Am 08. Dezember 2011 rief das „SYNDIKAT“, die Autorengruppe
deutschsprachiger Kriminalliteratur, den Krimitag ins Leben. Rund um
diesen Tag werden an vielen Orten in Deutschland, Österreich und der
Schweiz Veranstaltungen
von und mit deutschsprachigen Krimi-Autor/innen für den guten Zweck
organisiert. Auf diese Weise soll an den
am 08. Dezember 1938 gestorbenen Schweizer Schriftsteller Friedrich
Glauser erinnert werden, der als einer der ersten deutschsprachigen
Kriminalroman-Autoren gilt.
Der
jetzt 5. Koblenzer Krimitag fand einmal wieder im Polizeipräsidium
Koblenz statt. Welcher Ort eignet sich schließlich besser für Krimilesungen als dieser, wo Tag für Tag professionell die realen Kriminalfälle des Lebens ermittelt werden, sinnierte der Polizeipräsident.
Organisiert wurde die Veranstaltung von dem Kriminalroman-Autor Jörg
Schmitt-Kilian, ehemaliger Drogenfahnder und Hauptkommissar,
gemeinsam mit der Buchhändlerin Eva Pfitzner, Gründerin des
„Leseratten-Service“. Neben Schmitt-Kilian waren Gabriele Keiser,
Jutta Siorpaes und Arno Strobel von der schreibenden Zunft dabei, um
Ausschnitte ihrer Geschichten vorzulesen.
Schmitt-Kilian stellte sich
neben Sängerin Sabiene Jahn und Gitarrist Michael Bostelmann als
Teil des „mörderischen Trios“ vor, das durch die Kombination von
Krimi und Musik doppeltes Gänsehautgefühl bescherte. Ein Kurzkrimi,
den er gemeinsam mit der Krimischriftstellerin Gabriele Keiser
schrieb, führte die Zuschauer von einem Nationalpark in Kanada nach
Ehrenbreitstein. Der wahre, im Jahr 1994 in Ehrenbreitstein begangene
Sexualmord an der amerikanischen Studentin „Amy Lopez“
inspirierte das Autoren-Duo zu seiner Geschichte des Verbrechens.
„Szenenwechsel“, sagte Schmitt-Kilian und nahm lesend das
Publikum mit in eine Eisdiele auf dem Koblenzer Jesuitenplatz, wo Emily Howard
auftaucht. Keiser las: „Scuse me, do you speak English?“. Amüsant
zu hören, was eine Englischsprachige aus dem Wort „Ehrenbreitstein“
macht. Und dann ist sie auch schon tot, das zweite Opfer eines
Winzersohnes – und wieder einmal nur des lieben Geldes wegen. Mit
„Let it be“ übernahmen Jahn und Bostelmann den Ausgang der
Geschichte.
Im folgenden Solo für Schmitt-Kilian erzählte er von
den Hintergründen seiner beiden Krimis „Spurenleger“ und
„Leichenspuren“, die erwachsen sind aus dem Mord an der
Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn im Jahr 2007. Dabei
seien seine Phantasie als Krimiautor und sein in die Geschichte
eingeflossener kriminalistischer Spürsinn später von der Realität
überholt worden. Heilbronn wird im ersten Kapitel des 2009
erschienenen Krimis „Spurenleger“ zu Koblenz. Auf einem Parkplatz
am Deutschen Eck fallen zwei Schüsse, und für zwei Polizisten
„erlöschen die Lichter der Festung“. Zu den lyrischen
Schlussworten, gemäß denen vor einem Wiedersehen im Paradies auf
Erden noch viele Tränen fließen werden, war Claptons „Tears in
Heaven“, mit viel Herzblut dargeboten vom Musiker-Duo
Jahn/Bostelmann, die passende Antwort.
Dann hieß es „Bühne frei“ für Gabriele Keiser, die sich nicht sicher ist, ob
Frauen so hart wie Männer und Männer so zart wie Frauen schreiben
können, wenn sie gefragt wird, worin sich männliche von weiblichen Krimiautoren unterscheiden. Auch bei Keiser strotzen die Romane
geradezu vor Lokalkolorit. Ihr aktueller, aus dem sie vorlas, heißt
„Goldschiefer“ und beschert Franca Mazzari, Kriminalkommissarin
am K11 in Koblenz, ihren fünften Fall. Das Lesefenster gab Einblick
in einen mysteriösen Knochenfund auf einem Friedhof in der Nähe von
Neuwied. Die Zuhörer erlebten eine Szene im Büro des Kommissariats,
in der das kollegiale Miteinander mehr Gewicht hatte als die
beginnende Ermittlungsarbeit zum Fall des „Knochenmädchens“.
Gemeinschaftlich mit der promovierten Historikerin Dr. Jutta Siorpaes
schrieb Schmitt-Kilian den Band 3 seiner Krimi-Trilogie um den
Polizistinnenmord am Deutschen Eck. Noch ist das Werk, das im Juli
2017 erscheinen soll, nur ein Manuskript mit dem Arbeitstitel „Der
Rückkehrer“. Die Frauenrollen darin stammen aus Siorpaes Feder.
Schmitt-Kilian bleibt seiner Linie treu, viel hinter die Kulissen zu
blicken, in die Gefühlswelten der Frauen und Männer im Dienst
einzutauchen. Siorpaes begann die Lesung mit Tagebucheintragungen
eines zunächst unbenannten weiblichen Opfers. Die erzählten von
einem Selbstmordversuch und von Bildern und Stimmen, die nicht ruhen
wollen. Dann begegnete der Zuhörer Ayse und ihrem Freund Jan, wurde
Zeuge des Einbruchs in ihre Wohnung in Lützel und einer, dem
Offensichtlichen geschuldeten Verhaftung.
Das war das Signal für die
Steve Taylor Blues Band, die den Krimitag mit einem rockig-bluesigen
Sound mitreißend umrahmte, einen sehr beeindruckenden „Mörder-Blues“
zu spielen.
„Das Beste zum Schluss“, das war beim Krimitag der
Besuch von Thriller-Autor Arno Strobel. Der Autor, der sich erst mit
fast vierzig Jahren dem Schreiben zuwandte, ist nun schon seit Jahren
auf der Spiegel-Bestsellerliste zu Hause. Neben einem sehr skurrilen
Anti-Weihnachtsmarktgedicht lieferte er Leseproben aus seinem in
diesem Jahr erschienenen Psychothriller „Die Flut“. Weil er beim
Prolog anfing und erst danach einen Sprung zu dem sich auf Amrum
ereignenden Verbrechen machte, konnte der Zuhörer faktisch der
„Entstehung“ eines bestialischen und sadistischen Mörders
beiwohnen. Ein Mann, bei dem schon früh „das Fremdartige endgültig
die Herrschaft über seinen Verstand übernahm“. Strobel war als
großer Formulierungskünstler mit bildhafter Sprache und als
blendender Vorleser zu erleben. Als Autor taucht er vollends in die
Täterseele ein.
Die Leseprobe schickte einen kühlen Hauch des
Grusels durch den Raum, der die Zuschauer noch auf dem Nachhauseweg
in einer bedrückenden Spannung begleitete. Schließlich war die
Nacht genau so dunkel wie die, in der der Mörder gerade erst grausam
zugeschlagen hatte. Einzig beruhigend wirkten die noch länger
hörbaren Klänge der Musik, mit der die Tom Taylor-Band den Abend
ausklingen ließ.