Freitag, 23. Dezember 2016

Es ist Krimitag - auch in Koblenz

Am 08. Dezember 2011 rief das „SYNDIKAT“, die Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur, den Krimitag ins Leben. Rund um diesen Tag werden an vielen Orten in Deutschland, Österreich und der Schweiz Veranstaltungen von und mit deutschsprachigen Krimi-Autor/innen für den guten Zweck organisiert. Auf diese Weise soll an den am 08. Dezember 1938 gestorbenen Schweizer Schriftsteller Friedrich Glauser erinnert werden, der als einer der ersten deutschsprachigen Kriminalroman-Autoren gilt.


Der jetzt 5. Koblenzer Krimitag fand einmal wieder im Polizeipräsidium Koblenz statt. Welcher Ort eignet sich schließlich besser für Krimilesungen als dieser, wo Tag für Tag professionell die realen Kriminalfälle des Lebens ermittelt werden, sinnierte der Polizeipräsident. 
Organisiert wurde die Veranstaltung von dem Kriminalroman-Autor Jörg Schmitt-Kilian, ehemaliger Drogenfahnder und Hauptkommissar, gemeinsam mit der Buchhändlerin Eva Pfitzner, Gründerin des „Leseratten-Service“. Neben Schmitt-Kilian waren Gabriele Keiser, Jutta Siorpaes und Arno Strobel von der schreibenden Zunft dabei, um Ausschnitte ihrer Geschichten vorzulesen.


Schmitt-Kilian stellte sich neben Sängerin Sabiene Jahn und Gitarrist Michael Bostelmann als Teil des „mörderischen Trios“ vor, das durch die Kombination von Krimi und Musik doppeltes Gänsehautgefühl bescherte. Ein Kurzkrimi, den er gemeinsam mit der Krimischriftstellerin Gabriele Keiser schrieb, führte die Zuschauer von einem Nationalpark in Kanada nach Ehrenbreitstein. Der wahre, im Jahr 1994 in Ehrenbreitstein begangene Sexualmord an der amerikanischen Studentin „Amy Lopez“ inspirierte das Autoren-Duo zu seiner Geschichte des Verbrechens. „Szenenwechsel“, sagte Schmitt-Kilian und nahm lesend das Publikum mit in eine Eisdiele auf dem Koblenzer Jesuitenplatz, wo Emily Howard auftaucht. Keiser las: „Scuse me, do you speak English?“. Amüsant zu hören, was eine Englischsprachige aus dem Wort „Ehrenbreitstein“ macht. Und dann ist sie auch schon tot, das zweite Opfer eines Winzersohnes – und wieder einmal nur des lieben Geldes wegen. Mit „Let it be“ übernahmen Jahn und Bostelmann den Ausgang der Geschichte.


Im folgenden Solo für Schmitt-Kilian erzählte er von den Hintergründen seiner beiden Krimis „Spurenleger“ und „Leichenspuren“, die erwachsen sind aus dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn im Jahr 2007. Dabei seien seine Phantasie als Krimiautor und sein in die Geschichte eingeflossener kriminalistischer Spürsinn später von der Realität überholt worden. Heilbronn wird im ersten Kapitel des 2009 erschienenen Krimis „Spurenleger“ zu Koblenz. Auf einem Parkplatz am Deutschen Eck fallen zwei Schüsse, und für zwei Polizisten „erlöschen die Lichter der Festung“. Zu den lyrischen Schlussworten, gemäß denen vor einem Wiedersehen im Paradies auf Erden noch viele Tränen fließen werden, war Claptons „Tears in Heaven“, mit viel Herzblut dargeboten vom Musiker-Duo Jahn/Bostelmann, die passende Antwort. 



Dann hieß es „Bühne frei“ für Gabriele Keiser, die sich nicht sicher ist, ob Frauen so hart wie Männer und Männer so zart wie Frauen schreiben können, wenn sie gefragt wird, worin sich männliche von weiblichen Krimiautoren unterscheiden. Auch bei Keiser strotzen die Romane geradezu vor Lokalkolorit. Ihr aktueller, aus dem sie vorlas, heißt „Goldschiefer“ und beschert Franca Mazzari, Kriminalkommissarin am K11 in Koblenz, ihren fünften Fall. Das Lesefenster gab Einblick in einen mysteriösen Knochenfund auf einem Friedhof in der Nähe von Neuwied. Die Zuhörer erlebten eine Szene im Büro des Kommissariats, in der das kollegiale Miteinander mehr Gewicht hatte als die beginnende Ermittlungsarbeit zum Fall des „Knochenmädchens“. 


Gemeinschaftlich mit der promovierten Historikerin Dr. Jutta Siorpaes schrieb Schmitt-Kilian den Band 3 seiner Krimi-Trilogie um den Polizistinnenmord am Deutschen Eck. Noch ist das Werk, das im Juli 2017 erscheinen soll, nur ein Manuskript mit dem Arbeitstitel „Der Rückkehrer“. Die Frauenrollen darin stammen aus Siorpaes Feder. Schmitt-Kilian bleibt seiner Linie treu, viel hinter die Kulissen zu blicken, in die Gefühlswelten der Frauen und Männer im Dienst einzutauchen. Siorpaes begann die Lesung mit Tagebucheintragungen eines zunächst unbenannten weiblichen Opfers. Die erzählten von einem Selbstmordversuch und von Bildern und Stimmen, die nicht ruhen wollen. Dann begegnete der Zuhörer Ayse und ihrem Freund Jan, wurde Zeuge des Einbruchs in ihre Wohnung in Lützel und einer, dem Offensichtlichen geschuldeten Verhaftung. 

Das war das Signal für die Steve Taylor Blues Band, die den Krimitag mit einem rockig-bluesigen Sound mitreißend umrahmte, einen sehr beeindruckenden „Mörder-Blues“ zu spielen. 



„Das Beste zum Schluss“, das war beim Krimitag der Besuch von Thriller-Autor Arno Strobel. Der Autor, der sich erst mit fast vierzig Jahren dem Schreiben zuwandte, ist nun schon seit Jahren auf der Spiegel-Bestsellerliste zu Hause. Neben einem sehr skurrilen Anti-Weihnachtsmarktgedicht lieferte er Leseproben aus seinem in diesem Jahr erschienenen Psychothriller „Die Flut“. Weil er beim Prolog anfing und erst danach einen Sprung zu dem sich auf Amrum ereignenden Verbrechen machte, konnte der Zuhörer faktisch der „Entstehung“ eines bestialischen und sadistischen Mörders beiwohnen. Ein Mann, bei dem schon früh „das Fremdartige endgültig die Herrschaft über seinen Verstand übernahm“. Strobel war als großer Formulierungskünstler mit bildhafter Sprache und als blendender Vorleser zu erleben. Als Autor taucht er vollends in die Täterseele ein. 


Die Leseprobe schickte einen kühlen Hauch des Grusels durch den Raum, der die Zuschauer noch auf dem Nachhauseweg in einer bedrückenden Spannung begleitete. Schließlich war die Nacht genau so dunkel wie die, in der der Mörder gerade erst grausam zugeschlagen hatte. Einzig beruhigend wirkten die noch länger hörbaren Klänge der Musik, mit der die Tom Taylor-Band den Abend ausklingen ließ.