Und der Schwager durfte den Einsatz kassieren. Während des Fußballspiels servierte das Wirtspaar übrigens etliche Bitter-Garnituuren für die Gäste. Sehr nett, sehr gastfreundlich! Das freute uns ganz ehrlich.
Nach dem Spiel wollten wir dann mal gucken, wie denn wohl die „Komfort“-Zimmer aussehen, die die finanziell besser Gestellten gebucht hatten. Es war eigentlich kein wirklich überzeugender Unterschied zu unseren Standard-Zimmern feststellbar. Die Zimmer waren gleichermaßen ziemlich schmucklos und mit wenig Liebe eingerichtet. Im Bad gab es kaum Ablageflächen, im Kleiderschrank zu wenig Bügel. In den Betten ließ es sich dafür prima liegen. Nur Lesen vor dem Einschlafen – das war problematisch. Denn das einzige Nachttischlämpchen, das mit einem Dimmer-Schalter funktionierte, lieferte einfach zu wenig Licht. Alternativ hätte man jetzt vor dem Einschlafen den Fernseher eingeschaltet. Allerdings mit nur einem deutschen Fernsehprogramm (ZDF) war das auch keine Option.
Obwohl unser Zimmerfenster zur Straße hinausging, haben wir es nicht als laut empfunden. Was uns weckte, war am Morgen ein Hahnenschrei der sich mit Kolkraben-Gekrächz zu einem Konzert vermengte. Der Hahn wohnte offensichtlich in der gegenüber des Hotels befindlichen Kleingartenanlage, die Raben im Baum vor unserem Zimmer.
Zum Frühstück traf sich die Familie dann im TV-Raum des Vorabends. Das Angebot am Buffet war sehr gut. Wurst, Käse, Eier, Cerealien – alles, was das Herz begehrte. Zudem waren die einzelnen Komponenten appetitlich und ordentlich angerichtet und Weggegessenes wurde ständig aufgefüllt. Bei dem holländischen luftartigen Weißbrot schwelgte ich sofort in Erinnerungen an Holland-Urlaube der Jugendzeit! Auf das Brot dann dunkler Schoko-Hagel. Ein Genuss!


Nach dem Frühstück wurde dem Beschluss, einen ausgedehnten Strandspaziergang zu machen, gefolgt. Jeder ging in seinem eigenen Tempo, meist gesellte sich ein anderes Familienmitglied eine Weile lang dazu, um über dies und das und alles zu quatschen. Immer wieder bildeten sich neue Wander-Paare, so dass am Ende wirklich jeder mal von jedem das Erlebte der letzten 365 Tage gehört hatte und die Freuden und Sorgen des Anderen teilen konnte. Eine kurze Pause bescherte uns das Zuschauen bei den Übungen der Rettungsbrigade. Dann ging es weiter. Es war eine Freude, das Toben der hohen Wellen anzusehen und sich vom starken Wind den Kopf frei pusten zu lassen. Eine Schwägerin, die auf ihrem Smartphone eine Wetter-App installiert hatte, hielt uns stets auf dem Laufenden, wann wohl der nächste Regen zu erwarten sei. „Genau in 37 Minuten“, hieß es plötzlich, so dass wir alle Mann zurückpfiffen. Die App funktionierte tatsächlich minutengenau. So konnten wir uns gerade, bevor sich die Himmelsschleusen öffneten, in einem italienischen Restaurant auf dem Deich niederlassen. Für dieses bravouröse Frühwarnsystem erntete die Schwägerin natürlich viel Lob.
Später wollten wir erkunden, wo eigentlich die Sandskulpturen-Künstler zu finden sind, die ab diesem Wochenende im Rahmen des Sandskulpturen-Festivals werkeln sollten. Am Strand fanden wir sie nicht. Also probierten wir unser Glück mal auf der Strandpromenade (Boulevard). Tatsächlich. Dort gab es eine Handvoll abgetrennter Plätze, auf denen jeweils ein großer Sandblock (Spezialsand) aufgestellt war, an dem sich die Künstler zu schaffen machten. Bei dieser Größenordnung von einem Festival zu sprechen, erschien mir dann doch ein wenig übertrieben. Doch immerhin bei einem Künstler konnte man schon eine weibliche Figur heranwachsen sehen. 

Weil hier oben auch eine Fischbude aufgebaut war, konnte ich meinen zweiten Matjes dieses Wochenendes verputzen. Wieder war es Genuss pur. Nachdem der Wind die Wolken komplett weggefegt hatte, splitterte sich unsere Gruppe auf. Der beste aller Ehemänner und ich zogen mit einem weiteren Paar den Strand entlang, dieses Mal ging es in die andere Richtung. Bis es Zeit wurde, sich auf das Abendessen vorzubereiten, verbrachten wir noch eine Weile im Außengastronomie-Bereich einer der Strandbuden, saßen hinter windschützenden Scheiben mit Blick auf das Meer, die Kite-Surfer und das weitere bunte Treiben am Strand. Dass die Schwägerin sehr lange auf Käsekuchen mit Zitronensorbet warten musste, störte uns an diesem schönen Platz eher wenig.


Auf dem Rückweg reservierten wir für das Abendessen einen Tisch beim Mexikaner „Chicoleo“. Dort wählten wir Steaks, Spareribs oder Tapas. Die Schwägerin reklamierte der Familie gegenüber, ihr Steak sei zu scharf gebraten. Ganz so schlimm schien es dann doch nicht zu sein, denn sie verputzte es, ohne ein Fitzelchen auf dem Teller zurückzulassen. Der Tequila danach, stilecht mit Salz und Zitrone getrunken, spülte Ärger und scharf Gebratenes herunter.

Nach einem weiteren EM-Spiel-Abend wollte ich am nächsten Tag unbedingt nach Leiden. Da ein Paar schon an diesem Tag seine Rückreise antrat, und die anderen sowieso nicht auf ihren täglichen Strandspaziergang verzichten wollten, ging es erst noch einmal ans Meer. Aber kurz nach Mittag entschloss sich die Gruppe zur Umkehr, weil Leiden doch noch angesteuert werden sollte. Im 800-PS-BMW des Schwagers starteten wir. Busfahren wollte außer mir schließlich niemand. Deshalb musste halt im Stadtzentrum herumgedüst werden, um einen Parkplatz zu finden. Die Parkuhr stellte unsere Intelligenz auf eine echte Probe, aber letztlich gelang es. Für den Preis des Parktickets hätten wir allerdings gut Bus fahren können. Egal. Doof war nur, dass die maximale Parkzeit auf zwei Stunden begrenzt war, so dass die Jungs später nochmal losziehen mussten, um nachzuzahlen. In Leiden, eine Stadt, die von Grachten durchzogen und vom Alten und Neuen Rhein umschlossen ist, erlebten wir herrlichstes Wetter. Zuerst machten wir eine fünfzigminütige Bootsrundfahrt durch die Grachten der Geburtsstadt Rembrandts. 

Das Schiff bugsierte uns unter vielen Brücken hindurch, wobei oftmals der Kopf einzuziehen war. Leider funktionierte nicht jeder Kopfhörer. Demnach wussten eben nur einige, welche Sehenswürdigkeiten gerade vorbeizogen. Aber allein das Anschauen lohnte sich allemal. Was wir vorher nicht wussten: An diesem Tag wurde in Leiden das Woodstock-Boots-Festival gefeiert. Verschiedene Bands begegneten uns in Booten, auf denen sie Musik machten. Ein tolles Erlebnis! 


Natürlich waren die Cafés an den Grachten voller Menschen. Trotzdem fanden wir noch einen Fünfer-Tisch, an dem wir uns niederließen, einige Genuss-Momente erlebten und uns, der Musik lauschend, treiben ließen. Der anschließende kurze Stadtbummel ließ uns den Vorsatz fassen: Hierher wollen wir wiederkommen. Doch jetzt ging es erst einmal zurück nach Noordwijk, wo in der „Blauwe Gans“ das Abendessen eingenommen werden sollte – den Warnungen der Schwägerin zum Trotz: „Das ist nur ein Bistro, erwartet nicht zu viel!“ Der sonnenbeschienene Tisch hatte uns magisch angezogen. Doch hier sitzend, waren wir bald vermutlich garer als das Fleisch auf dem Teller manchen Gastes. Ich aß ein Beefsteak für 12 Euro (das preiswerteste Gericht auf der Karte) und war begeistert. Die anderen hatten sich für Kalbsleber, Seewolf oder Seezungenfilets entschieden – und alle waren sehr zufrieden. Maximale Kritik: Ein wenig zu viele Sehnen in der Leber. Die fand ich auf meinem Teller wieder und verputzte sie mit Genuss, was mir ein verächtliches Kopfschütteln einbrachte. Die Rechnung gibt es in den holländischen Restaurants, wie auch in denen vieler anderer Länder, immer nur pro Tisch. Wollen die Preiswert-Esser nicht für die Exklusiv-Esser mitbezahlen, muss eben am Schluss intern alles auseinander dividiert werden. Nach dem Essen kühlten wir uns bei einem Absacker auf der Terrasse vor dem Restaurant auf Normaltemperatur herunter. Auf dem Platz, dessen Stufen am Vortag einer Schwägerin zum Verhängnis wurden (sie stürzte ziemlich übel), warb heute eine religiöse Sekte mit Musik für sich. Die Musik war zwar ganz nett, das Werben um Seelen gefiel uns allerdings weniger. 


Einige unserer Gruppe nutzen die Gelegenheit, sich vom Meer zu verabschieden, bevor es zurück zum Hotel ging. Heute Abend spielte Island gegen Frankreich. Da zogen die sympathischen Isländer, für die ich wirklich die Daumen gedrückt hatte, leider den Kürzeren. Für manche von uns wurde es noch ein langer Abend mit Diskussionen und viel Promille. Ich verabschiedete mich ein wenig früher, um den Koffer schon mal grob vorzupacken. Nach dem Frühstück hieß es am nächsten Morgen Abschied nehmen. Der Sonnenschein war uns treu geblieben, wodurch die Rückfahrt nach Koblenz ziemlich entspannt über die Bühne ging.